Verehrte Brüder im Bischofsamt, Liebe Brüder und Schwestern!
Es ist eine
Botschaft der Hoffnung für Afrika, die wir gerade im Wort Gottes gehört haben. Es
ist die Botschaft, dass der Herr der Geschichte nicht müde wird, die unterdrückte
und überwältigte Menschheit zu jeder Zeit und in jedem Land zu erneuern, so wie er
Moses seinen Willen für die israelitischen Sklaven in Ägypten offenbart hat: "Ich
habe das Elend meines Volkes gesehen... Ich habe ihr Schreien gehört ... Ich kenne
sein Leiden. Ich stieg herab, sie zu retten ... und bringe sie in ein schönes und
weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen"(Exodus 3:7-8). Was ist dieses
Land? Ist das nicht das Königreich der Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden, in das
die ganze Menschheit gerufen ist? Gottes Plan ändert sich nicht. Es ist der gleiche,
der von Jeremia prophezeit wurde - im Buch der Tröstungen, der ersten Lesung von heute.
Es ist eine Botschaft der Hoffnung für die Menschen in Israel, niedergestreckt von
dem Einfall der Armee des Nebukadnezar, der Zerstörung Jerusalems und des Tempels
und der Deportation nach Babylon. Eine Botschaft der Freude für den „Rest" der Söhne
Jakobs, die eine Zukunft für sie ankündigt, denn der Herr wird sie in ihre Heimat
zurückführen über eine gerade und bequeme Straße. Menschen brauchen Unterstützung,
wie die Blinden und die Lahmen, wie die schwangere Frau und die Wöchnerin, hoffend
auf die Macht und die Zärtlichkeit des Herrn: Er ist Israels Vater, bereit sich um
seinen Erstgeborenen zu sorgen (cf Jer 31,7-9). Gottes Plan ändert sich nicht.
Durch die Jahrhunderte und die Wirren der Geschichte zeigt er immer auf das gleiche
Ziel: das Reich der Freiheit und des Friedens für alle. Und das heißt: seine Vorliebe
für die, denen Freiheit und Frieden fehlen, für diejenigen, deren Menschenwürde verletzt
wurde. Wir denken insbesondere an die Brüder und Schwestern in Afrika, die unter Armut,
Krankheit, Ungerechtigkeit, Krieg, Gewalt und erzwungener Migration leiden. Diese
bevorzugten Kinder des himmlischen Vaters sind wie der blinde Mann des Evangeliums,
Bartimäus, der schon lange „auf der Straße saß, um zu betteln" (Mk 10,46), am Stadtrand
von Jericho. Gerade diese Straße nimmt auch Jesus von Nazareth. Es ist die Straße
nach Jerusalem, wo das Passah gefeiert wird - sein Passah-Opfer, in dem sich der Messias
für uns hingibt. Und seine Straße ist auch unsere: der einzige Weg, der in das Land
der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens führt. Auf diesem Weg begegnet
der Herrn Bartimäus, der sein Augenlicht verloren hat. Ihre Wege kreuzen sich, werden
zu einem einzigen Weg. „Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir", ruft der Blinde
voll Vertrauen. Jesu sagt: „Ruft ihn her," und fügt hinzu: „Was soll ich dir tun?". Gott
ist Licht, und Gott ist Schöpfer des Lichts. Der Mensch ist ein Kind des Lichts, geschaffen
um das Licht zu sehen, aber er verlor sein Augenlicht und ist gezwungen zu betteln.
Neben ihm geht der Herr, der arm wurde für uns, nach unserem Glauben und unserer Liebe
dürstend. „Was soll ich dir tun?". Gott weiß es, er will aber, dass der Mensch selber
spricht. Er will, dass er aufsteht und den Mut findet, zu fragen, was ihm seiner Würde
nach zusteht. Der Vater will die Stimme des freien Willens des Kindes hören, das das
Licht wieder sehen will, das Licht, für die es geschaffen ist. „Rabbuni, ich will
wieder sehen." Und Jesus sprach zu ihm: „Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen. Und
sofort konnte er wieder sehen“ (Mk 10,51-52).
