Erzbischof Gianfranco
Ravasi, der “Architekt“ der Begegnung Papst Benedikts mit den Künstlern gestern in
der Sixtina, zieht eine positive Bilanz des Treffens. Mehr als 250 Künstler aller
Sparten waren der Einladung gefolgt; unter den gewaltigen Fresken Michelangelos hörten
sie eine Meditation über Schönheit in der Kunst. „Wenn wir zugeben, dass Schönheit
uns berührt, dass sie uns verwundet, dass sie unsere Augen öffnet, dann entdecken
wir die Freude des Sehens neu und verstehen die tiefe Bedeutung unserer Existenz“,
sagte Benedikt den Künstlern. Gudrun Sailer bat Erzbischof Ravasi um seine Bilanz
des Treffens.
„Gut ist es gelaufen, aus zwei Gründen: einerseits wegen der
offensichtlichen Anteilnahme des Papstes an diesem Thema. Er ist ja beispielsweise
ein großer Musikliebhaber und hat bestimme Ausdrucksformen der Kunst immer gemocht.
Andererseits ist es auch gut gelaufen auf der Seite der Künstler. Die konnten heute
vor allem ein Wort wiederfinden, das in der letzten Periode der zeitgenössischen Kunst
vollkommen ins abseits geraten war: nämlich Schönheit. Da geht es nicht um Ästhetiszismus
um seiner selbst willen, sondern um die Schönheit des Seins und der Existenz.“
Papst
Benedikt hat an einer Stelle gewarnt vor einer künstlerischen Auffassung von Schönheit,
die nur den Skandal und damit letztlich eine Art von Zerstörung im Blick hat. Es waren
teilweise aber auch Künstler vertreten, die zu so einer Auffassung von Schönheit neigen.
„Die Kunst war in letzter Zeit die Darstellung der Krise, der inneren Leere
der Gesellschaft. Auf diese Art hat sie ein Werk gschaffen, das zwar künstlerisch
war, aber eben Ausdruck einer Verneinung, einer Verletzung, eines Bruchs der Harmonie.
Diese „Verneinungskunst“ hatte ihre Funktion, das will ich nicht bezweifeln, doch
am Ende verlor die Kunst damit ihre Fähigkeit, einen anderen Horizont zu öffnen. Viele
derer, die diese Form von Kunst geschaffen hatten, haben das erkannt und wollen jetzt
offenbar die Herausforderung annehmen, sich auf einem anderen Feld zu versuchen: dem
der positiven Schönheit, des Lichts, des Symbols, der großen Erzählung, des großen
Ausdrucks der Existenz. In diesem Sinn war auch die Anwesenheit jener Künstler wichtig,
die früher dieser „anderen Welt“ angehörten – und sie waren vielleicht sogar in der
Überzahl.“
Peter Stein sagte im Interview mit uns, er halte es auch für die
Aufgabe des Künstlers, gegebenenfalls auch Hässliches abzubilden und es dem menschlichen
Geist in Erinnerung zu halten. Welchen Platz hat das Hässliche, das Böse, aus Ihrer
Sicht in der zeitgenössischen Kunst?
„Eines ist klar: Das Böse ist von seiner
Natur her eine Grundkomponente in der Kunstgeschichte. Ein französischer Dichter sagte,
dass die Gesänge der Verzweiflung die schönsten sind. Wir waren in der Sixtinischen
Kapelle vor dem Meisterwerk Michelangelos, dem Jüngsten Gericht, der ultimativen Verurteilung
des Bösen. Es ist also nicht das Böse in sich, die Leere, die Verzweiflung, sondern
die Darstellung als Selbstzweck und sozsuagen bloß als Wahrgenommenes des Bösen, ohne
erkennen zu wollen, dass selbst im Bösen der Keim, der Funken des Unendlichen steckt,
der die letzte Erwartung der Hoffnung ist.
Sie haben oft von einer regelrechten
„Ehescheidung“ zwischen Kirche und Kunst in den vergangenen Jahrzehnten gesprochen.
Welche Früchte soll nun dieses Treffen tragen?
Der Papst hat seine Rede beschlossen
mit den Worten Pauls VI. vor 45 Jahren: auf Wiedersehen! Es wird jetzt meine Aufgabe
sein, da Kontinuität herzustellen. Zum einen sollten wir den jungen Generationen den
Reichtum der kulturellen Tradition zurückgewinnen, denn sie haben heutzutage oft verschmutzte
Augen und Ohren von all den hässlichen Bildern und Tönen. Zum anderen hoffe ich auch,
dass die Künstler mit ihren Werken reagieren auf diese Einladung diese Papstes zum
Austausch. Jedenfalls, geht um das Zurückfinden zum Dialog zwischen Kunst und Kirche
in Etappen. Eine solche Etappe ist auf unserer Seite, bei der nächsten Biennale von
Venedig mit einem Pavillon des Heiligen Stuhles präsent zu sein, sodass wir konkret
zeigen können, worin dieser Dialog besteht. Wir wollen auch Ausstellungen unterstützen
und zeigenössische Kunst fördern, die neue Themen, Herausforderungen, Vorschläge aufgreift.
Aber der Zweck des Teffens war es bestimmt nicht, die Künstler für den Vatikan-Pavillon
bei der Biennale zu rekrutieren...?
Nein, weil wir noch nicht einmal definitiv
beschlossen haben teilnzunehmen und auch noch keine Liste von Künstlern steht. Es
wären jedenfalls nicht viele, sieben oder acht. Aber wer weiß, vielleicht beteiligt
sich der eine oder andere der Künstler, der heute hier war? Denken wir an Bill Viola
oder an (den aus Indien stammenden, britischen Bildhauer) Anish Kapoor. Wir hätten
ja auch gerne eine Auswahl aus allen Kontinenten, aus Amerika nicht nur die USA, sondern
auch aus Lateinamerika und auch aus Afrika. Wir wollen darauf achten, dass die Stimmen,
die wir da einladen, starke, aber auch vielfältige sind. (rv 22.11.2009 gs)