„Mit der Wende kamen auch Probleme“ – Ein Geheimpriester erinnert sich
Wenn in diesen Wochen
der friedlichen Revolution gedacht wird, die in Europa vor zwanzig Jahren zum Fall
des Kommunismus geführt hat, so hat dies vor allem für Kirche und Gläubige in den
osteuropäischen Ländern eine besondere Bedeutung. Nach vier Jahrzehnten kommunistischer
Repression konnte sich die Kirche wieder frei entfalten, so auch in der Tschechischen
Republik. Dort wurden Katholiken während des Regimes scharf verfolgt. Viele Bischöfe,
Priester, Ordensleute und Gläubige gingen in den Untergrund, um das geistliche Leben
aufrechtzuerhalten. - Unter den schwierigen Bedingungen und dem allgegenwärtigen Spitzelapparat
war es der tschechischen Untergrundkirche nicht immer möglich, Abstimmungen mit dem
Vatikan zu treffen. So kam es auch zu unautorisierten Weihen verheirateter Männer,
der so genannten „Geheimpriester“. Einer von ihnen ist Jan Kofron. Der 65-jährige
Sekretär des Prager Weihbischofs Vaclav Maly ist heute der einzige verheiratete Priester
römisch-katholischen Ritus, der nicht vom Protestantismus konvertiert ist. Antje Dechert
hat mit ihm über seinen ungewöhnlichen Werdegang gesprochen.
„Die Kommunisten
liebten keine Skandale. Wenn ein Tourist, beispielsweise aus Deutschland, zu uns kam,
konnte er daher in Prag die Liturgie feiern, das war kein Problem. Aber ein authentisches
christliches Leben, das war unmöglich.“
Auf der Suche nach theologischer
Reflexion und der Möglichkeit, seinen Glauben außerhalb der durch das Regime auferlegten
Form zu leben, geriet Jan Kofron in den siebziger Jahren in Kontakt mit der tschechischen
Untergrundkirche.
„Die Untergrundkirche, das war nicht die offizielle Kirche,
die auf einmal im Untergrund leben musste. Man suchte nach neuen Formen, man musste
das tun.“
Ein Salesianerpater, der sein Amt nicht mehr offiziell ausüben
durfte und auf dem Prager Wenzelsplatz Fenster putzte, lud Kofron ein, sich einer
geheimen katholischen Jugendgruppe anzuschließen.
„Das war mein Lebensfreund
und der begann allmählich eine Gruppe von Jugendlichen im Untergrund zu sammeln. Der
hatte ein feine Nase, die ganz ,illegale’ Linie in der Kirche aufzuspüren, wo auch
Verheiratete ordiniert werden konnten und durften.“
Als Sohn eines Regimegegners
durfte Kofron sein Studium im Kommunismus nicht frei wählen und wurde zunächst Agrarwirt
– eine gute Tarnung für sein Wirken in der Untergrundkirche. 1980 wurde er in einer
Prager Wohnung zum Diakon geweiht. Während das öffentliche kirchliche Leben brach
lag, entdeckte der damals 35-Jährige im Untergrund eine neue Spiritualität:
„Wir
fanden neue Tiefen des Gebets, neue Formen der Teilnahme an der Liturgie, möglichst
von allen Beteiligten, Vorbereitungen der Lesungen und Einführungen zu den Lesungen,
Vorbereitungen der Gesänge. Das Studium, das war wichtig. 80 Prozent von uns, Männer
und Frauen, hatten mehr oder weniger die gleiche Vorbereitung wie die Weihekandidaten.“
Keine „Kirche der Hierarchie“, sondern eine „Kirche der Bewegung“, sei
das damals gewesen, berichtet Kofron. Jeder einzelne Gläubige musste Verantwortung
für das Weiterleben der Kirche übernehmen. Dabei machte die Not erfinderisch. Eucharistiefeiern
in Prager Plattenbauten wurden als Familienfeiern getarnt. Die Priester wurden durch
bestimmte Telefoncodes über die Termine informiert. Jan Kofron erinnert sich:
„Man
musste die Liturgie ohne Messgewänder feiern, mit einem einfachen Laib Brot. Als Kelch
für den Wein benutzte man eine einfache Vase. Denn in dem Moment, wo die Geheimpolizei
in der Türe stand, da sah man einfach nur ein Stück Brot auf dem Tisch.“
In
den 80er Jahren gab es eine Reihe von Todesfällen unter den Priestern der Untergrundkirche:
Es fehlte an Nachfolgern. In dieser Situation empfing auch Jan Kofron 1988 auf einem
Prager Dachboden die Priesterweihe. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits verheiratet
und hatte vier Kinder. Als ein Jahr später die Wende kam, brachte sie einerseits die
lang erwartete Freiheit, aber auch kirchenrechtliche Probleme.
„Es kam eine
Art Brief an die geheim Geweihten und die Untergrundkirche mit einem Satz des Dankes.
Dann sprach man aber hauptsächlich davon, dass wir es uns nicht leisten könnten, zweierlei
Kirchen zu haben. Das war ein Irrtum! Denn wir dachten nie, wir seien eine zweite
Kirche. Wir beteten für einen Papst, für unsere Bischöfe. Da gab es gar keine Idee,
etwas Neues zu gründen. Also, das war etwas enttäuschend.“ Der
Vatikan stellte die Gültigkeit der Weihen verheirateter Priester in Frage. Viele wechselten
in den griechischen-katholisch Ritus. Jan Kofron wurde als Laie bei der Kirche angestellt. „Das
war eine innerliche Krise. Man muss sich das so vorstellen: Jeder Mann war überzeugt
von der Gültigkeit seiner Weihe. Das war doch keine Spielerei, tun wir mal so als
ob – nein! Die Weihen waren mit allem Ernst empfangen worden.“
Der Prager
Kardinal Vlk setzte sich im Vatikan persönlich für Kofrons Anerkennung ein. Zwanzig
Jahre nach seiner geheimen Weihe genehmigte Papst Benedikt 2008 Kofrons neue Weihe
„sub conditione“. Die erlebte er als Befreiung – zusammen mit seiner ganzen Familie: „Nach
der Weihe kam ich noch in der Kirche, wo auch viele meine Freunde und Mitarbeiter
waren, zu meiner Frau – mit einem roten Strauß Gerbera. Bei der Hochzeit hatte
ich ihr weiße geschenkt. Und ich habe sie also im Ornat geküsst und die ganze Kirche
hat geklatscht. Das war wirklich ein sehr schöner Augenblick, wo auch sie als Frau
eines verheirateten Priesters von der versammelten Kirche aufgenommen wurde.“