Mehr als eine Milliarde
Menschen hungern – so lautet in diesem Jahr die traurige Bilanz zum Welternährungstag
am kommenden 16. Oktober. Experten von „Brot für die Welt“ und der Menschenrechtsorganisation
FIAN fordern daher eine grundlegende Reform der internationalen Ernährungsarchitektur.
Wie genau das aussehen soll? Dazu mehr von Mario Galgano
Ein Rekordhoch der
Hungernden trotz Weltrekordernte im Jahr 2008. Dieser unbegreifliche Widerspruch zeige,
dass die internationale Staatengemeinschaft bei der Hungerbekämpfung versagt hat,
kritisiert das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation
FIAN. Das Problem sei eine falsche Schwerpunktsetzung bisheriger Ernährungsprogramme,
sagt FIAN-Pressesprecher Armin Paasch:
„Es hat zwei Schwerpunkte gegeben:
einmal Nahrungsmittelhilfe und dann zweitens die Verteilung von Hybridsaatgut und
Kunstdünger. Alles war darauf ausgerichtet, die Produktivität zu steigern, insbesondere
auch in Entwicklungsländern. Das Problem ist aber, wie ich eingangs gesagt habe, nicht
ein Mangel an Angebot, sondern eine ungerechte Verteilung und ungerechte Verwendung.“ Daher
müssten strukturelle Reformen angeregt werden, erklärt Paasch. Grundlegend sei dabei
eine Stärkung der Landrechte einheimischer Bauern gegen ausländische Investoren. In
Ländern wie Brasilien, Paraguay oder Südafrika hätten Kleinbauern kaum Zugang zu eigenem
Land. Ein weiteres Problem seien die Billigimporte in Drittländer, sagt Armin Paasch:
„Das
Dumping der Industrieländer müsste aufhören. Das heißt diese Länder müssten aufhören,
ihre Exporte so zu subventionieren, dass sie verbilligt auf den lokalen Märkten ankommen
und dann die lokalen Kleinbauern vertrieben werden. Spekulation müsste reguliert werden.
Das war ja ein Hauptfaktor, warum es zu diesen extremen Preissteigerungen vor zwei
Jahren gekommen ist, die ja über einhundert Millionen Menschen zusätzlich dem Hunger
preisgegeben hat. An diesen strukturellen Fragen muss man ansetzen und dass kommt
in den aktuellen Krisenprogrammen noch viel zu kurz.“ Besonders in den Exportsektoren
seien Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen, da es an Aufträgen aus dem Norden
fehlte. Die Entwicklungsländer blieben auf ihren Produkten sitzen. Zudem seien die
Bauern dort nicht in der Lage, Kredite aufzunehmen, etwa zur Modernisierung der Landwirtschaft
– ein Teufelskreis.
Paasch: „Hier spricht man von der so genannten Kreditklemme.
Das hat auch Auswirkungen auf den Süden, insbesondere natürlich auf Kleinbauern, die
überhaupt nicht mehr an Kredite heran kommen und nicht die notwendigen Investitionen
in ihren Betrieben vornehmen können.“
Die internationale Ernährungs- und
Landwirtschaftspolitik müsse transparenter werden. Vom Welternährungsgipfel in Rom
Mitte November, erwarte FIAN daher eine Reform und Stärkung des UNO-Komitees für Welternährungssicherheit,
CSS. Dieses und nicht, wie bisher, die Weltbank sollte künftig die Ernährungspolitik
auf internationaler Ebene überwachen. Damit wäre auch die Mitsprache der Entwicklungsländer
garantiert.
„Das heißt auch, dass die Zivilgesellschaft viel stärker einbezogen
wird, insbesondere auch die Organisationen der Hungernden, das heißt der indigenen
Kleinbauern, Fischer, Landarbeiter. Ganz wichtig ist auch, dass die CSS eine neue
Arbeitsgrundlage bekommen soll, nämlich die Leitlinien für das Menschenrecht auf Nahrung.
Das ist bahnbrechend. Denn damit würde wirklich der Boden dafür bereitet, dass es
eine menschenrechtliche Kontrolle von internationalen Programmen und solchen Reformen
gibt. (domradio/pm/rv 12.10.2009 ad)