2009-10-09 16:16:26

Synode: „Schrei des Blutes“, Hoffnung und der weibliche Beitrag


RealAudioMP3 Seit Montag Tagen beraten die fast 400 Mitglieder der Sondersynode für Afrika im Vatikan. Unsere Korrespondentin Gudrun Sailer fasst die Beiträge vom fünften Tag zusammen:

Was wäre Afrikas Kirche ohne Frauen?
Den meisten Applaus bei der Afrika-Synode bisher erhielten drei Ordensfrauen, die als Expertinnen sprachen. Alle drei wiesen darauf hin, wie wichtig das Beispiel von Frauen in der ganz konkreten, kleinteiligen Arbeit für Versöhnung und Frieden ist. Eine Schwester aus Ruanda, die als Gefängnisseelsorgerin wirkt, berichtete in einer ergreifenden Stellungnahme davon, wie sie dem Mörder ihres Vaters verzieh und dieser Akt den Mörder in seinen Grundfesten erschütterte. Und doch: „Wir, die Mütter von euch Synodenvätern“ – so formulierte es eine der beiden anderen Schwestern – haben in der Gesellschaft und auch in der Kirche noch immer nicht den uns zustehenden Platz. Man wolle nicht Priester ersetzen, aber „gleichrangige Partner im Weinberg des Herrn sein“ und Entscheidungsprozesse mitbestimmen, sagte die Schwester in Anwesenheit Papst Benedikts. In der Kirche sollte sich keine Gruppe der anderen überlegen fühlen, mehr Zusammenarbeit zwischen Frauen und kirchlichen Autoritäten wäre schön; da sei freilich eine „Konversion der Herzen“ von allen verlangt. Abschließend bat die Ordensfrau die Synodenväter darum, heute Abend vor dem Einschlafen zwei Minuten lang zu überlegen, was die Kirche in Afrika ohne Frauen wäre.

„Heillos zerstritten“
Frieden innerhalb der afrikanischen Gesellschaften muss von innen ausgehen. Er erfordert Frieden auf kleinstem Nenner, beispielsweise innerhalb von Ordensgemeinschaften, hoben eindringlich mehrere Synodenväter hervor, die als Generalsuperioren bei der Synode vertreten sind. Ein Bischof aus der Demokratischen Republik Kongo berichtete von Massakern und Plünderungen, an denen traurigerweise Angehörige katholischer Basisgemeinden mitgewirkt hätten, die doch eigentlich als Orte der Konfliktlösung par excellence entstanden seien. Ein Oberhirte aus der Republik Zentralafrika musste einräumen, über Versöhnung und Frieden nicht im Namen seiner Bischofskonferenz sprechen zu können, sondern nur für sich selbst, weil der Episkopat heillos zerstritten sei und es in den vergangenen Monaten zu Spaltungen zwischen Priestern und Bischöfen bzw. zwischen Priestern und Laien gekommen sei. Das widerspreche ganz klar der Frohen Botschaft.

Aus Burundi kam der Vorschlag zu einem Friedenstreffen für die Region der Großen Seen. Die Regionalisierung der Konflikte erfordere mehr Zusammenarbeit auf interregionaler Ebene. Gute Erfahrungen habe man in Burundi mit der benachbarten Bischofskonferenz von Tansania bei der Betreuung von Vertriebenen und Kriegsflüchtlingen gemacht.

Warnende Töne hingegen aus dem Südsudan: Ein von dort angereister Synodenvater erinnerte an die ernsthafte Gefahr einer blutigen Spaltung zwischen Norden und Süden des Landes. Um „das schlimmste Szenario im Sudan“ zu vereiteln, sei internationale Lobbyarbeit nötig. Beide Landesteile seien dabei, ihre Waffenarsenale aufzurüsten. Der islamisch dominierte Norden wirke auf eine Spaltung hin, so der Bischof, und zwar mit einer „Missionierung“ im Süden, aber auch auf akademischem Grund, nämlich an der islamischen Universität in Khartoum.

