Botschafter Horstmann: „Verantwortung für unsere Erde“
Die Menschen haben
die Schöpfung bisher nicht bewahrt. Das kritisiert der deutsche Botschafter beim Heiligen
Stuhl, Hans-Henning Horstmann, in seiner aktuellen Kolumne für Radio Vatikan. Deutschland
und der Heilige Stuhl erwarten deshalb konkrete und messbare Ergebnisse bei der kommenden
Klimakonferenz in Kopenhagen. Die Menschen müssten vor allem ihr Verhalten ändern,
so Horstmann weiter. Alle bisherigen Erfahrungen lehren, dass die Menschen diese Änderungen
nur in Zeiten der Krise erreichen können. Botschafter Hoffmann nannte auch die Rolle
Afrikas im Hinblick auf die Überwindung dieser Probleme.
(rv 29.10.2009 mg)
Lesen
und hören Sie hier die gesamte Kolumne von Hans-Henning Horstmann
Sehr
verehrte Hörerinnen, sehr verehrte Hörer, vor wenigen Tagen habe ich an einem Kongress
in Berlin über die Zukunft unserer Erde teilgenommen. Die Kernaussage der Zusammenkunft,
von Wissenschaftlern, Unternehmern und Politikern war: wir leben jetzt bereits in
der Zukunft und: wir leben auf mindestens einer Erde und der Hälfte einer zweiten
Erde, wenn nicht bereits auf zwei Erden. Das heißt: wir haben die Schöpfung nicht
bewahrt, sondern die Menschheit hat einen kontinuierlichen sich beschleunigenden Raubbau
mit dem ihr anvertrauten Planeten betrieben, der zumindest nach den wirtschafts-wissenschaftlichen
Erkenntnissen so weit geht, dass wir bereits 1,5 Erden verbraucht haben.
Drei
konkrete Beispiele: 1. 1 Milliarde Menschen verhungern, 1 Milliarde Menschen haben
Übergewicht. 2. Nach neuesten Erkenntnissen übersteigt die Zahl der Hungerflüchtlinge,
die überleben wollen, die Zahl der Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisenregionen sowie
aus unmenschlichen Diktaturen. 3. Der Klimawandel zeigt sich in der fortschreitenden,
vom Menschen verursachten Erderwärmung mit all ihren katastrophalen Folgen.
Seit
Anfang der 60er Jahre haben nicht nur die deutsche Bundesregierung sondern Nichtregierungsorganisationen,
vor allem aber auch die christlichen Kirchen auf die vor nunmehr 50 Jahren bereits
eingetretenen Zerstörungen und sich fortsetzenden, die Schöpfung gefährdenden Entwicklungen
hingewiesen und versucht, entgegenzuwirken, im nationalen, im internationalen und
mehr und mehr auch im globalen Rahmen.
Wir bereiten uns jetzt auf die Konferenz
der Vereinten Nationen zum Klimawandel im Dezember in Kopenhagen vor. Deutschland
und der Heilige Stuhl wollen konkrete, messbare Ergebnisse. Der gute Wille existiert,
aber reicht der politische Wille aus? Auf der Konferenz zu Zukunftsfragen in Berlin
war die Antwort eindeutig: der politische Wille reicht nicht aus. Wir Menschen müssen
unsere Lebensplanungen und unser tägliches Verhalten ändern. Jüngst sagte ein deutscher
Politiker: „Wir brauchen kein Wachstum im Wohlstand, wir brauchen ein Wachstum
im Wohlbefinden.“
Grundbedingung für diesen Weg ist, dass wir unser über Jahrtausende
tradiertes Verhalten radikal ändern. Es gibt bereits jetzt ermutigende staatliche
und private Ansätze, zum Beispiel:
1. Die Förderung erneuerbarer Energien,
der Konsens auf einen Energiemix, der unsere Welt schont und nicht weiter verletzt.
2. Der prozentuelle finanzielle Anteil von Forschung und Entwicklung bei den
weltweit aufgestellten wirtschaftlichen Unternehmungen ist erheblich angestiegen und
hat bei manchen die 30-Prozent-Marke erreicht.
3. Gerade in der gegenwärtigen
Vertrauenskrise ist es gut zu wissen, dass Staat und Kirche in Erziehung, Ausbildung
und Bildung investieren.
4. Die Kirchen und Nichtregierungsorganisationen haben
frühzeitig auf die Ohnmacht großer Bürokratien hingewiesen. Unsere der Schöpfung dienende
Entwicklungspolitik wird und muss dem verstärkt Rechnung tragen. Es sind nicht Organisationen,
die verändern, sondern die Menschen guten Willens.
Wir Menschen müssen aber
unser Verhalten ändern und alle bisherigen Erfahrungen lehren uns: wir ändern uns
als Gemeinschaften nur in der Krise. Unsere Welt zeigt uns täglich nicht nur die Bilder
von Krisen, sondern Katastrophen. Und wir: wir versuchen zu lindern, aber erst im,
oft nach dem Konflikt und dann mit Krieg. Gewalt ruft Gegengewalt auf den Plan. Der
Krisenbogen von Pakistan bis nach Afrika ist ein erschütterndes Beispiel.
Die
soeben beendete Sondersynode zur Lage der Kirche in Afrika hat uns den großen menschlichen
Reichtum dieses Kontinentes der Hoffnung gezeigt. Das päpstliche Diktum „Steh auf,
Afrika“ ist auch ein Appell an uns: es waren vor allem Europäer, die seit dem 15.
Jahrhundert zur Situation im heutigen Afrika beigetragen haben. Afrika ist nicht nur
Nachbar, sondern unser europäisches Schicksal ist mit dem von Afrika unauflöslich
verbunden. Und wie gehen wir mit Afrikanern in Europa und mit Afrikanern in Afrika
um? Wir müssen, jeder für sich und dann mit der Kraft der kleinen und großen Gemeinschaften,
unser Verhalten ändern: der vorsichtige Umgang mit den irdischen Gütern (z.B. das
Wasser) ist eine Herausforderung, die andere, gerade von den großen Religionen gelehrte
und auch gelebte Antwort ist, dass wir uns unserer eigenen Würde und der unseres Nachbarn
täglich neu bewusst werden und es zu dem Imperativ unseres Handelns und Unterlassens
werden lassen.