Nordkorea gilt heute
als das Land mit der stärksten Christenverfolgung. Zwar herrscht in dem kommunistisch
regierten Staat offiziell Religionsfreiheit; tatsächlich aber werden in der Diktatur
Kim Jongs II bis zu 70.000 Christen in über 30 Arbeits- oder Straflagern gefangen
gehalten. Das berichtet das überkonfessionelle deutsche Hilfswerk „Open Doors“, das
im Kontakt mit vor Ort verfolgten Gläubigen ist. Die Nordkoreanerin Lee Sung-Ae hat
die Schrecken eines Gefangenenlagers vier Jahre lang ertragen müssen. Sie sagte am
2. November vor dem englischen Parlament als Zeugin aus. Lee Sung-Ae hat Radio Vatikan
ihre Geschichte erzählt.
„Wegen der Essenskürzungen in Nordkorea ging ich
1997 nach China. Die Situation war so schlecht, dass mein Mann wegen Mangelernährung
starb. Auch meine vier Kinder waren schon ganz schwach. In China wohnte ich bei meinem
Cousin, der Mitglied in einer Kirche ist. Ich ging mit ihm in die Kirche und traf
dort den Pastor. Er schlug vor, einen Monat lang die Bibel zu studieren. Das tat ich
und trat danach zum christlichen Glauben über. Als ich zu meinen Kindern nach Nordkorea
zurückfuhr, nahm ich fünf Bibeln mit. Und da sperrten sie mich ins Gefängnis, weil
ich Christin war.“ Trotz der bis heute andauernden Christenverfolgung in Nordkorea
lassen sich die Gläubigen im Land aber nicht entmutigen. Das bestätigt der scheidende
Generalsekretär des Weltkirchenrates, Samuel Kobia, der das Land im Oktober mit einer
Delegation besuchte. Kobia: „Was mich am meisten beeindruckt hat: Wie lebendig
die kleine christliche Gemeinschaft in Nordkorea ist. Wir hören normalerweise ja sehr
wenig von ihnen. Und trotzdem zu einer Situation zu kommen, in der es so „normal“
auszusehen scheint, ist erstaunlich. Ich denke zum Beispiel an die Gemeinde, in der
ich während meiner Reise gebetet habe. Oder an das christliche Haus, in dem wir die
Schicksale vieler Christen kennen lernten.“ Beim Treffen der Weltkirchenrat-Delegation
mit dem nordkoreanischen Präsidenten habe Kim Young Nam großes Interesse an der Entwicklung
der Kirchen gezeigt. Ob der Schein trügt, lässt der Noch-Generalsekretär des Weltkirchenrates
aber offen. Kobia: „Es gibt zwar definitiv eine enge Verbindung zwischen Kirche
und Regierung. Zum Beispiel ist der Präsident des „Bundes der Christen“ in höchsten
Regierungskreisen gut bekannt. Und man bekommt den Eindruck, dass unser Programm klar
in Kooperation mit der Regierung entstand. Die Freiheit der Christen, zu beten und
Kirchen zu betreiben, scheint also gegeben, in der Verfassung und auch in der Praxis.
Aber ob das jetzt nur der Fall war, weil wir zu Besuch kamen, kann man nicht wissen…“
Die Bezeichnung „Christen“ meint für Nordkorea meist evangelisch getaufte
Koreaner. Die Zahl der Katholiken beläuft sich nach Schätzungen auf etwa 3.000. Der
Weltkirchenrat will eine Zusammenarbeit zwischen den Kirchen Nord- und Südkoreas fördern
– auch mit Blick auf eine mögliche Versöhnung der Feindstaaten Die Einheit der Christen
und Kirchen Nord- und Südkoreas zu wollen, wäre „ein wichtiges Signal gegenüber der
Regierung und der Gesellschaft“, unterstreicht der scheidende Präsident des Weltkirchenrates
Kobia.