2009-10-14 12:28:28

D: Marx im Landtag, „Religion ist keine Privatsache“


„Religionsausübung ist keine Privatsache“. Das hat der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, bei einem Vortrag im Bayerischen Landtag betont. Dort sprach Marx am Dienstagabend zum Thema „Staat und Kirche im säkularen und multireligiösen Spannungsfeld“. Dabei unterstrich der Erzbischof, Religion sei eine öffentliche Angelegenheit. Denn sie trage zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft bei. „Die Idee einer positiven Neutralität des Staates gegenüber der Religion geht davon aus, dass der säkulare Rechtsstaat sich nicht aus sich selbst begründen kann, sondern auf andere Sinnstifter angewiesen ist.“

Der freiheitliche Verfassungsstaat sei auf Religion angewiesen, denn sie schaffe seine Wertebasis, so Marx: „Denn die weltanschauliche Neutralität des Staates meint keineswegs eine Wertneutralität des Staates.“


Kirche und Staat seien aufeinander bezogen zu betrachten. Das stelle ihre Trennung jedoch nicht in Frage, stellte Marx klar. „Die weltanschauliche Neutralität des Staates ist vielmehr auch im Interesse der Kirche und der Religion. Auch die Kirche tritt für die Religionsfreiheit anderer Religionen ein“, sagte der Erzbischof. Nicht zuletzt habe die Deutsche Bischofskonferenz im September 2008 hervorgehoben, dass den Muslimen in Deutschland der Bau von würdigen Moscheen ermöglicht werden müsse.


Der Staat ist nach Meinung von Marx dennoch nicht verpflichtet, alle Religionen völlig identisch zu behandeln. „Bei der Ausgestaltung des staatlichen Verhältnisses zu den verschiedenen Religionsgemeinschaften sind die verschiedenen Religionen an ihrem konstruktiven Beitrag zu Staat und Gesellschaft zu messen, wenn der Staat seine Grundlagen und seine Freiheitsfähigkeit langfristig sichern will“, betonte Marx.


Der Erzbischof zeigte sich besorgt über das intellektuelle Niveau der zunehmenden Kritik am Staatskirchenrecht. „Eine kämpferische Gegnerschaft zur Kooperation von Staat und Kirche gibt es seit jeher; verheerend ist jedoch die zunehmende Unkenntnis über die Funktion von Religion im freiheitlichen Rechtsstaat und über das Verhältnis von Staat und Kirche, die eine angemessene Einordnung solcher Kritik am Staatskirchenrecht verhindert“ erklärte Marx.


Vor diesem Hintergrund solle in Deutschland die im Grundsatz positive Ausgestaltung des Kooperationsverhältnisses von Staat und Kirche verdeutlicht werden, forderte Marx: „Das entpflichtet den Staat und die Religionen nicht, sich auch im Staatskirchenrecht den Herausforderungen zu stellen, die sich durch Säkularisierung und religiöse Pluralisierung ergeben.“ Die Kirche scheue eine solche Diskussion nicht; sie sei vielmehr auch aus kirchlicher Sicht durchaus wünschenswert, um einerseits das Verhältnis des Staates gegenüber den verschiedenen Religionen deutlich zu machen sowie um andererseits das Verständnis für das bestehende Verhältnis von Staat und Kirche zu schärfen.


In der neuen Reihe „Landtag im Gespräch“ sollen aktuelle Gegenwarts-Themen aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert werden. Landtagspräsidentin Barbara Stamm will dazu Gastredner einladen, die neben ihrer Sachkompetenz über Integrationskraft, Weitsicht und Visionen verfügen, teilte der Bayerische Landtag mit. Den Anfang dieser Reihe machte Erzbischof Marx. Er sei für die Premiere eingeladen worden, weil das Verhältnis von Staat und Kirche seit Jahrhunderten immer wieder für Diskussionsstoff in ganz unterschiedlichen Ausprägungen sorge, sagte Stamm am Dienstagabend. Dank der Trennung von Staat und Kirche sei unser Staat heute weltanschaulich offen, was aber nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden dürfe.  Angesichts der Herausforderungen von unterschiedlichen Religionen bestehe ein großes Potential an Gesprächs- und Diskussionsbedarf über die Stellung von Kirche und Staat, erklärte die Landtagspräsidentin.

(pm/rv 14.10.2009 ad)










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