2009-10-24 14:42:34

D: „Piusbrüder sehen sich als Vertreter einer wahren Kirche“


RealAudioMP3 In der Glaubenskongregation ist alles bereit für die Gespräche mit der Piusbruderschaft. Am Montag treffen sich die Delegationen beider Parteien zum ersten Mal. Bei den Gesprächen, deren Dauer offen ist, wird es um Lehrfragen gehen. Falls es zu einer Einigung kommen wird, rechnen Beobachter mit der Errichtung einer so genannten Personalprälatur für die Piusbrüder. Für den Lefebvre-Experten und Pastoraltheologen an der katholischen Universität Eichstätt, Alois Schifferle, ist bereits der Beginn der Gespräche ein erster Erfolg, aber die Schwierigkeiten beginnen damit erst.

„Es ist positiv, dass man zumindest miteinander spricht. Es besteht die Frage, wer die Vorgaben gibt. Da habe ich schwere Bedenken. Die Piusbrüder lösen sich trotz der dargebotenen Hand des Papstes nicht von ihrer Grundhaltung. Sie üben scharfe Kritik an der Kirche des zweiten vatikanischen Konzils. Sie versuchen nach wie vor, die Kirche des zweiten vatikanischen Konzils zurück zu treiben.“

Diese Kirche, so Schifferle, sei einer Kirche, die ihn an das Bild der festen Burg Gottes erinnere, eine Kirche, in der alles festgelegt ist, eine Kirche, die Erhabenheit und Heiligkeit bewirke. Dies zeige einen Geist der Geschlossenheit und der Abwehrhaltung, der sich gegen jede Neuerung wendet.
Dieses Kirchenverständnis sehen die Piusbrüder durch das Entgegenkommen des Papstes bestätigt. Das sei für den anstehenden Dialog prägend, so Schifferle. Für die katholische Seite bedeutet es, darauf zu bestehen, dass keine innerkatholische Gruppe entsteht, die das Zweite Vatikanische Konzil nicht voll anerkenne.

„Daher, muss der Papst darauf hinarbeiten, dass die Verantwortlichen der Piusbruderschaft das Konzil akzeptieren und gutheißen. Das Problem bei der Piusbruderschaft ist, dass alle Versöhnungsversuche fehlgeschlagen sind. Bei der Aufhebung der Exkommunikation und bei der Anerkennung des Lehrrangs des Papstes sind das zweite vatikanische Konzil und dessen Zustimmung in meinen Augen zu wenig zu Sprache gekommen. Das muss nachgeholt werden.“

Aber selbst bei gut verlaufenden Gesprächen ist sich Schifferle nicht sicher, dass es eine vollständige Versöhnung zwischen der Kirche und allen Piusbrüdern gibt.

„Wenn es zu einer weiteren Annäherung kommen sollte, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass die Piusbruderschaft in ihrer heutigen Form gänzlich in den Schoß der Kirche zurückkommt.“

(rv 24.10.2009 mg)

Lesen Sie hier das gesamte Interview von Mario Galgano

Professor Schifferle, was hat die Aufhebung der Exkommunikation der vier Lefebvrebischöfe innerhalb der Piusbrüderschaft für eine Erwartung ausgelöst?

„Die Aufhebung der Exkommunikation der vier Lefebvrebischöfe hat an der Basis der Kirche sehr viel Überraschung bewirkt und sehr viele Fragen aufgeworfen. Die einzige Bedingung, die der Vatikan den Lefebvreanhängern für die Aufhebung der höchsten Kirchenstrafe auferlegt hat, war die Anerkennung des Lehrprimats. Dies ist eigentlich etwas Selbstverständliches. Ich denke, das bedingungslose Entgegenkommen von Papst Benedikt XVI. der Piusbruderschaft gegenüber, bestärkt und bestätigt sie in ihrer Haltung. Die Piusbrüder glauben, im Sinn des Kirchenbildes und in der Frage des Erscheinungsbildes der Kirche richtig zu liegen. Das Kirchenbild entnehmen sie sehr stark den Vorstellungen des ehemaligen Erzbischofs Marcel Lefebvres und zwar einer Kirche als Geist von Festigkeit und Sicherheit, die Herrlichkeit und Erhabenheit bewirkt. Meiner Meinung nach ähnelt dieses Bild einer Burg Gottes. Eine Kirche, in der alles festgelegt ist. Das ist gut und recht, aber es zeigt vor allem im Verhalten der Piusbruderschaft, dass dieser Geist der Geschlossenheit und der Abwehrhaltung gegen Neuerungen weitergeführt wird.“

