Vatikan/Iran: Papst mahnt Iran zu internationaler Zusammenarbeit
Papst Benedikt XVI.
hat den Iran zu einer „neuen Phase der internationalen Zusammenarbeit“ aufgerufen.
Humanitäre Prinzipien müssten dabei Vorrang vor technischen und wirtschaftlichen Vorteilen
haben, sagte der Papst dem neuen iranischen Botschafter beim Heiligen Stuhl. Der muslimische
Geistliche Hojjat Eslam Naseri, den Irans Regierungschef Mahmud Ahmadinedschad als
neuen Gesandten nach Rom geschickt hatte, überreichte an diesem Donnerstag seine Beglaubigungsschreiben
und nutzte seinerseits die Ansprache vor dem Papst zu politischen Aussagen über den
aktuellen Nuklearstreit.
Der Heilige Stuhl unterhält diplomatische Beziehungen
mit 176 Staaten, darunter seit mehr als 50 Jahren auch mit dem Iran. Das Interesse
an diesen diplomatischen Beziehungen liegt allgemein auf vatikanischer Seite an der
Förderung der Menschenwürde, erklärte Papst Benedikt dem neuen Botschafter, der zuvor
u.a. als Abgeordneter und als Freitagsprediger in seinem Land tätig war.
„Der
Iran ist eine große Nation mit wichtigen spirituellen Traditionen und einem Volk von
tiefer religiöser Sensibilität. Das kann ein Grund zur Hoffnung für eine wachsende
Öffnung und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft
sein. Der Heilige Stuhl wird seinerseits immer dazu bereit sein, in Harmonie mit denjenigen
zu arbeiten, die der Sache des Friedens dienen und die Würde fördern, die der Schöpfer
jedem menschlichen Wesen gegeben hat. Heute müssen wir alle eine neue Phase der internationalen
Zusammenarbeit erhoffen und unterstützen, die stärker auf humanitäre Prinzipien und
auf die effektive Hilfe der Leidenden abzielt und weniger abhängig ist von kalten
Berechnungen und technischen oder wirtschaftlichen Vorteilen.“
Bei seiner
diplomatischen Arbeit habe der Heilige Stuhl immer ganz besonders „ethische, moralische
und humanitäre“ Aspekte der Beziehungen zwischen den Völkern im Blick, sagte der Papst.
So wünsche sich der Heilige Stuhl auch eine Konsolidierung seiner Beziehungen mit
dem Iran, um das gegenseitige Verständnis und die Zusammenarbeit fürs Gemeinwohl zu
begünstigen. Besonders pochte Benedikt gegenüber dem Iran auf die Einhaltung bestimmter
Menschenrechte.
„Religions- und Gewissensfreiheit sind grundlegend unter
den universellen Rechten, da sie an der Quelle der anderen Rechte stehen. Die Verteidigung
anderer Rechte, die sich aus der Würde der Person und der Völker ergeben – besonders
die Förderung des Lebens, der Gerechtigkeit und der Solidarität – müssen ebenso Gegenstand
einer echten Zusammenarbeit sein. Im übrigen ist, wie ich schon oft Gelegenheit hatte
zu betonen, die Herstellung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Gläubigen
verschiedener Religionen eine dringende Notwendigkeit unserer Zeit, um eine menschlichere
Welt zu schaffen, die dem Plan Gottes mit der Schöpfung besser entspricht.“
Sorge
ließ Papst Benedikt über die Lage der katholischen Minderheit im Iran anklingen.
„Ich
wünsche, dass sich ein vertrauensvoller und aufrichtiger Dialog mit den Institutionen
des Landes entwickelt. Er soll die Lage der christlichen Gemeinschaften verbessern
und ihre Aktivität im Kontext der Zivilgesellschaft fördern, auch um ihren Sinn für
die Zugehörigkeit zum Leben des Landes wachsen zu lassen.“
Mit sehr viel
deutlicheren politischen Aussagen versetzte der neue iranische Vatikan-Botschafter
seine lange Rede an den Papst, die er mit einem Koranzitat begann. Er geißelte unter
anderem moralische Korruption, Krieg, „den Gebrauch von Massenkriegswaffen, die gesteuerten
militärischen Aggressionen arroganter Mächte, die gnadenlose Vernichtung Hunderttausender
unschuldiger Wesen“, weiters den „Imperialismus der Information, die wirtschaftliche
Ausbeutung durch Besatzung und Einmischung in innere Angelegenheiten verschiedener
Länder“, das „Vetorecht, das ohne jede logische, juristische und religiöse Grundlage
zuerkannt“ werde, den Terrorismus, „besonders jenen mit leider religiösem Ursprung“,
der freilich genährt werde von Komplotten pflichtvergessener Mächte. Parabolantennen
und Internet, so der iranische Botschafter vor dem Papst, propagierten Immoralität,
manipulierten die Kultur und hätten die Menschheit in eine „trostlose Lage“ gebracht.
Der iranische Botschafter nutzte seine Antrittsrede bei Papst Benedikt auch
zu Aussagen über die aktuelle Nukleardebatte. Sein Land unterstütze zwar fest „die
richtigen Positionen zur vollständigen Ächtung von Atomwaffen auf Weltebene, besonders
in der wichtigen Region des Nahen Ostens“. Allerdings werde der Iran seinen Weg der
friedlichen Nutzung der Nukleartechnik weitergehen, „unter der Überwachung der Internationalen
Atomenergiebehörde und im vollen Respekt der internationalen Normen“. Gewisse Länder
würden in Sachen Nukleartechnik mit zweierlei Maß messen, und das rufe „Verwunderung
und lebhaften Protest“ hervor, so der Botschafter: Das friedliche Nuklearprogramm
des Irans werde behindert und boykottiert, während „einige nuklearisierte Länder,
die in keiner Weise den internationalen Normen nachkommen“, volle Unterstützung erführen.
Die Islamische Republik Iran glaube allerdings fest an die Effizienz der Religionen,
„besonders der beiden großen abrahamitischen Religionen Christentum und Islam“, und
sie sei auch aufgeschlossen für Dialog und Meinungsaustausch, um die Spannungen zu
beseitigen und die weltweite Krise zu überwinden, besonders jene „in der sensiblen
Region des Nahen Ostens“. Vor dem Papst wies der iranische Botschafter auch darauf
hin, dass sein Land sich an die Prinzipien der Demokratie halte und außerdem den Christen
per Verfassung eine bestimmte Zahl von Stellen in der gesetzgebenden Versammlung zusichere.
Hojjat Eslam Naseri selbst war Abgeordneter in der gesetzgebenden Versammlung
und wirkte in seiner Heimatstadt Babol u.a. an der Ausbildung muslimischer Geistlicher
und als Freitagsprediger.