Im Nahostkonflikt
sind die Religionen durchaus „Teil des Problems“ – und zwar, weil sie von allen Seiten
instrumentalisiert werden. Das glaubt der aus Belgien stammende und in Jerusalem lebende
Leiter der dortigen Kommission „Justitia et Pax", Pater Frans Bouwen. Die hohen Erwartungen,
die mit dem Besuch Papst Benedikts im Heiligen Land im Mai dieses Jahres verbunden
waren, seien zumindest im Blick auf die politische Wirkung enttäuscht worden, so der
jetzt bei einem Kongress in Wien, der von der Stiftung „Pro Oriente“ ausgerichtet
wurde. Zwar habe der Papst mit seinen Ansprachen und seinen symbolischen Gesten wie
dem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem oder eines palästinensischen Flüchtlingslagers
bleibende Eindrücke bei den Menschen hinterlassen. Verbesserungen und Erleichterungen
im alltäglichen Leben der Christen habe es seither aber keine gegeben, so Bouwen.
Offen sei etwa weiterhin das Visa-Problem für den externen Klerus. Auch das offizielle
Verhältnis zwischen dem Heiligen Stuhl und Israel habe sich nicht weiter verbessert.
„Die Botschaft des Papstes an uns Christen ist deutlich: Wir sollen an den Heiligen
Stätten des Glaubens Präsenz zeigen und Zeugnis unseres Glaubens geben. Aber im alltäglichen
Leben steht diese Botschaft gegenüber den aktuellen Probleme eher zurück“, so Bouwen.
Zum weiter schwelenden Israel-Palästina-Konflikt sagte Bouwen, dieser sei „fundamental
ein politischer Konflikt". Es sei gerade für die Kirchen immer wieder wichtig zu unterstreichen,
dass Religion derzeit zwar „Teil des Problems“ ist, dies aber vor allem aufgrund der
Tatsache, dass sie "benutzt und missbraucht wird - und zwar von allen Seiten“. Wo
Religion als Kern des Konflikts gesehen werde, dort werde zugleich eine politische
Lösung verunmöglicht: „Der Konflikt muss von der Religion getrennt werden; erst dann
kann Religion zum Teil der Lösung werden“. Laut Bouwen beläuft sich die Zahl der
derzeit im Heiligen Land lebenden Christen auf rund 200.000. Etwa die Hälfte davon
seien Katholiken bzw. mit Rom unierte Christen (Melkiten, Maroniten). Insgesamt sind
derzeit 13 christliche Kirchen im Heiligen Land vertreten. Das Verhältnis unter den
Bischöfen und Patriarchen, das noch bis vor wenigen Jahren eher gespannt gewesen war,
habe sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, so Bouwen. Mittlerweile treffen
sich die kirchlichen Spitzenvertreter monatlich und veröffentlichen zu Weihnachten
und Ostern gemeinsame Botschaften. Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn,
hatte die Tagung mit dem Appell eröffnet, den Reichtum des altsyrischen Christentums
auch im Westen neu zu entdecken. Der Nahe Osten stelle die „ursprüngliche Heimat des
biblischen Glaubens" dar, betonte Schönborn. Die große und bewegte Geschichte des
syrischen Christentums drohe aber im Westen in Vergessenheit zu geraten. Kritik übte
der Kardinal erneut an der österreichischen Bundesregierung, die weiterhin keine Bereitschaft
zeige, christliche Flüchtlinge aus dem Irak aufzunehmen. Hier werde die katholische
Kirche weiter Druck ausüben, da gerade die christlichen Flüchtlinge eine besondere
Integrationswilligkeit und –fähigkeit mitbringen und sich leicht in die österreichische
Gesellschaft einfügen würden, so Schönborn. (kap 07.11.2009 sk)