D: „Piusbrüder sehen sich als Vertreter einer wahren Kirche“
In der Glaubenskongregation
ist alles bereit für die Gespräche mit der Piusbruderschaft. Am Montag treffen sich
die Delegationen beider Parteien zum ersten Mal. Bei den Gesprächen, deren Dauer offen
ist, wird es um Lehrfragen gehen. Falls es zu einer Einigung kommen wird, rechnen
Beobachter mit der Errichtung einer so genannten Personalprälatur für die Piusbrüder.
Für den Lefebvre-Experten und Pastoraltheologen an der katholischen Universität Eichstätt,
Alois Schifferle, ist bereits der Beginn der Gespräche ein erster Erfolg, aber die
Schwierigkeiten beginnen damit erst.
„Es ist positiv, dass man zumindest
miteinander spricht. Es besteht die Frage, wer die Vorgaben gibt. Da habe ich schwere
Bedenken. Die Piusbrüder lösen sich trotz der dargebotenen Hand des Papstes nicht
von ihrer Grundhaltung. Sie üben scharfe Kritik an der Kirche des zweiten vatikanischen
Konzils. Sie versuchen nach wie vor, die Kirche des zweiten vatikanischen Konzils
zurück zu treiben.“
Diese Kirche, so Schifferle, sei einer Kirche, die
ihn an das Bild der festen Burg Gottes erinnere, eine Kirche, in der alles festgelegt
ist, eine Kirche, die Erhabenheit und Heiligkeit bewirke. Dies zeige einen Geist der
Geschlossenheit und der Abwehrhaltung, der sich gegen jede Neuerung wendet. Dieses
Kirchenverständnis sehen die Piusbrüder durch das Entgegenkommen des Papstes bestätigt.
Das sei für den anstehenden Dialog prägend, so Schifferle. Für die katholische Seite
bedeutet es, darauf zu bestehen, dass keine innerkatholische Gruppe entsteht, die
das Zweite Vatikanische Konzil nicht voll anerkenne.
„Daher, muss der Papst
darauf hinarbeiten, dass die Verantwortlichen der Piusbruderschaft das Konzil akzeptieren
und gutheißen. Das Problem bei der Piusbruderschaft ist, dass alle Versöhnungsversuche
fehlgeschlagen sind. Bei der Aufhebung der Exkommunikation und bei der Anerkennung
des Lehrrangs des Papstes sind das zweite vatikanische Konzil und dessen Zustimmung
in meinen Augen zu wenig zu Sprache gekommen. Das muss nachgeholt werden.“
Aber
selbst bei gut verlaufenden Gesprächen ist sich Schifferle nicht sicher, dass es eine
vollständige Versöhnung zwischen der Kirche und allen Piusbrüdern gibt.
„Wenn
es zu einer weiteren Annäherung kommen sollte, kann ich mir nur schwer vorstellen,
dass die Piusbruderschaft in ihrer heutigen Form gänzlich in den Schoß der Kirche
zurückkommt.“
(rv 24.10.2009 mg)
Lesen Sie hier das gesamte Interview
von Mario Galgano
Professor Schifferle, was hat die Aufhebung der Exkommunikation
der vier Lefebvrebischöfe innerhalb der Piusbrüderschaft für eine Erwartung ausgelöst?
„Die
Aufhebung der Exkommunikation der vier Lefebvrebischöfe hat an der Basis der Kirche
sehr viel Überraschung bewirkt und sehr viele Fragen aufgeworfen. Die einzige Bedingung,
die der Vatikan den Lefebvreanhängern für die Aufhebung der höchsten Kirchenstrafe
auferlegt hat, war die Anerkennung des Lehrprimats. Dies ist eigentlich etwas Selbstverständliches.
