2009-10-03 19:06:35

Italien/D: 400 Jahre Pionierin Maria Ward


RealAudioMP3 Lange Zeit galt sie als Häretikerin. Zu Lebzeiten wurde sie von der Inquisition beobachtet, landete im Gefängnis. In Rom musste sie die Exkommunikation, wenn nicht gar den Scheiterhaufen fürchten. Kein Zweifel: Die Vision der Ordensgründerin Mary Ward von Bildung für Frauen und von einem Leben mitten in der Welt für Ordensschwestern war für ihre Zeit revolutionär. Dass Mary Ward eine „unvergleichliche Frau“ war, „die das katholische England der Kirche geschenkt hat“, wie Papst Pius XII. sagte – diese Erkenntnis setzte sich in den Spitzen der katholischen Welt erst im 20. Jahrhundert durch. Heute ist Mary Ward der Seligsprechung nahe. Und der von ihr gegründete Orden, die Congregatio Jesu, auch bekannt als „Englische Fräulein“, feiert nächste Woche in Rom 400 Jahre Gründungsjubiläum. Gudrun Sailer sprach mit der Generaloberin der Gemeinschaft, der Deutschen Sr. Mechthild Meckl:

„Normalerweise wird so ein Jubiläum wegen eines Geburts- oder Todestages einer Gründerin gefeiert, und bei uns ist es ein Gründungsjubiläum. Es ist in dem Fall, denke ich, auch wirklich angemessener, weil Maria Ward eine Pionierin war – und zwar für alle apostolischen Frauenorden, und darüber hinaus die Voraussetzung geschaffen hat für die apostolische Tätigkeit von Frauen in der Kirche überhaupt. Also auch die Laien können sich auf Maria Ward beziehen. Sie hat einen ganz neuen Weg gezeigt, den es vorher nicht gegeben hat.“

Wenn heute von geweihtem Leben die Rede ist, überwiegt die apostolische Form vor der monastischen. Die Ordensleute, die in der Welt wirken, sind häufiger als jene, die sich, zurückgezogen in der Klausur, Gebet und Arbeit widmen. Im frühen 17. Jahrhundert, zu Maria Wards Zeiten, war das anderes. Ordensleute lebten in der Klausur – etwas anderes gab es nicht.

„Mary Ward war in England und hat den inneren Ruf gespürt, dass sie zwar ein kontemplatives Leben mit Gelübden und Gemeinschaft möchte, aber dass sie zur selten Zeit unter den Menschen sein möchte, aktiv leben und so Verkündigung darstellen möchte. Und dann kamen einige jungen Frauen plötzlich auf sie zu und wollten mit ihr diesen Weg gehen.“

In Flandern – denn in England wurden Katholiken schwer verfolgt – gründete Mary Ward 1609 mit ihren Gefährtinnen das Institut der englischen Fräulein. Sie lebten zwar wie Ordensschwestern, und zwar mit der Ordensregel der Jesuiten, doch gleichzeitig bewegten sie sich frei in der Stadt.
 
„Sie war eine Frau mit der Vorstellung, dass die Schwestern gebildete Leute sind, die Kirche und die Gesellschaft mitgestalten. Und sie hat das über die Schulen auch weithin erreicht. Sie wollte über die Schwestern auf die Schüler wirken, und die Schüler sollten ebenso gebildet sein und die Gesellschaft mit verändern.“

Das Konzept ging auf – die Arbeit der Schwestern wurde allseits geschätzt. Freilich war das Frauenbild in Nordeuropa schon damals ein anderes als in Südeuropa, wo die Zentrale der katholischen Kirche sitzt.

„Interessant, dass sie, sowie sie gewirkt hat in den Schulen und auch außerhalb, anerkannt wurde von den Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, von Maximilian I. in München etwa, oder Kaiser Ferdinand, der die Englischen Fräulein nach Wien holte. Diese Leute haben gesehen: Maria Ward bewirkt etwas. Sie hat eine neue Perspektive, weil es notwendig ist, dass Frauen Bildung haben, dass Frauen Familienleben gestalten über den christlichen Glauben. Die Politiker damals wollten den katholischen Glauben festigen. Sie waren auf der Liga-Seite im 30jährigen Krieg, denn Mary Ward war in Europa während des 30jährigen Krieges aktiv und hat viel für die Kirche gearbeitet. Und während sie vom öffentlichen Leben Anerkennung bekommen hat, wurde sie von der Kirche abgelehnt.“

Genau darüber wollte die mutige Ordensgründerin mit dem Papst reden. Sie wünschte sich die Anerkennung für ihr Werk nicht nur durch die Welt, sondern auch durch ihre Kirche. Und so reiste Maria Ward mitten während des 30-jährigen Krieges dreimal nach Rom – zu Fuß über die Alpen, mit etlichen Gefährtinnen. Unterwegs errichtete sie mehrere Institute, eines davon sogar in Rom selbst. Direkt unter den Augen der Päpste wollte sie ihnen beweisen, was ihre Vision taugte.

