Nordkorea: „Religionsfreiheit“ und Christenverfolgung
Nordkorea gilt heute
als das Land mit der stärksten Christenverfolgung. Zwar herrscht in dem kommunistisch
regierten Staat offiziell Religionsfreiheit; tatsächlich aber werden in der Diktatur
Kim Jong-ils bis zu 70.000 Christen in über 30 Arbeits- oder Straflagern gefangen
gehalten. Das berichtet das überkonfessionelle deutsche Hilfswerk „Open Doors“, das
im Kontakt mit vor Ort verfolgten Gläubigen ist. Die Bezeichnung „Christen“ meint
für Nordkorea meist evangelisch getaufte Koreaner. Die Zahl der Katholiken beläuft
sich nach Schätzungen auf etwa 3.000. Die Nordkoreanerin Lee Sung-Ae hat die Schrecken
eines Gefangenenlagers vier Jahre lang ertragen müssen. Sie sagte am 2. November vor
dem englischen Parlament als Zeugin aus. Lee Sung-Ae hat Radio Vatikan ihre Geschichte
erzählt.
„Wegen der Essenskürzungen in Nordkorea ging ich 1997 nach China.
Die Situation war so schlecht, dass mein Mann wegen Mangelernährung starb. Auch meine
vier Kinder waren schon ganz schwach. In China wohnte ich bei meinem Cousin, der Mitglied
in einer Kirche ist. Ich ging mit ihm in die Kirche und traf dort den Pastor. Er schlug
vor, einen Monat lang die Bibel zu studieren. Das tat ich und trat danach zum christlichen
Glauben über. Als ich zu meinen Kindern nach Nordkorea zurückfuhr, nahm ich fünf Bibeln
mit. Und da sperrten sie mich ins Gefängnis, weil ich Christin war.“
Fehlwirtschaft
und die zunehmende politische Isolation Nordkoreas haben in den neunziger Jahren zu
Hungersnöten und Massenfluchten geführt. Besonders auf Heimkehrer aus dem Ausland
wie Lee Sung-Ae hat es das kommunistische Regime abgesehen. Der Fall des Eisernen
Vorhangs in Europa war den nordkoreanischen Machthabern drohendes Beispiel für die
„ausländische Gefährdung des Kommunismus“. Lee Sung-Ae und ihre 1.000 Mitgefangenen
mussten in dem Gefängnis schrecklich leiden. Sung-Ae:
„Wir hatten ja nicht
mal ein Dach über dem Kopf. Es war schrecklich. Wir gruben Löcher in den Boden und
legten Laub hinein, um Schutz vor Regen und Wind zu suchen. Täglich starben dreißig
bis vierzig Menschen, weil es kein Essen gab. Alle waren so arm und die Bedingungen
so schlecht. Die Gefängniswärter machten sich nichts aus Leben und Tod, ja unterschieden
nicht mal mehr zwischen Toten und Lebenden. Krankheiten wurden nicht behandelt. Die
Todesrate war unheimlich hoch.“ Trotz der bis heute andauernden Christenverfolgung
in Nordkorea lassen sich die Gläubigen im Land aber nicht entmutigen. Das bestätigt
der scheidende Generalsekretär des Weltkirchenrates, Samuel Kobia, der das Land im
Oktober mit einer Delegation besuchte. Er war auf Einladung des evangelischen Kirchenverbandes
„Bund der Christen“, der als regierungstreu gilt, angereist. Kobia: „Was mich
am meisten beeindruckt hat: Wie lebendig die kleine christliche Gemeinschaft in Nordkorea
ist. Wir hören normalerweise ja sehr wenig von ihnen. Und trotzdem zu einer Situation
zu kommen, in der es so „normal“ auszusehen scheint, ist erstaunlich. Ich denke zum
Beispiel an die Gemeinde, in der ich während meiner Reise gebetet habe. Oder an das
christliche Haus, in dem wir die Schicksale vieler Christen kennen lernten.“ Auch
das Verhältnis zwischen Kirche und Regierung soll in Nordkorea wohl den Anschein von
„Normalität“ erwecken. Das Treffen der Weltkirchenrat-Delegation mit dem nordkoreanischen
Präsidenten sei in „einladender Atmosphäre“ verlaufen, schildert Kobia. Kim Jong-il
habe dabei großes Interesse an der Entwicklung der Kirchen gezeigt. Ob der Schein
trügt, lässt der Noch-Generalsekretär des Weltkirchenrates aber offen. Kobia: „Es
gibt zwar definitiv eine enge Verbindung zwischen Kirche und Regierung. Zum Beispiel
ist der Präsident des „Bundes der Christen“ in höchsten Regierungskreisen gut bekannt.
Und man bekommt den Eindruck, dass unser Programm klar in Kooperation mit der Regierung
entstand. Die Freiheit der Christen, zu beten und Kirchen zu betreiben, scheint also
gegeben, in der Verfassung und auch in der Praxis. Aber ob das jetzt nur der Fall
war, weil wir zu Besuch kamen, kann man nicht wissen…“
Der Weltkirchenrat
will eine Zusammenarbeit zwischen den Kirchen Nord- und Südkoreas fördern. Die Kirchen
könnten nämlich für eine mögliche Versöhnung der Feindstaaten eine Schlüsselrolle
spielen. Kobia:
„Wichtig ist, die Einheit der Christen und Kirchen Nord-
und Südkoreas zu wollen. Das wäre ein wichtiges Signal gegenüber der Regierung und
der Gesellschaft im Allgemeinen. Denn die Einheit der Kirchen und die Einheit der
Familien kann leicht zu einer Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel führen.“