Vatikan: Forscher debattieren über Entstehung des Lebens
Gibt es Außerirdische?
Auch der Vatikan ist interessiert an dieser Frage. Und so debattieren im Vatikan ab
Freitag Naturwissenschaftler über die Entstehung des Lebens und über mögliche „Außerirdische“
in anderen Sonnensystemen. Die Päpstliche Akademie der Wissenschaften hat eine viertägige
Studienwoche zum Thema Astrobiologie ausgerichtet, zu der auch der Berner Astronom
Willy Benz eingeladen ist. Er erklärte uns:
„In den letzten 15 Jahren haben
die Wissenschaftler über 400 Planeten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt. Das
sind Planeten, die man vorher nicht kannte, eigene Sonnensysteme, die um andere Sterne
kreisen, nicht zu weit von der Sonne entfernt. Die Frage ist: Gibt es möglicherweise
auf diesen Planeten und auf den anderen, die wir noch nicht kennen, auch Leben, wie
wir es auf der Erde kennen? Die meisten Planeten sind wahrscheinlich nicht dazu geeignet,
weil sie entweder zu nahe bei ihrem Stern – also ihrer Sonne – sind, dann ist es zu
warm. Die anderen sind vielleicht zu groß, der Druck wäre zu hoch. Aber es gibt mit
ziemlicher Sicherheit Planeten, die wir heute noch nicht entdeckt haben, auf denen
die Möglichkeit bestehen würde, dass sie ungefähr die gleichen Bedingungen bieten
wie heute die Erde – was Temperatur betrifft, Atmosphäre, Distanz zur Sonne, Sauerstoff,
undsoweiter. Also die Bedingungen, die wir heute glauben, dass sie notwendig waren,
damit das Leben auf der Erde entstehen konnte.“ Welche wissenschaftlichen
Möglichkeiten haben wir, über diese Frage nachzudenken? Astrobiologie ist zwar eine
interdisziplinäre Wissenschaft, aber man kann nicht hingehen und erforschen, wie die
äußeren Verhältnisse auf diesen Sonnensystemen sind?
„Das ist klar. Und
das ist der Vorteil unseres Sonnensystems: die Planeten sind nahe genug, dass man
dahin Satelliten schicken kann, die dann in situ die Frage untersuche können. Wie
etwa auf dem Mars, wo man nach Wasser sucht. Das Problem mit den anderen Sonnensystemen
ist – sie sind zu weit weg. Da kann man nicht mit einem Satelliten hingehen und direkt
Messungen machen. Das einzige, was wir vielleicht von diesen Systemen bekommen, ist
das Licht – auch wenn es heute erst wenige Planeten sind, von denen das möglich ist.
Aber in der Zukunft mit den noch größeren Teleskopen, die heute geplant sind, wird
das zu machen sein. Also man bekommt das Licht, sieht den Planeten, wie einen Punkt,
und dann kann man aus dem Licht, aus der Analyse des Spektrums, erhoffen, Lebenszeichen
zu finden.“ Was wären solche Lebenszeichen?
„Zum Beispiel: Auf
der Erde braucht es Sauerstoff. Leben braucht Sauerstoff, der ständig durch die Photosynthese
der Pflanzen neu erzeugt wird. Wasserstoff ist nun ein sehr reaktives Gas. Wenn es
keine Wasserstoffquelle gäbe, würde der Wasserstoff in der Atmosphäre sich sehr rasch
verbinden und in großen Mengen verschwinden. Eine Idee, die die Forscher haben - und
das ist Thema der Diskussion – ist, so genannte Biomarker zu finden, also Zeichen,
die im Spektrum eindeutig Leben beweisen würden, wie zum Beispiel Sauerstoff, der
darauf hindeuten würde, dass dort Pflanzen sind und Photosynthese stattfindet. Sehen
werden wir die Pflanzen nicht – der Planet ist viel zu weit weg. Aber Zeichen von
Leben können wir erhoffen zu sehen.“ Ist es nicht naiv von uns Erdenbürgern
anzunehmen, dass „Leben“ nur auf unsere Art und Weise möglich ist? Könnte es nicht
in anderen Sonnensystemen auch Leben geben, das sich grundsätzlich anders definiert?
„Absolut! Es ist aber so, dass es die Form des Lebens, wie es das auf der
Erde gibt, nun einmal bereits gibt. Und wenn man etwas sucht, wovon man gar keine
Ahnung hat, fängt man an zu suchen nach einer Form, von der man weiß, dass sie bereits
existieren kann – wir haben ja ein Beispiel, die Erde. Aber eines ist klar: Es ist
eine limitierte Suche für sozusagen erdähnliches Leben. Nun könnte man sich viele
komische Lebewesen vorstellen, und die Science-Fiction-Bücher sind voll davon. Aber
anfangen, solche komischen, außerordentlichen, unbekannten Lebewesen zu suchen, wäre
etwas mutig heutzutage! Vielleicht ist das ein Fehler, aber man probiert lieber, nach
etwas zu suchen, von dem man weiß, dass es existieren kann.“ Die Päpstliche
Akademie der Wissenschaften beschäftigt sich immer wieder mit Themen, die man nicht
von vornherein mit dem Vatikan assoziiert. Welchen Ruf hat diese vatikanische Akademie
in der Forschergemeinschaft?
„Ich würde sagen, es ist eine Akademie, die
es erlaubt, derart interdisziplinäre Themen zu studieren. Es ist nicht einfach, Leute
von verschiedenen Disziplinen um einen Tisch zu bekommen. In der Astrobiologie gibt
es Astronomen, Physiker, Biologen, Chemiker usw., und jeder spricht seine eigene Sprache.
Die Gelegenheit, sich auszutauschen und ein Thema gemeinsam, aber von verschiedenen
Warten aus anzusehen, ist etwas ganz Spezielles. Die Päpstliche Akademie hat eben
die Gewohnheit, solche Treffen zu ermöglichen.“ Die katholische Kirche hatte
in ihrer Geschichte nicht immer ein ungebrochenes Verhältnis zu den Naturwissenschaften.
Diese Tatsache wirkt immer noch nach, obwohl sich die Sachlage geändert hat. Nun ist
es so, wenn man Astrobiologie lang und gründlich genug betreibt, könnte sie unser
herkömmliches und auch von der Kirche akzeptiertes Bild von der Welt, vom Leben, vom
Himmel undsoweiter umwerfen. Welches Interesse hat der Vatikan daran von daher, sich
mit Astrobiologie zu beschäftigen?
„Ich denke, es ist gut, dass der Vatikan
das macht. Es gibt wissenschaftliche Erkenntnis, die heute einfach etabliert sind.
Heutzutage ist die Kirche so eingestellt, dass sie diese wissenschaftlichen Tatsachen
nicht mehr anzweifelt. Die Frage ist einfach, wie sich jetzt die wissenschaftlichen
Ergebnisse mit dem Glauben und der Kirche verknüpfen lassen. Ich sehe da aber kein
großes Problem. Für mich ist das sehr positiv, dass man etwa ein Thema wie das Leben
im Universum auch einmal an der Päpstlichen Akademie betrachtet, und dass man offen
genug ist, sich darüber Gedanken zu machen. Denn ob man will oder nicht: Es ist ein
aktuelles Thema der Wissenschaft, es gibt viele Forschungsgruppen, die daran arbeiten,
es gibt viele Projekte, die in der Zukunft geplant werden, in allen Kontinenten, um
diesem Thema nachzugehen. Und ich glaube, es gehört zur Aufgabe auch der Kirche, sich
darüber Gedanken zu machen.“ (rv 05.11.2009 gs)