2009-11-20 16:37:34

D: „Muslime brauchen bessere institutionelle Vertretung“


Muslime in Deutschland sind schon lange keine unsichtbare Gruppe mehr. Vier muslimische Dachverbände und politisch aktive Gruppen wie etwa die vor kurzem gegründete muslimische Wählervereinigung „Bündnis für Frieden und Fairness“ (BFF) sind Zeichen dafür, dass Muslime sich zunehmend Gehör verschaffen. Der Dialog zwischen der Glaubensgemeinschaft und den deutschen Institutionen gestaltet sich jedoch immer noch schwierig, erklärt der Islam- und Politikwissenschaftler Wael El-Gayar. Er ist im westfälischen Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration für strategische Fragen der Zuwanderung und Integration zuständig. Radio Vatikan hat mit dem Politikwissenschaftler am Rande der Sitzung des Vorstandes der Europäischen Volkspartei gesprochen. Auf dem Kongress geht es um den Dialog der Kulturen und Religionen.

Die Schwierigkeiten der Muslime haben zum einen mit der Geschichte der Institutionen in Deutschland zu tun, sagt El-Gayar:

„Die Situation ist insofern schwer, als wir in der Bundesrepublik Deutschland einen säkularen Staat haben, der eine sehr enge Beziehung zu den Kirchen hat, die historisch natürlich auch gewachsen ist. Wir haben Staatsverträge mit den Kirchen, die Zusammenarbeit ist zwar sehr eng, war aber nicht so konzipiert, dass neue Religionsgemeinschaften wie die der Muslime, die Anfang der 60er Jahre zugewandert sind, berücksichtigt wurden.“

In Deutschland sind die Beziehungen zwischen Staat und den Kirchen durch das Staatskirchenrecht geregelt. Der rechtliche Status der muslimischen Glaubensgemeinschaft ist darin nicht aufgeführt. Ein Dilemma, so El-Gayar, der für einen Ausbau des Gesetzes zu einem „Religionsverfassungsrecht“ vorschlägt. Dem Dialog zwischen Staat und der Muslimen stünden weiterhin organisatorische Hürden im Weg, so El-Gayar. Denn für einen Dialog brauche es Struktur und Transparenz.

„Derzeit ist es so, dass die Kirchen institutionell strukturiert und organisiert sind und deshalb auch ein sehr adäquater Ansprechpartner des Staates sind. Bei den Muslimen ist dies nicht der Fall. Der Islam hat keine Kirche und ist dementsprechend auch nicht institutionell organisiert. Der Staat kann aber nur mit Institutionen reden - nicht mit Privatpersonen. Demzufolge fordern wir, das heißt auch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, einen adäquaten Ansprechpartner auf muslimischer Seite.“

Zwar sind in NRW und in der Bundesrepublik insgesamt schon vier große muslimische Verbände präsent. Was aber das Verständnis der Grundregeln demokratischer Vertretung angehe, gebe es aber auf Seiten der Muslime enormen Nachholbedarf. Wichtige Grundvoraussetzungen seien nicht erfüllt, wendet der Berater ein und nennt Beispiele:

„Wir müssen zum Beispiel wissen, wie groß die Religionsgemeinde ist, die sie vertreten. Denn dieser Vertretungsanspruch ist insofern wichtig, als dass wir wissen müssen, nicht nur mit wem wir reden, sondern auch für wen diese Vereinigung spricht.“

Nach neuen Studien des Ministeriums fühlten sich in Deutschland nur wenige Muslimen von den vier Dachverbänden vertreten, wendet der Experte ein. Wenn sich Muslime besser organisieren und geschlossen auftreten würden, so El-Gayar, könnte das auch das gesamtgesellschaftliche Klima verbessern. Wichtig sei:

„...eine Toleranz aufzubauen, die nicht nur darauf beruht, dass man sich gegenseitig in Respekt begegnet, sondern die ein gemeinsames Ziel hat. Nämlich, dass man in den einzelnen Gemeinden dafür wirbt, dass man als Mensch, egal ob Moslem oder Christ, gemeinsam in Deutschland und Nordrhein-Westfalen miteinander lebt, nicht nebeneinander oder parallel, sondern miteinander und teilhabend in der Gesellschaft.“

(rv 20.11.2009 pr)







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