Die Kirche verlange
keine Privilegien, wolle aber frei wirken können. Das hat Papst Benedikt XVI. am Samstagabend
im Prager Veitsdom betont. Bei einem Vespergottesdienst mit Priestern, Ordensleuten
und Vertretern der Laienorganisationen würdigte das Kirchenoberhaupt die Opfer der
Katholikenverfolgung unter dem kommunistischen Regime. Gleichzeitig ermunterte er
zu neuem Engagement in Caritas und Bildung. Ein Beitrag von Birgit Pottler:
Benedikt
XVI. betrat den Prager Veitsdom mit seiner mehr als tausendjährigen Geschichte durch
die eigens für ihn geöffnete Goldene Pforte. 2.400 Menschen begrüßten den Papst -
unsere Korrespondentin Antje Dechert machte besonders viele Ordensfrauen aus, sakrale
Musik zeitgenössischer Komponisten umrahmte das Abendgebet. Der Papst erinnerte an
die von Extremen geprägte Geschichte der Katholiken Tschechiens:
„Die Schönheit
dieses tausendjährigen Gotteshauses ist in der Tat ein lebendiges Zeugnis für die
reiche Geschichte des Glaubens und der christlichen Tradition eures Volkes – eine
Geschichte, die insbesondere von der Treue derjenigen erhellt wird, die ihre Zugehörigkeit
zu Christus und zur Kirche mit dem Martyrium besiegelt haben.“
Heute, 20
Jahre nach der samtenen Revolution sei die Kirche in vielen Bereichen tätig, habe
aber weiterhin viele Probleme zu bewältigen, so der Papst. Die Folgen der kommunistischen
Herrschaft seien noch nicht vollständig überwunden, gleichzeitig berge die Moderne
neue Gefahren:
„Die Gesellschaft trägt noch die Wunden, die von der atheistischen
Ideologie verursacht wurden, und sie ist oft von der modernen Mentalität des hedonistischen
Konsums fasziniert, die eine gefährliche Krise der menschlichen und religiösen Werte
und das Abtriften in einen grassierenden ethischen und kulturellen Relativismus mit
sich bringt.“
Benedikts Appell: Die Kirche und alle Katholiken sollten
die geistlichen und moralischen Werte in der heutigen Gesellschaft stärken. Mit besonderem
Eifer sollten sich der „Erziehung der jungen Generationen“ widmen. Doch die Rahmenbedingungen
für das Wirken der Kirche sind schwierig: Als einziges der einstigen mitteleuropäischen
Reformländer hat Tschechien die Rechte der katholischen Kirche bis heute nicht staatsvertraglich
geregelt. Ein 2002 ausgehandeltes Konkordat wurde vom Parlament abgelehnt.
Der
Papst lies dieses Spannungsfeld nicht unkommentiert: „Nach dem langen Winter
der kommunistischen Diktatur haben eure christlichen Gemeinden vor 20 Jahren wieder
begonnen, sich frei zu entfalten, als euer Volk … die eigene Freiheit wieder erlangt
hat.“ Nach Jahren der Unterdrückung baue die Kirche jetzt auf gutes Miteinander: „Von
Herzen wünsche ich ein stets wachsendes Einverständnis mit den anderen Institutionen,
sowohl öffentlichen wie privaten. Die Kirche – es ist immer nützlich, es zu wiederholen
– verlangt keine Privilegien, sondern bittet nur darum, frei im Dienst aller und im
Geist des Evangeliums wirken zu können.“