Muslime in Deutschland sind schon lange keine unsichtbare Gruppe mehr. Vier muslimische
Dachverbände und politisch aktive Gruppen wie etwa die vor kurzem gegründete muslimische
Wählervereinigung „Bündnis für Frieden und Fairness“ (BFF) sind Zeichen dafür, dass
Muslime sich zunehmend Gehör verschaffen. Der Dialog zwischen der Glaubensgemeinschaft
und den deutschen Institutionen gestaltet sich jedoch immer noch schwierig, erklärt
der Islam- und Politikwissenschaftler Wael El-Gayar. Er ist im westfälischen Ministerium
für Generationen, Familie, Frauen und Integration für strategische Fragen der Zuwanderung
und Integration zuständig. Radio Vatikan hat mit dem Politikwissenschaftler am Rande
der Sitzung des Vorstandes der Europäischen Volkspartei gesprochen. Auf dem Kongress
geht es um den Dialog der Kulturen und Religionen.
Die Schwierigkeiten der
Muslime haben zum einen mit der Geschichte der Institutionen in Deutschland zu tun,
sagt El-Gayar:
„Die Situation ist insofern schwer, als wir in der Bundesrepublik
Deutschland einen säkularen Staat haben, der eine sehr enge Beziehung zu den Kirchen
hat, die historisch natürlich auch gewachsen ist. Wir haben Staatsverträge mit den
Kirchen, die Zusammenarbeit ist zwar sehr eng, war aber nicht so konzipiert, dass
neue Religionsgemeinschaften wie die der Muslime, die Anfang der 60er Jahre zugewandert
sind, berücksichtigt wurden.“
In Deutschland sind die Beziehungen zwischen
Staat und den Kirchen durch das Staatskirchenrecht geregelt. Der rechtliche Status
der muslimischen Glaubensgemeinschaft ist darin nicht aufgeführt. Ein Dilemma, so
El-Gayar, der für einen Ausbau des Gesetzes zu einem „Religionsverfassungsrecht“ vorschlägt.
Dem Dialog zwischen Staat und der Muslimen stünden weiterhin organisatorische Hürden
im Weg, so El-Gayar. Denn für einen Dialog brauche es Struktur und Transparenz.
„Derzeit
ist es so, dass die Kirchen institutionell strukturiert und organisiert sind und deshalb
auch ein sehr adäquater Ansprechpartner des Staates sind. Bei den Muslimen ist dies
nicht der Fall. Der Islam hat keine Kirche und ist dementsprechend auch nicht institutionell
organisiert. Der Staat kann aber nur mit Institutionen reden - nicht mit Privatpersonen.
Demzufolge fordern wir, das heißt auch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, einen
adäquaten Ansprechpartner auf muslimischer Seite.“
Zwar sind in NRW und
in der Bundesrepublik insgesamt schon vier große muslimische Verbände präsent. Was
aber das Verständnis der Grundregeln demokratischer Vertretung angehe, gebe es aber
auf Seiten der Muslime enormen Nachholbedarf. Wichtige Grundvoraussetzungen seien
nicht erfüllt, wendet der Berater ein und nennt Beispiele:
„Wir müssen zum
Beispiel wissen, wie groß die Religionsgemeinde ist, die sie vertreten. Denn dieser
Vertretungsanspruch ist insofern wichtig, als dass wir wissen müssen, nicht nur mit
wem wir reden, sondern auch für wen diese Vereinigung spricht.“
Nach neuen
Studien des Ministeriums fühlten sich in Deutschland nur wenige Muslimen von den vier
Dachverbänden vertreten, wendet der Experte ein. Wenn sich Muslime besser organisieren
und geschlossen auftreten würden, so El-Gayar, könnte das auch das gesamtgesellschaftliche
Klima verbessern. Wichtig sei:
„...eine Toleranz aufzubauen, die nicht nur
darauf beruht, dass man sich gegenseitig in Respekt begegnet, sondern die ein gemeinsames
Ziel hat. Nämlich, dass man in den einzelnen Gemeinden dafür wirbt, dass man als Mensch,
egal ob Moslem oder Christ, gemeinsam in Deutschland und Nordrhein-Westfalen miteinander
lebt, nicht nebeneinander oder parallel, sondern miteinander und teilhabend in der
Gesellschaft.“