2009-10-23 16:32:07

D: Der Schwarze Freitag und der Schattenhaushalt


RealAudioMP3 24. Oktober 1929. Mit dem Schwarzen Donnerstag – aufgrund der Zeitverschiebung in Europa der Schwarze Freitag und der 25. Oktober – verbindet man den bis dahin schlimmsten Börsencrash der Geschichte. Nachdem der Dow-Jones-Index schon in den Vorwochen einen deutlichen Rückgang hinnehmen musste, verbreitete sich am 24. Oktober 1929 Panik unter den Anlegern. Die Börsenkurse brachen stark ein, und viele Anleger waren nach Börsenschluss mit einem Schlag hoch verschuldet.
Birgit Pottler hat anlässlich des Jahrestags mit Bernhard Emunds gesprochen. Er ist Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik an der Jesuiten-Hochschule in Frankfurt/Sankt Georgen. 1929 sei konsequent ein Umbau des Finanzsystems betrieben worden. Heute sei er sich nicht so sicher, dass es einen grundlegenden Umbau des Finanzsystems gebe, der einen ähnlichen Absturz wie vor 80 Jahren an der New Yorker Börse verhindern würde.

Von der künftigen deutschen Bundesregierung fordert Emunds klare Maßnahmen, die Erwägungen eines Schattenhaushalts seien insofern verwerflich, da der Staat Vorbild im Wirtschaften sein müsse.

„Ein Mentalitätswandel alleine würde nichts bringen. Wir brauchen neue Regeln, und dann brauchen wir ergänzend einen Mentalitätswandel im Bereich der Finanzwirtschaft. Denn wir können mit Rückblick auf die letzten zwanzig Jahre feststellen, dass es zwar durchaus Versuche der Politik gegeben hat, die Finanzwirtschaft zu steuern. Aber die Finanzinstitute haben dann immer neue Instrumente gefunden, die wenigen Regeln zu umgehen, die es gab. Wenn also in Zukunft die Regeln verschärft werden, dann kommt es darauf an, dass in den Finanzinstituten Menschen sitzen, die Regeln nicht nur dem Buchstaben, sondern auch dem Geist nach erfüllen, und sehen, dass es da um Begrenzungen geht, die langfristig auch in ihrem eigenen Interesse und im Interesse eines gewinnorientierten Wirtschaftens sind.“

Deutschland erlebt auch aufgrund der Finanzkrise derzeit die höchste Staatsverschuldung seiner Geschichte. In den vor dem Abschluss stehenden Koalitionsverhandlungen wurde unter anderem ein Schattenhaushalt erwogen, um die größten Löcher in den Sozialkassen vorübergehend zu stopfen. Nun war das Wort Schattenhaushalt noch nicht ausgesprochen, hagelte es schon Kritik. Inzwischen ist dieses Finanzierungsmodell vom Tisch. Die Frage an den Wirtschaftsethiker: Wie verwerflich war denn dieser Gedanke überhaupt?

„Der Gedanke war so verwerflich wie der Hintergrund, aus dem er stammt. Der Rückgriff auf Schattenhaushalte ist der Rückgriff auf eine Maßnahme, die erst notwendig erschien, weil die Koalition sich auf Steuerentlastungen verständigt hat. Steuerentlastungen, für die es im gegenwärtigen Moment überhaupt keinen Spielraum gibt. Dadurch wurde der ohnehin vorhandene Konflikt zwischen geringeren Einnahmen und steigenden Ausgaben noch weiter verschärft, und man dachte, man könne mit einer billigen Lösung weiter kommen.“

Doch im Prinzip wurde für den Staat das gleiche angedacht, was bereits vorher für die Banken umgesetzt wurde...

„Ja, aber es ist so, dass der Staat ein anderer Akteur ist: ein Akteur, der von den obersten finanzwirtschaftlichen Prinzipien darauf verpflichtet ist, die anstehenden Ausgaben in einem Haushalt zu halten. Gegen diese Prinzipien wurde verstoßen. Schließlich geht es beim Staat um eine öffentliche Instanz, die in ihrer Rechnungslegung und im Umgang mit Schulden auch ein Vorbild für die wirtschaftlichen Akteure sein muss.“

Wirtschaft und Finanzen werden die wichtigsten Punkte der neuen Bundesregierung in den kommenden Monaten sein. Bereits die Koalitionsverhandlungen wurden ja zum Beispiel von der Pleite des Versandhauses Quelle begleitet und die Politiker somit immer wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Wenn Sie als Ethiker diese Verhandlungen und die ersten geplanten Schritte begutachten – wie tragfähig ist dieser Spagat zwischen der CSU auf der einen und der liberalen FDP auf der anderen Seite?

„Mit Blick auf die Finanzmärkte kann man auch loben, dass die Regierung sich darauf verpflichtet, alles daran zu setzen, dass die G20-Beschlüsse umgesetzt werden. Wir wollen hoffen, dass das auf internationaler Ebene gelingt. Das ist ein ganz wichtiger Schritt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwiefern es der CDU gelingt, eine soziale Signatur der Politik zu erhalten, die gerade angesichts der Krise notwendig ist; eine soziale Signatur, ohne die die Menschen das Vertrauen in das politische und wirtschaftliche System verlieren können; eine Signatur, die erhalten werden muss, damit auch die CDU in vier Jahren noch eine Volkspartei ist und nicht da steht, wo bei der letzten Wahl die SPD stand, nämlich im Verlust des Status einer Volkspartei.“

(rv 23.10.2009 bp)








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