Papst: „Theologie kann weder im Knien noch im Sitzen allein gemacht werden“
„Zwischen Glaube und
Vernunft herrscht eine natürliche, in der Schöpfungsordnung begründete Freundschaft.“
Das sagte Papst Benedikt XVI. bei der dieswöchigen Ausgabe der Generalaudienz, bei
der er ganz zum Theologie-Professor auf der Kathedra Petri wurde. Benedikt sprach
über die zwei großen mittelalterlichen Strömungen bzw. Arten, Theologie zu betreiben.
Bei der einen geht es eher ums Hören, bei der anderen eher ums Analysieren. Ersteres
wurde in den Klöstern gepflegt, letzteres in den Städten an den Kathedralschulen,
„scholae“ genannt. Papst Benedikt:
„Dementsprechend lassen sich zwei verschiedene
Modelle des Theologietreibens unterscheiden: die monastische Theologie und die scholastische
Theologie. Erstere war vornehmlich eine biblische Theologie, die vom geistlichen Ansatz
der lectio divina der Mönche herrührte. Hier schloss das Verlangen nach Gott die Liebe
zum Wort, die Durchdringung der Texte der Heiligen Schrift in allen Dimensionen mit
ein. Diese monastische Theologie vollzog sich in einer inneren Haltung des Gebets
und war ein betendes Hören auf Gottes Wort.“
Die scholastische Theologie
dagegen verwendet eine andere Methode, nämlich die der Frage, auf Latein: „quaestio“,
führte der Papst aus.
"Von autoritativen Textsammlungen ausgehend stellen
sich dem Menschen Fragen: Gegenüber dem, was die Überlieferung sagt, was das Wort
Gottes sagt, brechen Fragen auf; das Wort wird zum Problem. Und nun diskutiert der
Lehrer mit den Schülern zusammen, wie dieses Wort zu verstehen ist und annehmbar werden
kann. Im Disput tauchen einerseits die autoritativen Quellen, andererseits die Argumente
der Vernunft auf, und man versucht beides schließlich zusammenzuführen in einer Lösung,
in der das Wort Gottes Antwort auf das menschliche Fragen wird und der Glaube, indem
die Vernunft in ihn eingetreten ist, tiefer und persönlicher wird. Man hat dann diese
„quaestiones“, diese Fragen und Dispute in Büchern zusammengefasst, die man „Summen“
nennt, systematische Formen der Theologie. So sollten die Einheit und die Harmonie
der christlichen Offenbarung aufgezeigt werden, vor allem die Einheit von Vernunft
und Glaube. Beide Theologien gehören zusammen: einerseits Theologie, in der die Liebe
zu Gott und zum Wort Gottes anwesend ist, andererseits Theologie, in der die Nüchternheit
der Vernunft und das rechte Verstehen in der jeweiligen Zeit arbeitet. Hans Urs von
Balthasar hat einmal von „sitzender“ und „kniender“ Theologie gesprochen. Aber die
ganze Theologie kann nicht allein im Knien und nicht allein im Sitzen gemacht werden.
Beides, das betende Sich-Beugen vor Gott und das denkende Hinausgreifen in das Verstehen,
gehört zusammen, damit wirkliche Theologie entsteht."
Den
Pilgern und Besuchern aus den Ländern deutscher Sprache sagte der Papst:
„Glaube
und Vernunft helfen dem menschlichen Geist bei der Suche nach der Wahrheit, nach Gott.
Diese Suche muss von einer Haltung des Gebets, der Demut und des Staunens begleitet
sein. Dann wächst die Erkenntnis der Wahrheit und wird echte Weisheit des Herzens.
Gott schenke uns dabei das Licht seiner Gnade.“