Ich denke, das bedingungslose Entgegenkommen von Papst Benedikt XVI. der Piusbruderschaft
gegenüber, bestärkt und bestätigt sie in ihrer Haltung. Die Piusbrüder glauben, im
Sinn des Kirchenbildes und in der Frage des Erscheinungsbildes der Kirche richtig
zu liegen. Das Kirchenbild entnehmen sie sehr stark den Vorstellungen des ehemaligen
Erzbischofs Marcel Lefebvres und zwar einer Kirche als Geist von Festigkeit und Sicherheit,
die Herrlichkeit und Erhabenheit bewirkt. Meiner Meinung nach ähnelt dieses Bild einer
Burg Gottes. Eine Kirche, in der alles festgelegt ist. Das ist gut und recht, aber
es zeigt vor allem im Verhalten der Piusbruderschaft, dass dieser Geist der Geschlossenheit
und der Abwehrhaltung gegen Neuerungen weitergeführt wird.“
Die Piusbruderschaft
hat die katholische Kirche immer wieder stark kritisiert. Weshalb hält sie an dieser
Kritik fest und wie ist die Kommunikation innerhalb der Bruderschaft geregelt?
„Ich
glaube, die Piusbrüder sehen sich als Vertreter einer wahren Kirche. Sie beschreiben
das oft als eine wahre Kirche aller Zeiten, die von Lefebvre 1979 gegründet wurde.
Die Kommunikation innerhalb der Piusbruderschaft ist zentralistisch von oben nach
unten geregelt. Die Piusbrüder sehen sich in ihrer Kritik als Gewinner. So zum Beispiel
bei der Liturgiereform bei der Wiederzulassung des lateinischen Ritus. Ich glaube,
dass sich an der Grundhaltung der Piusbrüder kaum etwas geändert hat. Auf der anderen
Seite sehen sie sich in einem guten Licht. Durch die Aufhebung der Exkommunikation
durch den Papst können sie aus dem Schattendasein einer kleinen Parallelkirche heraustreten.
Meiner Meinung nach könnten sie aber trotzdem zu einer Sondergruppe innerhalb der
katholischen Kirche werden, die sich mit anderen traditionellen Gruppen zu einer konservativen
Strömung verbinden oder sogar abspalten.“
Nun beginnen die Gespräche zwischen
der römisch katholischen Kirche und der Piusbruderschaft im Vatikan. Wird es Ihrer
Meinung nach bald zu einer Lösung kommen?
„Es ist positiv, dass man zumindest
miteinander spricht. Es besteht die Frage, wer die Vorgaben gibt. Da habe ich schwere
Bedenken. Die Piusbrüder lösen sich trotz der dargebotenen Hand des Papstes nicht
von ihrer Grundhaltung. Sie üben scharfe Kritik an der Kirche des zweiten vatikanischen
Konzils. Sie versuchen nach wie vor, die Kirche des zweiten vatikanischen Konzils
zurück zu treiben.“
Wird die Piusbruderschaft in toto alles akzeptieren,
falls es zu einer weiteren Annäherung kommt?
„Es hat schon einmal den Versuch
gegeben Gläubige aufzufangen, die Lefebvre nicht folgen wollten. Wenn es zu einer
weiteren Annäherung kommen sollte, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass die Piusbrüderschaft
in ihrer heutigen Form gänzlich in den Schoß der Kirche zurückkommt. Sie wird das
zweite vatikanische Konzil völlig akzeptieren.“
Welche Aspekte sind für
die Piusbrüder in dieser Diskussion wichtig und woran werden sie festhalten?
„Die
Piusbruderschaft fühlt sich bestärkt durch das Kirchenbild im Hinblick auf die Eucharistie
im früheren Ritus. Sie haben ein Zugeständnis bekommen und für sie ist es wichtig,
wie die Liturgie vollzogen wird. Auf der anderen Seite steht die Frage, welches Traditionsverständnis,
Priesterbild und welcher Katechismus hinter diesem Konflikt steht. Hier gibt es bestimmt
Punkte, von denen die Piusbruderschaft nicht loslässt. Für den Dialog sind natürlich
auch die Inhalte des zweiten vatikanischen Konzils wichtig. Sie kämpfen für eine wahre
Kirche aller Zeiten. Sie sehen sich in einer ewigen Tradition, die für sie keine Änderung
im Inhalt vorsieht. Sie sehen sich mit Pius X. verbunden, der gegen liberale Tendenzen
vorging. Die Fragen der Religionsfreiheit und der nichtchristlichen Religionen sind
im Konzil umgesetzt worden. Hier liegt das Problem.“
Welche Punkte wird
die römische Seite unbedingt verteidigen?
