Ja oder Nein zur EU-Reform
von Lissabon? Die Iren haben an diesem Freitag die Wahl. Es ist schon ihre zweite
Volksabstimmung darüber; bei der ersten im Sommer letzten Jahres hatte das „Nein“
die Oberhand behalten – und Europa in eine Krise, offiziell „Zeit des Nachdenkens“,
gestürzt. Jetzt also das zweite Referendum – und wieder wird`s knapp.
Alle
irischen Kirchen haben dazu aufgerufen, für den Lissaboner Vertrag zu stimmen. Wirklich
alle? Nein – ausgerechnet die katholische Mehrheitskirche konnte sich Ende September
nicht zu einer klaren Wahlempfehlung durchringen. Eine Erklärung des Ständigen Rates
der Bischofskonferenz in Dublin warnt lediglich vor Falschinformation über den EU-Vertrag
und rät ansonsten dazu, sich an der Abstimmung zu „beteiligen“. Das fällt deutlich
hinter frühere Pro-Europa-Stellungnahmen führender Köpfe der irischen katholischen
Kirche zurück. Ein eindeutiges Ja zum Lissaboner Vertrag kommt daher nur von den Anglikanern,
den Methodisten und den Quäkern, nicht von der Kirche, der immer noch weit über achtzig
Prozent der Iren angehören.
Über die Gründe für die Vorsicht der Bischöfe läßt
sich nur spekulieren. Aber sicher hat sie mit dem immensen Vertrauensverlust zu tun,
den der Umgang mit Mißbrauchs-Skandalen der katholischen Kirche eingetragen hat. Vor
allem katholische Ordensgemeinschaften hatten über Jahrzehnte den Mißbrauch von Kindern
und Jugendlichen in kirchlichen Einrichtungen vertuscht und geduldet – ein Expertenbericht
darüber hat das Ansehen der Kirche in der irischen Gesellschaft komplett ruiniert.
Da wäre eine Empfehlung der Bischöfe, mit Ja zu stimmen, jetzt vielleicht nach hinten
losgegangen und hätte eher das Nein-Lager ermutigt.
Hinzu kommt, dass vor allem
Abtreibungsgegner in den letzten Monaten die Pfarreien als Basis für ihren Kampf gegen
den EU-Vertrag genutzt haben. Ihr Argument: Die EU will unser strenges irisches Abtreibungsrecht
aufweichen. Bischöfe hielten dem zwar entgegen, das stimme gar nicht und stehe überhaupt
nicht im Lissaboner Vertrag; sie erwiesen sich aber als zu schwach, um den Pfarrern
das Auslegen von Anti-EU-Propaganda in ihren Kirchen einfach zu verbieten. Also: Von
Irlands Kirche kommt zur Abstimmung über die EU nur ein leises Jein.