„Dialog hat sich bewährt“
Fast alle derzeit ausgetragenen blutigen Konflikte in Afrika haben eine religiöse Dimension. Darauf wies denn auch ein weiterer Synodenvater hin. Nur Bildung, und zwar auch spirituelle Bildung helfe da weiter: „das Verlangen zu verstehen, zu wissen und zu lieben“ müsse geweckt werden. Eine Chance sah der Synodenvater auch in gemischten Ehen. Außerdem sollten die bereits existierenden Kommissionen für Gerechtigkeit und Frieden gezielt nach Personen suchen, die sich für den interreligiösen Dialog einsetzen.

Eine ungewöhnliche Kooperation von Muslimen und Katholiken stellte der Bischof von Mauretanien, Martin Happe, bei der Afrika-Synode vor: Von den rund 120 Mitarbeitern der katholischen Caritas seien mehr als 110 muslimischen Glaubens, berichtete der aus dem westfälischen Sendenhorst stammende Missionar und Bischof vor der Bischofsversammlung. Wie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des katholischen Hilfswerks hätten auch die Muslime schriftlich erklärt, die Grundsätze der Caritas mitzutragen, etwa die gleiche Achtung aller Hilfsbedürftigen ohne Ansehen ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit.

Auch der Erzbischof von Abuja in Nigeria, John Olorunfemi Onaiyekan, zog eine positive Bilanz des Verhältnisses zum Islam. 15 Jahre nach der ersten Afrika-Synode habe sich der Dialog zwischen Katholiken und Muslimen trotz vieler Schwierigkeiten bewährt. Die katholische Kirche könne den Kampf für Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden auf dem afrikanischen Kontinent nicht im Alleingang führen. Onaiyekan forderte die Synode auf, ein weiteres Zugehen auf die islamische Gemeinschaft von der lokalen bis zur kontinentalen Ebene zu beschließen.

Soziale und wirtschaftliche Entwicklung unterstützen
Mindestens fünf Synodenväter sprachen in der Aula von der Bedeutung der katholischen Soziallehre für die afrikanischen Gesellschaften. Der „Schrei des Blutes“ durch Krieg, neue Formen des Kolonialismus, AIDS-Waisen und Mangel an Demokratie mache dies besonders dringlich, so ein Ordensoberer. Aber Afrika sei nicht nur ein Ort des Leidens und der Ausbeutung. Die Kirche habe eine wichtige Chance, die schnelle soziale und wirtschaftliche Entwicklung Afrikas durch die Heranbildung guter und ehrlicher politischer Führer zu leiten. Kurienkardinal Renato Raffaele Martino, päpstlicher „Friedensminister“, regte an, dass besonders afrikanische Parlamentarier, Politiker und Richter mit der katholischen Soziallehre in Berührung kommen sollten. Dazu schlug er die Gründung eines speziellen katholischen Instituts in Afrika vor, das sich um die Verbreitung der Soziallehre kümmern solle.

Auf konkrete Situation achten
Auch andere vatikanische Kurienchefs brachten Aspekte aus ihren Arbeitsbereichen ein. Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone würdigte die unermüdliche diplomatische Arbeit der Nuntien in Afrika, besonders beim Schutz grundlegender Menschenrechte. 50 der 53 afrikanischen Staaten unterhalten heute diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl. Erzbischof Claudio Maria Celli, Präsident des Päpstlichen Medienrates, zeigte sich erfreut über den Boom katholischer Radiosender, heute 163 in allen Teilen des Kontinents.
Interessant der Impuls von Erzbischof Francesco Coccopalmerio, Präsident des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten: Er mahnte die afrikanischen Ortskirchen dazu, ihre eigenen juristischen Kulturen und normativen Traditionen ins kanonische Recht einzubringen. Das kirchliche Gesetzbuch von 1983 lasse Raum dafür. „Wir dürfen den Kirchen in Afrika keine Dinge auferlegen, die unwesentlich sind“, so Coccopalmerio. Allerdings: Von 34 afrikanischen Bischofskonferenzen hätten bisher 20 noch keine so genannten Ausführungsdekrete verabschiedet. Diese bestimmen die Anwendung der allgemeinen kirchlichen Gesetzgebung auf die konkrete Situation in den jeweiligen Ortskirchen.

(rv/kna 09.10.2009 gs)








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