2009-11-04 14:38:56

Europa: Vatikandiplomat, „Idee Europas steht auf dem Spiel“


RealAudioMP3 Aldo Giordano ist Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhles beim Europarat in Straßburg – bei jener Organisation also, dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zugeordnet ist. Hier eine erste Einschätzung des päpstlichen Diplomaten über das Anti-Kruzifix-Urteil der Straßburger Richter:

„Es scheint, als ob das Urteil auf der Annahme beruht, dass es einen Gegensatz gäbe zwischen dem Zeigen des Kreuzes und dem Pluralismus in der Bildung. Ich glaube, dass dieses Gegensatz völlig ohne Fundament ist. Genauso nimmt das Urteil an, dass es einen Gegensatz zwischen Kreuz und der Religionsfreiheit des Individuums gibt, und auch das, scheint mir, muss erst noch bewiesen werden. Wir haben viel Erfahrung mit religiösen Minderheiten, die in eine Gesellschaft leben mit einer mehrheitlich anderen Religion – Minderheiten, die dort frei leben.

Ein zweiter Aspekt ist der, dass die Religion ihre eigene Wichtigkeit in Bildung und Erziehung hat, sie hat einen großen erzieherischen Wert. Die Religion vermittelt Lehren, die allen nützen, auch denjenigen, die sich zu einer anderen Religion oder gar keiner Religion bekennen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der von dem Urteil völlig übergangen scheint, ist, dass das Kruzifix nicht nur Ausdruck einer religiösen Überzeugung ist, sondern auch Ausdruck einer Geschichte, einer Identität: einer Identität, die, wie wir wissen, Italien sehr am Herzen liegt. So bestreitet das Urteil schließlich die Wurzeln der Rechte, wie sie in Italien leben, es verleugnet die Wichtigkeit der Religion, und besonders des Christentums - das eine große Rolle in der Ausbildung nationalen und auch einer europäischen Identität gespielt hat. Denken wir nur daran, wie wichtig das Christentum zum Beispiel für die Zentralität der menschlichen Person ist, für die Menschenwürde, oder für den Wert eines jeden einzelnen Menschen.

Ich glaube stattdessen, dass Europa dringend Respekt vor der Lebenswirklichkeit der Menschen und ihren Traditionen braucht. Unter anderem ist dies klar benannt in der Präambel der Menschenrechtskonvention und der Konvention, auf der der Europarat gründet. Das macht ein wenig Angst, denn wenn wir damit weitermachen, diese Identität zu zersetzen, werden wir schließlich ohne Visionen für die Zukunft dastehen.

Ja, mir scheint dass Europa die europäische Idee aufs Spiel setzt, und zwar genau in diesem Punkt: im Kontakt mit den konkreten Menschen. Und das Urteil passt genau auf diese Linie. Anstatt ein Europa im Dienst an den Menschen, an ihrer Identität und deren Pflege zu sein, ein Europa, wo Menschen in eine Gemeinschaft genommen werden, wo Identitäten wertgeschätzt werden, scheint es, dass wir Angst vor den Identitäten haben, Angst vor den Traditionen und somit einen inhaltsleeren Raum schaffen.

So scheint mir, dass dieses Urteil sozusagen ‚alt’ ist, dass es nicht das ausdrückt, was die Menschen in Europa beginnen zu empfinden und auch leben wollen, und was einige Staaten schon begonnen haben wahrzunehmen. Mir scheint, dass wir mit dem Urteil ein wenig in der Vergangenheit gefangen sind.“

(rv 04.11.2009 ord)









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