20 Jahre Mauerfall: „Unglaublich, makaber und lächerlich“
Der Magdeburger
Bischof Gerhard Feige ist heute 57. Aufgewachsen in Halle, 1978 in Erfurt zum
Priester geweiht, lebte er fast 40 Jahre in der DDR. Sein Rückblick ist schonungslos: „Je
mehr ich mich persönlich von der DDR entferne, umso unglaublicher, makabrer und lächerlicher
erscheinen mir diese Verhältnisse, die da gewesen sind.“
Kopfschüttelnd
schaut Feige auf die politischen und öffentlichen Debatten, die von der Anfangseuphorie
über Wende und Einheit abgesehen, bis heute nicht abgerissen sind. „Da kann
nur helfen, dass man sich immer wieder begegnet, miteinander beschäftigt und ein aufrichtiges
und ehrliches Interesse füreinander hat. Ich weiß, dass es nicht nur im Osten, sondern
auch im Westen Probleme gibt, und wir müssen auch diese wahrnehmen und uns solidarisch
damit zeigen.“ Ist die innere Einheit gescheitert? Ist Ostalgie für viele der
einzige Ausweg? Feige warnt: „Das sind sehr einfache Fluchtreaktionen in eine
angeblich heile Vergangenheit. Ich selber bin fast 40 Jahre in der DDR groß geworden.
Ich weiß, was es bedeutet hat, dort zu leben. Es gab durchaus würdevolles Leben und
ein herzliches Miteinander, aber das ist auch in einem Gefängnis möglich. Die Rahmenbedingungen
und die menschenverachtende Weise dieses Regimes sollte man auch ganz deutlich in
Erinnerung behalten, um nicht in eine phantastische euphorische Ostalgie zu verfallen.“
Ein
Wunder wie das von 1989 scheint heute vielen unwirklich, in Zeiten von Kurzarbeitergeld
und Hartz IV, von Landflucht, Abwanderung der jungen Generation und Ärztemangel schier
unmöglich; selbst das Sommermärchen, das erst vor drei Jahren zumindest im Geiste
noch einmal einen Großteil der Deutschen vor dem Brandenburger Tor vereinte, ist nicht
mehr greifbar. „Alles hat seine Zeit“, meintBischof Feige: „Alles
hat seinen Kairos und momentan ist die Stimmung nicht so, dass eine solche Aufbruchsbewegung
denkbar wäre. Wir bräuchten tatsächlich innerlich und äußerlich einen Mentalitätswandel
in unserer Gesellschaft.“ (rv 22.10.2009 bp)