Festliche Stimmung
in Augsburg: An diesem Freitag und Samstag feiern Vertreter der katholischen Kirche
und des Lutherischen Weltbundes die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“,
die vor zehn Jahren – am 31. Oktober 1999 - in der Fuggerstadt unterzeichnet wurde.
Mit diesem Papier erzielten Katholiken, Lutheraner und Methodisten einen Konsens in
der theologischen Frage über die Erlösung des Menschen durch Gott; die diesbezügliche
Debatte hatte seit der Reformationszeit bestanden. Die Erklärung zur Rechtfertigungslehre
gilt als Meilenstein im ökumenischen Dialog, auch aus evangelischer Sicht, sagte uns
der Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD),
Johannes Friedrich. Er wirkte vor zehn Jahren am Zustandekommen der Erklärung mit.
„Aus
meiner Sicht ist die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre das wichtigste
kirchengeschichtliche Dokument der letzten Jahrzehnte und das bedeutendste Dokument
in der ökumenischen Verständigung mit der römisch-katholischen Schwesterkirche. Denn
in diesem Dokument geht es um den Glaubensartikel von der Rechtfertigungslehre, von
dem Martin Luther gesagt hat, mit ihm steht und fällt unser Glaube. Nun haben sich
Lutheraner und Katholiken weitgehend darauf geeinigt, was man gemeinsam interpretieren
kann, und damit sind die wesentlichen Unterschiede eigentlich entfallen. Das halte
ich für ein riesengroßen Fortschritt.“
Dennoch lägen weiterhin einige Stolpersteine
auf dem ökumenischen Weg, fügt Landesbischof Friedrich an.
„Wir haben lehrmäßige
Differenzen, insbesondere in der Frage des Bischofsamtes. Und diese Differenzen werden
wohl auch nicht so schnell zu überwinden sein. Aber ich denke, wir können auch zehn
Jahre danach beobachten, dass bei vielen Stellen der Dialog weiter vorangegangen ist.
Ich denke dabei an die Basis und die Gemeinden. Dort findet immer mehr eine gemeinsame
Arbeit statt. In den gemeinsamen Stellungnahmen der Bischöfe finden sich des Weiteren
zu gesellschaftspolitischen Fragen viele Übereinstimmungen. Schließlich hat die schnelle
Überwindung des jüngsten Konflikts zwischen der evangelischen Kirche und den katholischen
Bischöfe gezeigt, wie groß das Vertrauen auf kirchenleitender Ebene ist.“
Auch
die katholische Seite weist auf Schwierigkeiten hin. Der Vorsitzende der Deutschen
Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch:
„Wir wussten ja bereits
vor zehn Jahren, dass noch Fragen anstehen werden, wie etwa das Kirchenverständnis,
das Amtsverständnis und das Verständnis der Sakramente. Vielleicht haben wir aber
tatsächlich zu wenig getan, um das Gespräch fortzuführen. Insofern ist ein solcher
Anlass – also auf zehn Jahre zurückschauen – auch ein Anstoß, diese Fragen neu anzugehen.“
Nichtsdestotrotz
glaubt auch Erzbischof Zollitsch, dass die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre
ein Meilenstein der Kirchengeschichte ist.
„Seit dieser Zeit ist das Gespräch
mit der evangelischen und der methodistischen Kirchen doch um vieles einfacher und
selbstverständlicher geworden. Manchmal entdecke ich bei großen ökumenischen Versammlungen,
dass Lutheraner und Methodisten sehr stark auf uns Katholiken zukommen, weil sie spüren,
dass wir in vielen Bereichen näher liegen als mit anderen Konfessionen.“
Die
Feier in Augsburg gilt also als neuer Ausgangspunkt in der Ökumene. Der evangelische
Bischof Johannes Friedrich hat auch spezifische Wünsche:
„Ich hoffe, dass
wir alle miteinander und auf allen Seiten lernen, einander zu respektieren und zwar
gerade in den Bereichen, wo wir anders denken. Ökumene bedeutet meiner Meinung nach,
den anderen so anzunehmen, wie er ist. Erst dann kann man auch getrost inhaltlich
streiten über theologische Punkte.“
Die zweitägige Gedenkveranstaltung
beginnt am Freitag mit einer Feierstunde im berühmten Goldenen Saal des Augsburger
Rathauses. Ein ökumenischer Gottesdienst im Dom beendet am Samstag die Feierlichkeiten.
Zu den Teilnehmern gehören unter anderen Kurienkardinal Walter Kasper, der Mainzer
Kardinal Karl Lehmann, der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Ishmael Noko,
sowie der langjährige Bischof der evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland,
Walter Klaiber.