24. Oktober 1929.
Mit dem Schwarzen Donnerstag – aufgrund der Zeitverschiebung in Europa der Schwarze
Freitag und der 25. Oktober – verbindet man den bis dahin schlimmsten Börsencrash
der Geschichte. Nachdem der Dow-Jones-Index schon in den Vorwochen einen deutlichen
Rückgang hinnehmen musste, verbreitete sich am 24. Oktober 1929 Panik unter den Anlegern.
Die Börsenkurse brachen stark ein, und viele Anleger waren nach Börsenschluss mit
einem Schlag hoch verschuldet. Birgit Pottler hat anlässlich des Jahrestags mit
Bernhard Emunds gesprochen. Er ist Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik
an der Jesuiten-Hochschule in Frankfurt/Sankt Georgen. 1929 sei konsequent ein Umbau
des Finanzsystems betrieben worden. Heute sei er sich nicht so sicher, dass es einen
grundlegenden Umbau des Finanzsystems gebe, der einen ähnlichen Absturz wie vor 80
Jahren an der New Yorker Börse verhindern würde.
Von der künftigen deutschen
Bundesregierung fordert Emunds klare Maßnahmen, die Erwägungen eines Schattenhaushalts
seien insofern verwerflich, da der Staat Vorbild im Wirtschaften sein müsse.
„Ein
Mentalitätswandel alleine würde nichts bringen. Wir brauchen neue Regeln, und dann
brauchen wir ergänzend einen Mentalitätswandel im Bereich der Finanzwirtschaft. Denn
wir können mit Rückblick auf die letzten zwanzig Jahre feststellen, dass es zwar durchaus
Versuche der Politik gegeben hat, die Finanzwirtschaft zu steuern. Aber die Finanzinstitute
haben dann immer neue Instrumente gefunden, die wenigen Regeln zu umgehen, die es
gab. Wenn also in Zukunft die Regeln verschärft werden, dann kommt es darauf an, dass
in den Finanzinstituten Menschen sitzen, die Regeln nicht nur dem Buchstaben, sondern
auch dem Geist nach erfüllen, und sehen, dass es da um Begrenzungen geht, die langfristig
auch in ihrem eigenen Interesse und im Interesse eines gewinnorientierten Wirtschaftens
sind.“
Deutschland erlebt auch aufgrund der Finanzkrise derzeit die höchste
Staatsverschuldung seiner Geschichte. In den vor dem Abschluss stehenden Koalitionsverhandlungen
wurde unter anderem ein Schattenhaushalt erwogen, um die größten Löcher in den Sozialkassen
vorübergehend zu stopfen. Nun war das Wort Schattenhaushalt noch nicht ausgesprochen,
hagelte es schon Kritik. Inzwischen ist dieses Finanzierungsmodell vom Tisch. Die
Frage an den Wirtschaftsethiker: Wie verwerflich war denn dieser Gedanke überhaupt?
„Der
Gedanke war so verwerflich wie der Hintergrund, aus dem er stammt. Der Rückgriff auf
Schattenhaushalte ist der Rückgriff auf eine Maßnahme, die erst notwendig erschien,
weil die Koalition sich auf Steuerentlastungen verständigt hat. Steuerentlastungen,
für die es im gegenwärtigen Moment überhaupt keinen Spielraum gibt. Dadurch wurde
der ohnehin vorhandene Konflikt zwischen geringeren Einnahmen und steigenden Ausgaben
noch weiter verschärft, und man dachte, man könne mit einer billigen Lösung weiter
kommen.“
Doch im Prinzip wurde für den Staat das gleiche angedacht, was
bereits vorher für die Banken umgesetzt wurde...
„Ja, aber es ist so, dass
der Staat ein anderer Akteur ist: ein Akteur, der von den obersten finanzwirtschaftlichen
Prinzipien darauf verpflichtet ist, die anstehenden Ausgaben in einem Haushalt zu
halten. Gegen diese Prinzipien wurde verstoßen. Schließlich geht es beim Staat um
eine öffentliche Instanz, die in ihrer Rechnungslegung und im Umgang mit Schulden
auch ein Vorbild für die wirtschaftlichen Akteure sein muss.“
Wirtschaft
und Finanzen werden die wichtigsten Punkte der neuen Bundesregierung in den kommenden
Monaten sein. Bereits die Koalitionsverhandlungen wurden ja zum Beispiel von der Pleite
des Versandhauses Quelle begleitet und die Politiker somit immer wieder auf den Boden
der Tatsachen geholt. Wenn Sie als Ethiker diese Verhandlungen und die ersten geplanten
Schritte begutachten – wie tragfähig ist dieser Spagat zwischen der CSU auf der einen
und der liberalen FDP auf der anderen Seite?
„Mit Blick auf die Finanzmärkte
kann man auch loben, dass die Regierung sich darauf verpflichtet, alles daran zu setzen,
dass die G20-Beschlüsse umgesetzt werden. Wir wollen hoffen, dass das auf internationaler
Ebene gelingt. Das ist ein ganz wichtiger Schritt. Darüber hinaus stellt sich die
Frage, inwiefern es der CDU gelingt, eine soziale Signatur der Politik zu erhalten,
die gerade angesichts der Krise notwendig ist; eine soziale Signatur, ohne die die
Menschen das Vertrauen in das politische und wirtschaftliche System verlieren können;
eine Signatur, die erhalten werden muss, damit auch die CDU in vier Jahren noch eine
Volkspartei ist und nicht da steht, wo bei der letzten Wahl die SPD stand, nämlich
im Verlust des Status einer Volkspartei.“