Bei der Afrika-Bischofssynode
zum Thema Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden hat an diesem Montagabend ein mit
Spannung erwarteter Gast seinen Vortrag gehalten: Jacques Diouf, Chef der UN-Organisation
für Ernährung und Landwirtschaft FAO und selbst Afrikaner aus dem Senegal. Bei der
anschließenden Fragestunde musste er durchaus kritische Fragen einiger Synodenväter
beantworten. Gudrun Sailer berichtet.
Afrika wird in den nächsten 40 Jahren
zum „Kontinent der Zukunft“ werden, sagte Diouf vor der versammelten Synode und dem
aufmerksam zuhörenden Papst Benedikt. Bis 2050 wird sich seine Bevölkerung auf zwei
Milliarden verdoppelt haben. Mit seinen ungeheuren Bodenschätzen ist der Kontinent
schon lange nicht wegzudenken von der Landkarte der Weltwirtschaft.
Allerdings:
Afrika braucht dringend eine wirtschaftliche Emanzipation, und dazu sind Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit vor dem Recht unerlässlich – ganz besonders, um
die „dramatischste und inakzeptabelste Geißel des Kontinents“ zu bekämpfen: den Hunger,
so Diouf. Von 30 Ländern, denen die FAO heute Nahrungsmittelhilfe gewährt, seien 20
in Afrika.
Nahrungsmittelsicherheit sei in erster Linie eine politische Angelegenheit.
Es gebe heute auf der Welt genug Ressourcen, genug Geld und genug Technologien, um
den Hunger auszurotten. Die wichtigsten Investitionen für Afrikas Bevölkerung seien
aber die in traditionelle, kleinbäuerliche Landwirtschaft.
Vor Papst und Bischöfen
lobte Diouf ausdrücklich den Einsatz der katholischen Kirche für die Ärmsten. „Die
Missionare, Ordensfrauen und zahlreiche Gemeinschaften leisten oft eine schwierige
und undankbare Arbeit, die freilich der Zivilgesellschaft immer hilfreich ist“. Von
daher leiste die katholische Soziallehre einen beachtlichen Beitrag zur Entwicklung
Afrikas. Der Moslem Diouf wies auch auf übereinstimmende Meinungen von Kirche und
Islam über soziale Verantwortung hin, die unvereinbar sei mit Exzessen und Plünderungen.
Gibt es einen echten politischen Willen, den Hunger auszurotten? Warum ist
Öl in Afrika billiger als Essen? Wie steht die FAO zum Anbau genetisch veränderter
Organismen in Afrika, um das Ernährungsproblem zu lösen? Wozu ist eine Welternährungsorganisation
gut, wenn es heute mehr Hungernde als jemals zuvor in der Geschichte gibt? Mit diesen
Fragen konfrontierten Synodenväter den FAO-Chef.
Der Schlüssel, entgegnete
Diouf, liege in der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität. Für kleinteilige
Landwirtschaft sei die Atmosphäre in den letzten zwei Jahrzehnten ungünstig gewesen.
„Aber gleichzeitig ist es einem Land wie Vietnam gelungen, vom Reis-Importeur zum
zweitgrößten Reis-Exporteur der Welt zu werden“. Auch Afrika biete Beispiele für eine
solche Entwicklung. In einigen Ländern produzierten die Bauern genug Nahrungsmittel
für alle und könnten überschüssige exportieren. In anderen, auch afrikanischen Nationen
reichten 80 Prozent Bauern nicht aus, um das Land zu ernähren. Es sei also keine Frage
des menschlichen Einsatzes, sondern der Werkzeuge, etwa ganz simpel der Infrastruktur.
Allerdings: In genetisch modifizierten Organismen sieht Diouf keinen Ausweg
aus der Hungerkrise. „In bestimmten afrikanischen Regionen gibt es keine Straßen,
keine Bewässerung, keine Lagerhäuser, was 40 bis 60 Prozent der Ernte vernichtet –
und wir sprechen von genetisch modifizierten Organismen, die eine totale Fremdkontrolle
des Anbaus mit sich bringen?!“ rief Diouf aus. Interessant ist seine Position auch
deshalb, weil die Päpstliche Akademie der Wissenschaften vor einigen Monaten eine
Konferenz zum Thema Gen-Food veranstaltet und dabei, wie Kritiker aus Öko- Kreisen
beanstandeten, ausschließlich Befürworter der neuen Technologie eingeladen hatte.
Papst Benedikt XVI., der Diouf in der Synodenaula zuhörte, wird übrigens beim
bevorstehenden FAO-Welternährungsgipfel in Rom anwesend sein. Am ersten Tag der Sitzungen,
dem 16. November, wird der Papst zu den versammelten Staats- und Regierungschefs sowie
zu den Landwirtschafts-Fachleuten aus aller Welt sprechen, gab der vatikanische Pressesaal
an diesem Dienstag bekannt. Mit einigen Spitzenpolitikern soll Benedikt im Anschluss
auch persönlich zusammentreffen. (rv 13.10.2009 gs)