Die Krise in Darfur
im Westsudan wirke wie „Peanuts“ im Vergleich zur derzeitigen Lage im Südsudan. Das
sagte im Gespräch mit uns der Erzbischof von Khartoum, Kardinal Gabriel Zubeir Wako,
der bei der Afrikasynode im Vatikan vertreten ist. Die instabile Situation im Süden
gefährde derzeit den Frieden im ganzen Land. Die internationale Gemeinschaft habe
zwar im Moment wenig Einflussmöglichkeiten, sie sollte sich aber zumindest darum bemühen,
eine Verschärfung des Konflikts zu verhindern, sagte der Kardinal in der Synodenaula.
Zur
Art der Gewalt sagte Zubeir Wako: „Es ging aus von Gewalt zwischen Stämmen.
Und dann kam die Instrumentalisierung durch die Politik. Bestimmte Machthaber rekrutierten
hier ihre Kämpfer und gaben ihnen Waffen. Denn ich glaube nicht, dass Waffen ins Land
kommen, ohne dass jemand sie bezahlt. Jetzt richtet sich die Gewalt gegen unschuldige
Dörfer. Während die früheren Reibereien zwischen Stämmen gewissermaßen ein Ziel hatten
– Zugang zu Wasser und Weidegründen und Ähnliches – gehen die Krieger jetzt einfach
herum und schlachten wahllos Leute ab. Es sind Massaker, es ist ein Töten ohne Ziel.
Und die Opfer sind eher Kinder und Frauen als Männer. Sie treiben sie zusammen und
schießen sie tot. Es gibt keine Situation von Krieg, die so etwas rechtfertigen würde.“
Der Süden hat eine gewisse Autonomie innerhalb des Sudans. Das
nehme die Zentralregierung zum Vorwand, nicht das geringste gegen das Schlachten zu
unternehmen, so der Kardinal. Die Stimme der Kirche werde im Südsudan nicht gehört.
Anders liegen die Probleme im muslimisch dominierten Norden des Landes. „Die
Frage der Rechte der Christen ist dort noch lange nicht ausgestanden. Es gibt viele
Erklärungen über eine positivere Politik gegenüber Christen. Im Friedensabkommen vor
vier Jahren etwa stand, dass bestimmte Gesetze revidiert werden sollten, die die Rechte
von Nicht-Moslems einschränken. Bloß: Inzwischen hat das Parlament beschlossen, diese
Gesetze beizubehalten. Das verursacht Reibungen. So können wir als Kirche beispielsweise
im Nordsudan keine Kirchen bauen, und man bereitet uns Schwierigkeiten, Grundstücke
für unsere Aktivitäten zu erwerben. Priester dürfen nicht ausreisen, und sie müssen
zum Heer, im Gegensatz zu muslimischen Geistlichen. Neuerdings gibt es eine Regierungskommission
für die Rechte der Nicht-Muslime. Das ist eine Kommission auf Papier.“ Vor
den gewaltigen sozialen und politischen Missständen gerate völlig aus dem Blick, wie
positiv die Arbeit der Kirche im Sudan ist, hob Zubeir Wako im Gespräch mit uns hervor:
„Eine Sache, von der wir uns wünschen, dass die Synode und die Weltkirche sie
zur Kenntnis nimmt, ist: Es gibt eine Kirche im Sudan – und sie funktioniert. Über
all die Jahre des Krieges hinweg waren wir die einzige Größe, die immer an der Seite
der Leute geblieben ist.“ In der sudanesischen Hauptstadt Khartoum
etwa – dem Erzbistum Zubeir Wakos – bemühte sich die Kirche sehr um eine besondere
Form der Investition in die Zukunft, nämlich in Bildung. Allein: ohne bleibende materielle
Hilfe von Außen ist dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt. „In den 80er
Jahren öffneten wir in Khartoum 120 Volksschulen, an denen 42.000 Kinder unterrichtet
wurden. Dahinter stand die Bemühung, diese Kinder weg von der Straße zu bekommen und
sicherzustellen, dass wir in Zukunft ausgebildete Laien haben, die für die Entwicklung
des Landes und für die Verteidigung der Armen arbeiten können. Leider mussten wir
dieses Projekt einstellen, weil uns die Mittel ausgingen. Denn jene, die uns unterstützt
hatten, sagten uns: Europa steckt jetzt selbst in der Krise, und überdies ist eure
Regierung jetzt soweit, die Schulen selber zu tragen. Ich habe einige von diesen Leuten
nach Khartoum eingeladen, ihnen Kinder gezeigt, die jetzt wieder auf der Straße sind,
und sie gefragt: „Wenn sich jetzt die Regierung um diese Kinder kümmert, warum sind
sie nicht in der Schule?“ (rv 16.10.2009 gs)