„Papst Benedikt XVI., der den
ganzen Konflikt als Vorstehender der Glaubenskongregation, mitverfolgt hat, muss darauf
insistieren, dass es innerhalb der katholischen Kirche keine interchristliche Gruppe
geben darf, die sich gegen das zweite vatikanische Konzil stellt. Da sie sich gegen
die Kirche des zweiten vatikanischen Konzils stellen, muss der Papst darauf hinarbeiten,
dass die Verantwortlichen der Piusbruderschaft das Konzil akzeptieren und gutheißen.
Das Problem bei der Piusbruderschaft ist, dass alle Versöhnungsversuche fehlgeschlagen
sind. Bei der Aufhebung der Exkommunikation und bei der Anerkennung des Lehrrangs
des Papstes sind das zweite vatikanische Konzil und dessen Zustimmung in meinen Augen
zu wenig zu Sprache gekommen. Das muss nachgeholt werden. Die Piusbruderschaft hat
es im Jahre 2008 als Voraussetzung für den Dialog im Blick auf das vatikanische Konzil
zur Bedingung gemacht, dass vorher die Exkommunikation der vier Lefebvrebischöfe aufgehoben
werden muss. Dies ist für die Weltöffentlichkeit überraschend durch das im Januar
2009 veröffentlichte Dekret der römischen Bischofskongregation erfolgt. Hier ist durch
den Vatikan eine Vorleistung geschehen ohne, dass zumindest für die Öffentlichkeit
von der anderen Seite ein Schritt gekommen wäre. Öffentlich gab es kein Einlenken
auf die Ergebnisse des zweiten vatikanischen Konzils.“
Professor Schifferle,
Sie sind ein Piusbrüderexperte. Wie kommt es dazu?
„Ich habe eine persönliche
Erfahrung mit dieser Bewegung machen dürfen. Es war als ich noch in einem anderen
Beruf tätig war und mich auf das Abitur in Deutschland vorbereitete. Ich habe mich
gefragt wie dieser Lefebvre die Piusbruderschaft aufrichten kann und was ihn dazu
bewogen hat dieses Werk zu gründen. Dem bin ich in meinen Studienzeiten an der Universität
in Münster in verschiedenen Etappen nachgegangen. Ich habe dieses Phänomen immer wieder
studiert und reflektiert. Dabei bin ich zur Überzeugung gekommen, dass es eine Diskrepanz
im Hinblick auf die Umsetzung der Beschlüsse des zweiten vatikanischen Konzils gibt.
Auch im Blick auf das Traditionsverständnis der Kirche und auf das Kirchenverständnis
gibt es große Unterschiede. Die Piusbrüder wollen eine abwehrende Kirche, die sich
gegen die Irrtümer der Zeit stellt. Für viele verunsicherte Christen ist Lefebvre
damit zur Leitfigur geworden. Das ist meiner Meinung nach das schlimme daran. Menschen
suchen sehr stark nach Leitbildern. Für viele verunsicherte Christen ist Lefebvre
im Hinblick auf die Umsetzung der Konzilsbeschlüsse und des Kirchenbildes zum Leitbild
und Sicherheitspunkt geworden. Ich durfte als Student Lefebvre in den 70er Jahren
selbst noch indirekt kennenlernen, als ich zu seinem 80. Geburtstag bei einer Pressekonferenz
in Paris anwesend war. Auf meine Frage wie er die Zukunft seines Werkes sehe, hat
er etwas Bezeichnendes vor laufender Kamera berichtet. Wenn der Papst das zweite vatikanische
Konzil nicht zurück nehmen würde, dann würde er Bischöfe weihen. Es kam dadurch zum
Schisma, dass er drei Bischöfe weihte und sich mit der Konzilskirche überwarf.“