Der Sekretär des Päpstlichen
Migrantenrates, Erzbischof Agostino Marchetto, warnt eindringlich vor „Panikmache
wegen einer angeblichen Invasion von Einwanderern“ in Europa, vor allem in Italien,
Spanien und Griechenland. Das sagte er am Donnerstag Abend auf einem Kongress zum
Thema „Mare nostrum – das Mittelmeer“ der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Päpstlichen
Universität Gregoriana. Es sei fatal, Migration „stark mit Terrorismus zu assoziieren.
„Nach dem gängigen Klischee“ werde doch „ein Moslem, ein Farbiger oder ein Schwarzer“
in der EU als „potentielle Gefahr für die europäische Sicherheit“ angesehen, so der
Kurien-Erzbischof. Es sei „tragisch“, dass Tausende von Bootsflüchtlingen bei der
Überfahrt „zum erträumten Europa“ ums Leben kämen. Marchetto erinnerte die Europäer
an ihre Standards:
„Niemand darf an einen Staat ausgewiesen oder ausgeliefert
werden, wo die ernsthafte Gefahr besteht, dass die Person dort zum Tod verurteilt,
gefoltert oder anderen Formen degradierender, unmenschlicher Behandlung unterzogen
wird. Aber die italienische Regierung hat 2003 dafür gesorgt, dass Flüchtlinge aus
Sri Lanka, die nach Italien wollten, in ihr Land zurückgebracht wurden... Und im September
dieses Jahres hat „Human Rights Watch“ darauf aufmerksam gemacht, dass die italienische
Küstenwache Migranten und Asylbewerber aus Afrika im Mittelmeer gewaltsam nach Libyen
zurückschickt, wie das ein bilateraler Vertrag mit der dortigen Regierung vorsieht
– ohne die Möglichkeit zu prüfen, ob es unter ihnen Flüchtlinge oder in irgendeiner
Hinsicht verwundbare Personen gibt. In Libyen allerdings gibt es Lager, in denen die
Bedingungen von akzeptabel bis zu unmenschlich und entwürdigend schwanken!“
Marchetto
fand auch harte Worte für eine ähnliche Abmachung zwischen Spanien und Marokko – auch
in diesemFall komme es zu keiner wirklichen Prüfung, ob unter den Zurückgeschickten
nicht legitime Asylbewerber seien. Und er kritisierte die Praxis, dass auf europäisches
Betreiben immer mehr Bootsflüchtlinge schon, bevor sie in Afrika in See stechen, kontrolliert
werden.
„Man muss darauf hinweisen, dass es die europäischen Behörden damit
oft Tausenden von Menschen unmöglich machen, die Nordküste des Mittelmeers zu erreichen
oder auch nur ihr Ursprungs- bzw. Transitland zu verlassen. Das ist schwerwiegend,
denn das Recht auf Emigration ist sogar in der UNO-Menschenrechtserklärung von 1948
aufgeführt! "
Das Paradox sei, dass viele europäische
Länder Personen, die nicht übers Meer kommen, als Flüchtlinge anerkennen – aber Menschen
aus denselben Ländern werden auf dem Mittelmeer abgefangen und wieder nach Afrika
geschickt, so Marchetto.
"Ich verurteile alle, die sich
nicht an das Prinzip des Nicht-Zurückschickens (non-refoulement) halten – es ist eine
Grundlage in der Behandlung von Menschen, die vor Verfolgung flüchten. Und ich frage
mich: Wenn man in Friedenszeiten nicht imstande ist, dieses grundlegende Prinzip des
humanitären Menschenrechts zu respektieren, wie will man denn dann seine Beachtung
in Kriegszeiten durchsetzen? Und wie will man dann den Schutz von Zivilisten in kriegerischen
Konflikten durchsetzen? Er wird auf diese Weise an der gemeinsamen humanitären Wurzel
geschwächt!“