Afrika-Synode: Migration mit Kurs auf die Festung Europa
Migration von Afrika nach Europa ist eines der sozialen Themen, das den afrikanischen
Bischöfen bei ihrer Synode im Vatikan besonders unter den Nägeln brennt. Ein reales
Problem, das viele Facetten hat. Zum einen das Drama der Boatpeople auf dem Mittelmeer
mit Kurs auf die „Festung Europa“, zum anderen der Aderlass bestimmter afrikanischer
Regionen an Jugendlichen und wertvollen Arbeitskräften. Viele afrikanische Synodenväter
zeigten sich in ihren Stellungnahmen geradezu verärgert über die abwehrende Haltung
Europas gegenüber afrikanischen Bürgern, hat Gudrun Sailer beobachtet.
Ob
ein Asylantrag angenommen oder abgeschmettert wird, ist derzeit für Migranten in der
EU ein Hasardspiel. Jedes der 27 EU-Länder entscheidet auf eigenen Grundlagen. Nun
arbeitet die Europäische Union daran, das Asylrecht zu vereinheitlichen; einen entsprechenden
Vorschlag hat die EU-Kommission an diesem Mittwoch präsentiert. Was bei der Asyl-Debatte
in Europa aber meistens völlig aus dem Blick bleibt: Migration ist ein Menschenrecht.
Daran erinnerte bei der Afrika-Synode unter anderem Charles Palmer Buckle, Erzbischof
von Accra in Ghana:
„Menschen haben das Recht, hinzuwandern wo sie wollen.
Wenn Europa versucht, andere Leute aus Europa auszuschließen - und manche Regelungen
sind jetzt vorgekommen, die gegen das Menschenrecht verstoßen -, dann fragen wir:
Was hat das zu bedeuten für Europa, das uns in Afrika die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte gebracht und immer darauf gedrängt hat, dass unsere Regierungen hier
die Menschenwürde und die Menschenrechte wahren?“
Ganz ähnlich sieht es
der nigerianische Prälat und Synodenvater Obiora Ike, der seinerzeit in Bonn und Innsbruck
Theologie studierte.
„Wir haben es mit einer neuen Migration zu tun, aber
die ganze Welt war immer in Bewegung. Die ganze Welt ist nichts anders als eine Migration
von einer Agrargesellschaft zu einer Industriegesellschaft. Es gehört zu unserem Menschsein
und unserer Kultur, zu gehen wo man Platz findet und Möglichkeiten hat.“
Die
neuen EU-weit einheitlichen Regelungen der Frage, wann ein Asylantrag anzunehmen ist,
sehen unter anderem vor, dass Aufnahmeverfahren in erster Instanz binnen sechs Monaten
abgeschlossen sein sollen. Außerdem müssen die Behörden des jeweiligen Landes Asylsuchende
über ihre Rechte informieren. Das gelte auch für Bootsflüchtlinge aus Afrika, sagte
Justiz- und Sicherheitskommissar Jacques Barrot. Ein klarer Verweis auf Italien, das
seit einigen Monaten die Praxis pflegt, Boote mit afrikanischen Flüchtlingen einfach
zurück zur libyschen Küste zu eskortieren, ohne etwa zu prüfen, ob im Herkunftsland
der Betreffenden ein blutiger Bürgerkrieg tobt, was eindeutig Asylgrund ist. Obiora
Ike:
„Afrikaner wollen überhaupt nicht nach Europa kommen. Sie kommen aufgrund
von Mängeln, wirtschaftlichen oder politischen, wegen Unterdrückung, Kriegen. Niemand
soll sagen, bleib doch in einer Kriegsfront, wo Bomben fallen. Wir haben über 15 Millionen
Vertriebene, Leute, die ihre Heimat verlassen müssen. Denken wir an Darfur.“
Doch
anstatt soziale Gründe als Asylmotive zu beachten, habe die EU ausschließlich ihre
Wirtschaft im Blick, kritisiert Erzbischof Palmer Buckle. Die europäischen Länder
nähmen eine „Selektion“ von Einwanderern aufgrund ihrer Bildung vor – nicht aufgrund
ihrer Schutzwürdigkeit.
„Leute mit Ausbildung kommen ganz einfach an Visa
und erhalten alle Unterstützung, um hier in Europa zu bleiben und sich einzubringen.
Warum muss man diese Selektion vornehmen einerseits in das, was Europa gefällt und
andererseits das, was es weniger gut findet? Wir beklagen uns ganz besonders über
diese Ungerechtigkeit. Unsere Leute kommen hierher, sind Migranten und Asylbewerber.