Liebe Brüder, lasst uns danken,
dass dieses „Mysterium des Treffens der Armut und der Größe" Gottes auch in der Synode
zu Afrika stattgefunden hat, die heute zu Ende geht. Gott hat seine Forderung erneuert:
„Hab nur Mut, steh auf ... " (Mk 10,49). Und die Kirche in Afrika, vertreten durch
ihre Hirten, die aus allen Teilen des Kontinents, aus Madagaskar und den Inseln im
Indischen Ozean kamen, hat die Botschaft der Hoffnung und des Licht auf dem Weg zum
Reich Gottes gehört. „Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen" (Mk 10:52). Ja, der Glaube
an Jesus Christus - wenn er richtig verstanden und praktiziert wird - führt Menschen
und Völker in die Freiheit der Wahrheit, oder, um die drei Worte des Themas der Synode
zu gebrauchen, in die Versöhnung, die Gerechtigkeit und den Friedens. Bartimäus, geheilt,
folgt Jesus auf dem Weg; er ist das Bild der Menschheit, die, durch den Glauben erleuchtet,
sich auf den Weg in das gelobte Land begibt. Bartimäus wiederum wird ein Zeuge
für das Licht, erzählt und zeigt in seiner Person, was es bedeutet, geheilt zu werden,
erneuert, regeneriert. Dies ist die Kirche in der Welt: Gemeinschaft von versöhnten
Menschen, Menschen, die für Gerechtigkeit und Frieden arbeiten, „Salz und Licht" in
der Mitte der Gesellschaft von Menschen und Nationen. Deshalb hat die Synode nachdrücklich
bekräftigt, dass die Kirche die Familie Gottes ist, in denen es keine Trennung auf
ethnischer, sprachlicher oder kultureller Basis geben kann. Bewegende Zeugnisse haben
uns gezeigt, dass selbst in den dunkelsten Momenten in der Geschichte der Menschheit
der Heilige Geist am Werk ist und die Herzen der Opfer und Täter umformt, so dass
sie sich als Geschwister erkennen. Die Kirche ist ein starker Hefeteig, der Versöhnung
schafft zwischen den Ländern und Völkern des afrikanischen Kontinents.
Die
zweite Lesung gibt uns noch eine andere Perspektive: die Kirche, die Gemeinschaft,
die Christus auf dem Weg der Liebe folgt, hat eine priesterliche Form. Die Kategorie
des Priestertums, das ein Schlüssel ist zum Verständnis Christi und damit der Kirche,
ist im Neuen Testament durch Hebräerbrief eingeführt. Sie stammt aus Psalm 110, heute
im Zwischengesang zitiert, in dem der Herr unser Gott mit einem feierlichen Eid unserem
Messias versichert: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung des Melchisedek" (Vers
4). Das nimmt Bezug auf eine andere Aussage aus Psalm 2, in dem der Messias die Zusage
des Herrn verkündet, der ihm sagt: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt"
(Vers 7). Aus diesen Texten stammt die Zuschreibung des priesterlichen Charakters
für Jesus: nicht im allgemeinen Sinn, sondern „in der Ordnung Melchisedeks", nämlich
als ewiger Hohepriester, dessen Priestertum nicht vom Menschen, sondern von Gott stammt.
„Denn jeder Hohepriester wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt
zum Dienst vor Gott, um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen" (Hebr 5,1). Nur
er, Christus, der Sohn Gottes, hat ein Priestertum, das eins ist mit seiner Person
- ein einzigartiges und transzendentes Priestertum, von dem die Erlösung der Welt
abhängt. Dieses Priestertum hat Christus der Kirche durch den Heiligen Geist gegeben,
so dass die Kirche in jedem ihrer Mitglieder durch die Kraft der Taufe einen priesterlichen
Charakter hat. Aber – und das ist ein wesentlicher Aspekt - das Priestertum Jesu
Christi ist nicht mehr primär Ritual, sondern existentiell. Die Dimension des Ritus
ist nicht aufgehoben, sondern sie hat, wie in der Einsetzung der Eucharistie deutlich
wird, ihren Sinn im Pascha-Mysterium, das die alten Opfer erfüllt und sie sogar übertrifft.
So entstand ein neues Opfer, ein neues Priestertum und auch ein neuer Tempel, und
alle drei sind verbunden mit dem Mysterium Jesu Christi. Vereinigt mit ihm durch die
Sakramente, ist die Kirche auch weiterhin seine rettende Tat, so dass die Menschen
durch den Glauben geheilt werden: so wie der blinde Bartimäus. So ist die kirchliche
Gemeinschaft aufgerufen, in die Fußstapfen ihres Meister und Herrn zu treten, um den
Weg des Dienstes zu gehen und das Leben mit den Frauen und Männern ihrer Zeit zu teilen,
um allen die Liebe Gottes zu bezeugen und damit Hoffnung zu säen. Liebe Freunde,
in dieser Botschaft der Erlösung verbindet die Kirche immer die Evangelisierung mit
der menschlichen Entwicklung. Nehmen wir zum Beispiel die Enzyklika Populorum Progressio:
Was der Diener Gottes Paul VI. als Reflexion entwickelte, haben die Missionare realisiert,
und sie führen es fort durch die Förderung von Entwicklung, unter dem Schutz der lokalen
Kulturen und der Umwelt. Sie folgen dabei einer Logik, die noch heute, nach mehr als
40 Jahren, einzigartig erscheint, um die Völker Afrikas aus der Knechtschaft von Hunger
und Krankheiten zu befreien. Das ist es, was es bedeutet, die Botschaft der Hoffnung
in „priesterlicher Form“ zu verkünden, oder besser: das Evangelium zu leben, es zu
übersetzen suchen und in Projekten zu verwirklichen, die dem grundlegenden dynamischen
Prinzip folgen: der Liebe. In diesen drei Wochen bestätigte die Zweite Sonderversammlung
der Bischofssynode für Afrika, dass mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. bereits
ein gutes Fundament gelegt hatte, welches ich in meiner jüngsten Enzyklika „Caritas
in veritate“ weiter verstärken wollte: Es ist nötig, das Modell weltweiter Entwicklung
zu erneuern, so dass alle eingeschlossen sind und nicht nur die, die jetzt schon über
die notwendigen Mittel verfügen (Nr. 39). Was die Soziallehre der Kirche immer als
Vision des Menschen und der Gesellschaft gesehen hat, ist heute durch die Globalisierung
erforderlich geworden (vgl. ebd.). Diese Entwicklung – und daran müssen wir uns erinnern
– ist nicht automatisch, Ergebnis einer Dynamik und erzeugt von anonymen und unpersönlichen
Kräften, unabhängig vom menschlichen Willen. Die Globalisierung ist eine menschliche
Wirklichkeit - und als solche ist sie veränderbar nach dem einen oder anderen kulturellen
Umfeld. Die Kirche setzt sich nach ihren persönlichen und gemeinschaftlichen Überzeugungen
dafür ein, diesen Prozess der Globalisierung in Richtung von menschlichen Beziehungen,
von Geschwisterlichkeit und in die Richtung des Teilens zu verändern (cfr ibid., n.