Die Piusbruderschaft hat die katholische Kirche immer wieder stark kritisiert. Weshalb hält sie an dieser Kritik fest und wie ist die Kommunikation innerhalb der Bruderschaft geregelt?

„Ich glaube, die Piusbrüder sehen sich als Vertreter einer wahren Kirche. Sie beschreiben das oft als eine wahre Kirche aller Zeiten, die von Lefebvre 1979 gegründet wurde. Die Kommunikation innerhalb der Piusbruderschaft ist zentralistisch von oben nach unten geregelt. Die Piusbrüder sehen sich in ihrer Kritik als Gewinner. So zum Beispiel bei der Liturgiereform bei der Wiederzulassung des lateinischen Ritus. Ich glaube, dass sich an der Grundhaltung der Piusbrüder kaum etwas geändert hat. Auf der anderen Seite sehen sie sich in einem guten Licht. Durch die Aufhebung der Exkommunikation durch den Papst können sie aus dem Schattendasein einer kleinen Parallelkirche heraustreten. Meiner Meinung nach könnten sie aber trotzdem zu einer Sondergruppe innerhalb der katholischen Kirche werden, die sich mit anderen traditionellen Gruppen zu einer konservativen Strömung verbinden oder sogar abspalten.“

Nun beginnen die Gespräche zwischen der römisch katholischen Kirche und der Piusbruderschaft im Vatikan. Wird es Ihrer Meinung nach bald zu einer Lösung kommen?

„Es ist positiv, dass man zumindest miteinander spricht. Es besteht die Frage, wer die Vorgaben gibt. Da habe ich schwere Bedenken. Die Piusbrüder lösen sich trotz der dargebotenen Hand des Papstes nicht von ihrer Grundhaltung. Sie üben scharfe Kritik an der Kirche des zweiten vatikanischen Konzils. Sie versuchen nach wie vor, die Kirche des zweiten vatikanischen Konzils zurück zu treiben.“

Wird die Piusbruderschaft in toto alles akzeptieren, falls es zu einer weiteren Annäherung kommt?

„Es hat schon einmal den Versuch gegeben Gläubige aufzufangen, die Lefebvre nicht folgen wollten. Wenn es zu einer weiteren Annäherung kommen sollte, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass die Piusbrüderschaft in ihrer heutigen Form gänzlich in den Schoß der Kirche zurückkommt. Sie wird das zweite vatikanische Konzil völlig akzeptieren.“

Welche Aspekte sind für die Piusbrüder in dieser Diskussion wichtig und woran werden sie festhalten?

„Die Piusbruderschaft fühlt sich bestärkt durch das Kirchenbild im Hinblick auf die Eucharistie im früheren Ritus. Sie haben ein Zugeständnis bekommen und für sie ist es wichtig, wie die Liturgie vollzogen wird. Auf der anderen Seite steht die Frage, welches Traditionsverständnis, Priesterbild und welcher Katechismus hinter diesem Konflikt steht. Hier gibt es bestimmt Punkte, von denen die Piusbruderschaft nicht loslässt. Für den Dialog sind natürlich auch die Inhalte des zweiten vatikanischen Konzils wichtig. Sie kämpfen für eine wahre Kirche aller Zeiten. Sie sehen sich in einer ewigen Tradition, die für sie keine Änderung im Inhalt vorsieht. Sie sehen sich mit Pius X. verbunden, der gegen liberale Tendenzen vorging. Die Fragen der Religionsfreiheit und der nichtchristlichen Religionen sind im Konzil umgesetzt worden. Hier liegt das Problem.“

Welche Punkte wird die römische Seite unbedingt verteidigen?