„Sie hat beim Campo de Fiori eine Schule für arme Mädchen aufgemacht. 120 Schülerinnen wurden dort kostenlos unterrichtet, und die Eltern waren froh, dass ihre Kinder lesen und schreiben lernen. Sie erwartete sich eine Bestätigung, aber es zeigte sich, dass nach zwei Jahren ein Dekret verfasst wurde, dass die Schule geschlossen werden muss.“

Mit drei Päpsten hatte Maria Ward es zu tun. Von allen blieb sie unverstanden. Sie warfen der Engländerin und ihren Gefährtinnen einen unsittlichen Lebenswandel vor.

„Aber man muss sehen, was das war. Das hat sich dann später in den Anklageschriften gezeigt. Sie hatten ja in ihrem Schulkonzept einen Lehrplan erarbeitet, da gab es Unterrichtsfächer wie Latein, Rhetorik, Theaterspielen – diese Mädchen sollten befähigt werden, öffentlich aufzutreten und für sich zu sprechen. Und das war undenkbar in der damaligen Zeit!“

Dabei gingen die Ideen Mary Wards über die Verbreitung des Glaubens sogar noch weit über den Horizont von Mädchenschulen hinaus. Sr. Mechthild Meckl:

„Maria Ward hatte als Vision, Glauben zu verkünden und zwar in der ganzen Welt. Wo immer die Not ist, dort wollte sie hingehen und auf diese Not antworten, immer im Sinn der Glaubensverkündigung. Sie hat gemerkt, Schule ist ein Mittel, um Glauben zu verkünden. 3.27 das hat sich dann bei uns so zugespitzt, dass wir nur zu einem Schulorden geworden sind. Sie aber hat nebenbei viele andere Wege gesehen, Glauben zu verkünden, also die Pastoral, soziale Arbeitsfelder, die Arbeit in den Pfarreien – es gab viele Möglichkeiten, die sie damals schon gesehen hat.“

1631 zerschlug Urban VIII. die „Englischen Fräulein“ mit einer der härtesten Bullen, die in der Kirchengeschichte bekannt sind. Die Gründerin wurde unter dem Verdacht der Häresie von 1632 bis 1637 in Rom festgehalten, davon neun Wochen inhaftiert, und von der Inquisition überwacht. Mary Wards Vision von Bildung für Frauen und einem Ordensleben ohne Klausur schien dem Untergang geweiht.

„Aber nach ihrem Tod haben ihre Gefährtinnen an dieser Idee festgehalten. Und sie haben im gleichen Lebensstil wieder angefangen, ohne die Erwartung, dass sie als Ordensleute von der Kirche anerkannt wurden.“

Erst 1909, vor 100 Jahren, wurde Mary Ward offiziell rehabilitiert. Seither dürfen die „Englischen Fräulein“ sie wieder als ihre Gründerin nennen. Und der Mary-Ward-Orden "Congregatio Jesu", dem heute 2000 Schwestern angehören, hat längst auch anderswo Früchte getragen. Die Institute der Englischen Fräulein sind auf allen Kontinenten vertreten. Und für Maria Ward läuft seit 1928 ein Seligsprechungsverfahren.

„Im Mai dieses Jahres 2009 wurde die Theologenkommission einberufen, sie hat sich für Mary Ward ausgesprochen, und zwar sehr positiv: Mary Ward als charismatische Frau, als eine Frau, die unserer Zeit etwas zu sagen hat, eine Frau, die in der Kirche für Frauen wichtig ist. Und jetzt warten wir, dass der Papst das letzte Wort spricht!“

Jener Papst, der als kleiner Joseph Ratzinger übrigens einen Kindergarten der Englischen Fräulein besuchte.

„Wir hoffen, jetzt im November oder Dezember könnte die Verkündigung des nächsten Schrittes erfolgen, nämlich Maria Ward als verehrungswürdig anzuerkennen.“

Damit wäre eine wichtige Hürde auf dem Weg zur Seligsprechung für diese große Frau Englands genommen.
(rv 04.10.2009 gs)








All the contents on this site are copyrighted ©.