2009-11-12 12:16:04

Kardinal Kasper: Europa ohne Kreuz ist nicht mehr Europa


RealAudioMP3 Der Ökumene-Verantwortliche des Vatikans, Kardinal Walter Kasper, findet das Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichts gegen Kreuze in italienischen Schulen befremdlich. Das sagte er im Gespräch mit uns. Hören Sie hier die Stellungnahme Kaspers, der den vatikanischen Einheitsrat leitet, in einem Beitrag von Gudrun Sailer.

Kasper:

„Das ist ein sehr befremdliches Urteil, denn das Kreuz hat die europäischen Völker geeint. Diese Völker sind ja sehr, sehr verschieden, haben verschiedene Sprachen und Kulturen. Man muss nur mal reisen von Südspanien nach Estland oder von Rom über Kiew nach Moskau: Überall findet man das Kreuz. Es eint uns. Europa ohne das Kreuz ist nicht mehr Europa. Das ist ein ganz entscheidender Gesichtspunkt. Und inmitten aller alten Städte stehen Kathedralen. Das ist ein handgreifliches Zeichen, das die europäische Kultur ausmacht. Sollen wir die etwa auch abreißen? Das sind ja auch religiöse Symbole. Nein. Was der Gerichtshof meiner Ansicht nach falsch gemacht hat: Er hat ein falsches Verständnis von Toleranz.“

Natürlich müsse man tolerant sein gegen jede Minderheit, so Kasper. Man könne niemandem den Glauben aufzwingen. Er hält aber dagegen:

„Die Mehrheit hat auch ihre Rechte und kann ihren Glauben bezeugen in der Öffentlichkeit. Was bleibt übrig, wenn wir alle religiösen Symbole wegtun? Dann bleibt nur eine reine Leere übrig, dann hat Europa keinen Inhalt mehr. Deshalb scheint mir dieses Urteil völlig verfehlt. Und ich bin sehr glücklich darüber, dass sich jetzt in Italien offensichtlich ganz erheblicher Widerstand regt. Es gibt da Gemeinden, die viele neue Kreuze bestellt haben, die sie aufhängen wollen in ihren öffentlichen Räumen. Die Leute lassen sich das nicht gefallen. So wie es sich viele Gemeinden in Deutschland zur Nazi-Zeit auch nicht gefallen haben lassen. Hier konnten an vielen Orten die Nazis die Kreuze nicht abnehmen, weil die Leute sie mit Zähnen und Klauen verteidigt haben. Das Urteil ist meiner Ansicht nach ein unsinniges Urteil, ein Fehlurteil, ein Missverständnis von richtig verstandener Toleranz.“

In Italien kommt es parallel zu den kirchlichen Stellungnahmen auch zu einer massiven politischen Mobilisierung gegen das Anti-Kreuz-Urteil aus Straßburg. Die Regierungspartei „Popolo della Libertà“ von Silvio Berlusconi hat jetzt mit einer Unterschriftensammlung gegen den Beschluss begonnen. Die Regierung in Rom hatte zuvor schon Berufung gegen das Urteil eingelegt.

(rv 12.11.2009 sk)







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