42).
„Hab nur Mut, steh auf ...". So wendet sich der Herr des Lebens und der
Hoffnung heute an die Kirche und die afrikanischen Völker, am Ende dieser Wochen der
synodalen Beratungen. Steh auf, Kirche in Afrika, Familie Gottes, weil der himmlische
Vater dich ruft, den deine Vorfahren schon als Schöpfergott angerufen haben, bevor
sie die Barmherzigkeit kannten, die er in seinem Sohn Jesus Christus offenbart hat.
Begib dich sich auf den Weg einer neuen Evangelisierung mit dem Mut, der vom Heiligen
Geist stammt! Zu den dringenden Maßnahmen der Evangelisierung, von denen in den letzten
Tagen viele besprochen worden sind, gehört auch ein dringender Aufruf zur Versöhnung,
die eine Voraussetzung dafür ist, dass in Afrika Gerechtigkeit unter den Menschen
herrschen kann und für den Aufbau eines dauerhaften und gerechten Respekts zwischen
den einzelnen Völkern. Ein Frieden, der offen ist für die Beteiligung aller Menschen
guten Willens, der über ihre Religionszugehörigkeiten, über ethnische, sprachliche,
kulturelle und soziale Grenzen hinweg geht, ein Frieden, der Beteiligung braucht!
In dieser anspruchsvollen Mission bist du, pilgernde Kirche Afrikas im dritten Jahrtausend,
nicht allein. Im Gebet und in der Solidarität ist dir die ganze katholische Kirche
nahe, und im Himmel begleiten dich alle Heiligen Afrikas, die durch ihr Leben und
manchmal auch durch ihren Tod Zeugnis abgelegt haben für die Treue zu Christus. Mut!
Steh auf, afrikanischen Kontinent, ein Land, dass den Heiland der Welt beherbergt
hat, als er ein Kind war, auf der Flucht nach Ägypten mit Maria und Joseph, um sein
Leben vor der Verfolgung des Königs Herodes zu retten. Verkünde mit erneuerter Begeisterung
das Evangelium, denn das Antlitz Christi kann in seiner Herrlichkeit die Vielfalt
der Kulturen und der Sprachen deiner Völker erleuchten! Die Kirche bietet das
Brot des Wortes und der Eucharistie, und gleichzeitig setzt sie sich mit allen verfügbaren
Mitteln dafür ein, dass keinem Afrikaner sein tägliches Brot fehlt. Deswegen sind
Christen neben der primären Aufgabe der Verkündigung immer auch in der Entwicklung
der Menschheit engagiert. Liebe Synodenväter, am Ende meiner Überlegungen richte
ich meinen Gruß an euch und danke euch für eure Teilnahme. Ihr, Hirten der Kirche
in Afrika, bringt – nach Hause zurückgekehrt – meinen Segen in eure Gemeinschaften.
Bitte überbringt an alle den in der Synode so häufig gehörten Ruf nach Versöhnung,
Gerechtigkeit und Frieden. Jetzt, da die Synodenversammlung schließt, möchte ich meine
tiefe Dankbarkeit gegenüber dem Generalsekretär der Bischofssynode und allen Mitarbeiter
ausdrücken. Eine ausdrückliche Dank an die Chöre der nigerianischen Gemeinde in Rom
und des Äthiopischen Kollegs, die die Liturgien gestalten haben. Und schließlich möchte
ich allen danken, die die Arbeit der Synode im Gebet begleitet haben. Die Jungfrau
Maria belohne Sie alle, und sie erhalte der Kirche in Afrika die Dynamik, in jedem
Teil des großen Kontinents zu wachsen und das Salz und das Licht des Evangeliums zu
verbreiten.