Wochenkommentar: Regierung braucht „Ideen für das Leben“
Der katholische Publizist
Martin Lohmann schreibt der neuen Bundesregierung den Lebensschutz ins Stammbuch.
Das „unverbrüchliche und klare Recht auf Leben“ dürfe „keinem vermeintlichen Recht
auf Tötung untergeordnet“ werden, sagt der Vorsitzender des Bundesverbandes Lebensrecht
in seinem Wochenkommentar für Radio Vatikan:
Liebe Hörerinnen und Hörer,
seit
wenigen Tagen arbeitet sie, die neue Bundesregierung in Deutschland. Und viele von
uns schauen gespannt auf das, was sie jetzt tun wollen. Von Steuererleichterungen
ist die Rede, im Koalitionsvertrag steht vieles, was – seien wir ehrlich – in der
Wirklichkeit wohl kaum eine Chance auf Realisierung hat.
Mehrfach bin ich in
den vergangenen Tagen gefragt worden, was denn aus der Sicht des Lebensschutzes zu
erwarten sei. Oder auch: was zu befürchten ist in den kommenden vier Jahren. Ehrlich
gesagt: Wir glauben schon, dass die Fragen des Lebensschutzes und des Lebensrechtes
in den kommenden vier Jahren eine wichtige und auch immer wieder zentrale Rolle spielen
müssen - und sollten. Es gehört ja nicht viel Fantasie dazu sich vorzustellen, dass
gerade in der FDP manche eine andere Vorstellung von Freiheit haben als viele Christen.
Embryonale Stammzellforschung, das sogenannte „Recht“ auf Abtreibung – das sind nur
einige Stichworte, die zu nennen sind. Hier wird es sehr darauf ankommen, genau aufzupassen,
dass das unverbrüchliche und klare Recht auf Leben keinem vermeintlichen Recht auf
Tötung untergeordnet wird.
Ja, die Befürchtungen sind da. Und vielleicht sind
sie auch berechtigt. Das aber wäre im Ergebnis tragisch. Vor allem dann, wenn solche
Forderungen auf Durchlöcherung des klaren Lebensrechtes und der Unantastbarkeit des
Lebensrechtes mit dem Mäntelchen der sogenannten Freiheit getarnt würden. Denn die
Liberalen haben es mit der Freiheit zu tun. Und das aus dem Lateinischen stammende
Wort „liber“, aus dem sich der Begriff die „Liberalen“ speist, verweist auf eine Bindung
der Freiheit an die Verantwortung. Wo diese Verbindung mit Verantwortung nicht gesehen,
nicht erkannt wird oder einfach übersehen wird, haben wir es mit einem amputierten
Freiheitsbegriff zu tun. Eine amputierte Freiheit aber ist letztlich eine Gefahr für
das Leben und die Unantastbarkeit des Lebensrechtes, das letztlich unteilbar ist und
bleiben muss. Und wenn es um das Leben von noch nicht geborenen sehr kleinen und wachsenden
Menschen geht, kommt – jedenfalls für Christen und alle, die sich der Logik des Lebens
nicht verweigern – gleichsam automatisch eine ganz besondere Verantwortung in den
Blick, nämlich die Verantwortung gegenüber dem Schöpfer.
Wir brauchen in Deutschland
wesentlich mehr Aufklärung über den Wert des Lebens und seine Kostbarkeit. Was wir
heute sonst noch brauchen? Was ich gerne den regierenden Parteien ins Vierjahresprogramm
schreiben würde? Vor allem: Ideenreichtum für mehr Bewusstsein für das Leben! Endlich
echte Hilfen für Familien! Aufklären über die Schwangerschaft aus der Sicht des Kindes!
Ein Anspruch auf Kindergeld für noch nicht geborene Kinder! Auszahlbar rückwirkend
nach der Geburt. Das würde garantiert mehr Bewusstsein für das Leben schaffen! Wetten
dass? Arbeitsrechtlicher Mutterschutz vom ersten Tag des Mutterseins, das ja mit der
Empfängnis beginnt! Kinderbeauftragte mit Vetorecht in jedem Ministerium! Eine Lebensrechtbeauftragte
oder einen Lebensrechtbeauftragten mit Sitz und Stimme in entscheidenden Gremien!
Bewusstmachen und Stärken der Verantwortung von Müttern und Vätern bereits vor der
Geburt! Eine wirksame Kampagne mit dem Motto „Sag Ja zum Leben!“ Gerade vom C-Teil
der Bundesregierung wünsche ich mir, dass dieses Ja zum Leben deutlich hör- und sichtbarer
wird. Und von denen, die noch wissen, was Freiheit wirklich bedeutet, ebenso.
Sie
meinen, ich träume jetzt? Mag sein. Doch ohne Träume wäre das Leben leer. Irgendwo
habe ich mal gelesen, man solle seine Träume leben. Und Ideen sind dazu da, erst einmal
genannt zu werden, damit sie – hoffentlich – für gut befunden werden. Vor Ideen braucht
man keine Angst zu haben, vor guten Ideen sowieso nicht. Gibt es irgendjemanden, der
uns diesen Mut zur Idee, diese Bereitschaft zum neuen Denken verbieten wollte? Also:
Ideen für das Leben sind gefragt. Das Leben ist schließlich ein kostbares Geschenk,
aus dem man viel machen kann. Noch einmal: Wir wünschen der Regierung für die kommenden
vier Jahre den Mut zu guten und möglichst realistischen Träumen für das Leben!
Martin
Lohmann (52) ist katholischer Publizist, Buchautor und Vorsitzender des Bundesverbandes
Lebensrecht (BVL), der Dachorganisation christlicher Lebensrechtsverbände und -gruppen
in Deutschland. Sein neues Buch „Das Kreuz mit dem C. Wie christlich ist die Union?“
hat in Deutschland aktuell engagierte Debatten ausgelöst.