„Papst Benedikt XVI., der den ganzen Konflikt als Vorstehender der Glaubenskongregation, mitverfolgt hat, muss darauf insistieren, dass es innerhalb der katholischen Kirche keine interchristliche Gruppe geben darf, die sich gegen das zweite vatikanische Konzil stellt. Da sie sich gegen die Kirche des zweiten vatikanischen Konzils stellen, muss der Papst darauf hinarbeiten, dass die Verantwortlichen der Piusbruderschaft das Konzil akzeptieren und gutheißen. Das Problem bei der Piusbruderschaft ist, dass alle Versöhnungsversuche fehlgeschlagen sind. Bei der Aufhebung der Exkommunikation und bei der Anerkennung des Lehrrangs des Papstes sind das zweite vatikanische Konzil und dessen Zustimmung in meinen Augen zu wenig zu Sprache gekommen. Das muss nachgeholt werden. Die Piusbruderschaft hat es im Jahre 2008 als Voraussetzung für den Dialog im Blick auf das vatikanische Konzil zur Bedingung gemacht, dass vorher die Exkommunikation der vier Lefebvrebischöfe aufgehoben werden muss. Dies ist für die Weltöffentlichkeit überraschend durch das im Januar 2009 veröffentlichte Dekret der römischen Bischofskongregation erfolgt. Hier ist durch den Vatikan eine Vorleistung geschehen ohne, dass zumindest für die Öffentlichkeit von der anderen Seite ein Schritt gekommen wäre. Öffentlich gab es kein Einlenken auf die Ergebnisse des zweiten vatikanischen Konzils.“

Professor Schifferle, Sie sind ein Piusbrüderexperte. Wie kommt es dazu?

„Ich habe eine persönliche Erfahrung mit dieser Bewegung machen dürfen. Es war als ich noch in einem anderen Beruf tätig war und mich auf das Abitur in Deutschland vorbereitete. Ich habe mich gefragt wie dieser Lefebvre die Piusbruderschaft aufrichten kann und was ihn dazu bewogen hat dieses Werk zu gründen. Dem bin ich in meinen Studienzeiten an der Universität in Münster in verschiedenen Etappen nachgegangen. Ich habe dieses Phänomen immer wieder studiert und reflektiert. Dabei bin ich zur Überzeugung gekommen, dass es eine Diskrepanz im Hinblick auf die Umsetzung der Beschlüsse des zweiten vatikanischen Konzils gibt. Auch im Blick auf das Traditionsverständnis der Kirche und auf das Kirchenverständnis gibt es große Unterschiede. Die Piusbrüder wollen eine abwehrende Kirche, die sich gegen die Irrtümer der Zeit stellt. Für viele verunsicherte Christen ist Lefebvre damit zur Leitfigur geworden. Das ist meiner Meinung nach das schlimme daran. Menschen suchen sehr stark nach Leitbildern. Für viele verunsicherte Christen ist Lefebvre im Hinblick auf die Umsetzung der Konzilsbeschlüsse und des Kirchenbildes zum Leitbild und Sicherheitspunkt geworden. Ich durfte als Student Lefebvre in den 70er Jahren selbst noch indirekt kennenlernen, als ich zu seinem 80. Geburtstag bei einer Pressekonferenz in Paris anwesend war. Auf meine Frage wie er die Zukunft seines Werkes sehe, hat er etwas Bezeichnendes vor laufender Kamera berichtet. Wenn der Papst das zweite vatikanische Konzil nicht zurück nehmen würde, dann würde er Bischöfe weihen. Es kam dadurch zum Schisma, dass er drei Bischöfe weihte und sich mit der Konzilskirche überwarf.“

(rv 24.10.2009 mg)







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