Die russisch-orthodoxe
Kirche hat an diesem Samstag im oberschwäbischen Weingarten auf dem ältesten und möglicherweise
größten russischen Soldatenfriedhof Deutschland verstorbenen Kriegsteilnehmer gedacht.
Der Soldatenfriedhof ist eng mit dem Namen des russischen Feldherren Alexander Suworow
verbunden, der mehrere Tausend Russen und Österreicher in den Krieg gegen Napoleon
führte und derzeit in Russland intensiv gefeiert und verehrt wird.
Vor
210 Jahren starben in der Weingartener Benediktinerabtei zwischen 2000 und 3000 russische
sowie österreichische Soldaten. Sie wurden, geschwächt vom Feldzug gegen Napoleon,
von den Mönchen versorgt und gepflegt. Bestattet wurden sie im so genannten Russenhölzle.
Und seit dieser Zeit, seit1799, zieht der unwirtliche Platz im Altdorfer Wald viele
Russen an, die dort der toten Soldaten gedenken. So auch heute, als Erzdiakon Georg
Kobro auf dem kleinen Friedhof eine Messe feierte. In seinen Gebeten und Fürbitten
immer wieder zu hören: der Name von Alexander Suworow, dem russischen General, der
die Soldaten 1799 über die Alpen nach Hause führen wollte und der aktuell in Russland
wie ein Nationalheld gefeiert wird. Erzdiakon Kobro:
„Suworow ist der
Inbegriff des nationalen Russentums. Hinzu kommt die orthodoxe, die christliche Komponente:
dass wir zu unseren Verstorbenen ein sehr inniges Verhältnis haben. Es ist in der
katholischen Kirche auch in der Ostkirche: der starke Glaube an das Leben nach dem
Tod, an die wechselseitige Beziehung zwischen uns Hierseienden und den Seelen der
Verstorbenen.“
Einige Gedenksteine erinnern an das Schicksal der Soldaten.
Mal sind sie aufgestellt von Exilrussen, mal von einer österreichischen Organisation,
mal von der russisch-orthodoxen Kirche. Der Soldatenfriedhof war seither Treffpunkt
sowohl von Regimekritikern und Dissidenten als auch von überzeugten Kommunisten. Professor
Norbert Feinäugle von der Pädagogischen Hochschule Weingarten: „Ich
denke, der gemeinsame Nenner für alle ist die Verbindung von Heimat und Kirche. Unter
dem Thema Heimat bzw. Exil konnten sich alle zusammen finden.“
Regimekritiker
und Regimetreue verehren den gleichen Ort. Kann das wirklich funktionieren? Erzdiakon
Kobro: „Das funktioniert ganz einfach: Das einzige, was uns vereint,
als Regimekritiker und überzeugte Kommunisten, ist der Patriotismus, die Heimatliebe.“
Die
meisten Teilnehmer an dem Gottesdienst heute waren Russlanddeutsche, junge wie alte.
Aber auch ein paar Katholiken waren darunter, zum Beispiel Professor Rudolf Meissner: „Was
mir am meisten auffiel ist, dass da immer wieder die Namen von Suworow und Napoleon
fielen. Das wäre in einem deutschen katholischen Gottesdienst so nicht
möglich. Dazu ist unsere Geschichte zu belastet. Ich war beeindruckt, dass die Russen
ganz ungeniert zu ihrer Vergangenheit stehen. Das ist schon beeindruckend. Ein Toter
ist immer auch ein toter Mensch. Und das ist ein Stück Humanitas, das wir hier gefeiert
haben, ein Stück Humanität.“
Die russisch-orthodoxe Kirche in Deutschland
will das Gedenken auch mehr als 200 Jahre, nachdem die Soldaten im Kloster Weingarten
starben, pflegen. Und das ist eine gewisse Ironie der Geschichte: Das Benediktinerkloster
Weingarten wird zum Jahresende geschlossen.