Aber ihre Menschenwürde, die müssen wir verteidigen.“
Palmer Buckle lobt
die europäischen Ortskirchen wegen ihres Einsatzes für Migranten ausdrücklich, meint
aber, vielleicht sei da noch nicht genug getan. Auch Obiora Ike findet: Das Potential
der europäischen Katholiken, ihre Bereitwilligkeit, Fremde aufzunehmen, ist noch nicht
so recht ausgeschöpft.
„Migration ist ein Thema, as afrikanischen Bischöfen
und der ganzen Weltkirche am Herzen liegt. Einmal: Migranten sind Menschen, sie haben
Respekt verdient. Sie haben vieles verlassen und verloren, sie müssen ein Trauma verarbeiten.
Sie haben Kinder, die zur Schule gehen. Und Jesus sagt – ich war obdachlos, ich war
fremd, und ihr habt mich aufgenommen. Das ist ein Auftrag des Evangeliums!“
Wenn
die EU sich nun eine einheitliche Grundlage für Asylanträge geben will, findet Ike
das grundsätzlich in Ordnung:
„Dass die EU eine Ordnungssicherheit hat
- das darf sie. Nur soll das auf eine Art sein, dass man nicht Afrikaner diskriminiert.
Und wir sehen, dass das gemacht wird.“
Doch wenn der nigerianische Priester
auf die Jahrhunderte der Ausbeutung Afrikas durch den Westen zurückblickt, hält er
solche Regelungen, die möglicherweise in Jahren in Kraft treten, für eher kleinlich.
„Es waren europäische und amerikanische Sklavenhändler, die mehrere Jahrhunderte
lang Afrikaner geholt und gegen ihren Willen auf die Plantagen gebracht haben. Man
hat sie wie Waren verkauft. Am Ende der Sklavenhändlerei sind Europäer nach Afrika
gekommen. Man hat sie nicht eingeladen, und sie haben auch keinen Visaantrag gestellt.
Sie haben Afrika unter sich aufgeteilt - Schwarzafrika, deutsches Afrika, französisches
Afrika. Man hat die Afrikaner nicht gefragt, dürfen wir kommen? Man kam einfach, nahm
Ressourcen, nahm Menschen, regierte, und Afrikaner dürfen nicht darüber reden. Am
Ende der Koloniezeit hat man Afrikaner in Verwirrung zurückgelassen, dann kam der
Kalte Krieg, und Afrika war Schauplatz. Jetzt sind Ost und West versöhnt, und Afrika
ist der Feind. Und dann fragt man nach Gerechtigkeit? Welche Gerechtigkeit? Es ist
doch eine Frage der geschichtlichen Tatsachen: Man hat einen Kontinent 400 Jahre lang
versklavt, 100 Jahre lang kolonisiert, dann kamen Globalisierung und Neo-Kolonialismus.
Ein paar multinationale Konzerne haben größere Budgets als die von 53 afrikanischen
Nationen zusammen!“
Freilich habe auch und gerade Afrika selbst einen
Auftrag, gegen Migration zu kämpfen, das heißt, Voraussetzungen dafür zu schaffen,
dass Jugendliche ihre Zukunft im eigenen Land sehen. Korrupte Regierungen seien abzuwählen,
Gesundheitswesen und Bildung zu stärken.
„Wenn wir in Afrika Infrastrukturveränderungen
haben, gute Straßen, Strom fließt, Schulen sind gebaut, warum müssen wir Millionen
unserer Ärzte und Lehrer im Ausland haben? Einmal hat man sie mit Gewalt dorthin gebracht,
und jetzt gehen einige von ihnen freiwillig dorthin. Aber Afrika gibt nicht auf, denn
in vielen Ländern Afrikas, in Südafrika, Nigeria, Kenia, Tansania, gibt es eine Demokratie
von unseren eigenen Kräften aus. Denn die afrikanischen Menschen glauben an sich selbst“
Wir haben einen Glauben an Gott, das ist uns gegeben, und wir haben einen Glauben
an den Menschen. Und wenn man uns nicht stört, sodass wir unsere Sachen in Ordnung
bringen können, sind wir in der Lage, Verbesserungen zu machen. Afrika hat viele Freunde,
die uns unterstützen für eine verlässliche, ehrliche, langfristige Entwicklung. Und
letztlich: Wenn Afrika steht, steht Europa.“