2009-09-27 19:10:30

Papst: Flammendes Plädoyer für akademische Freiheit


RealAudioMP3 Vor der universitären Elite Tschechiens hat Papst Benedikt XVI. ein Plädoyer für die akademische Freiheit gehalten. Nach dem „Sieg des menschlichen Geistes“ über eine totalitäre Ideologie dürfe die Forschung jetzt nicht Beute eines Relativismus werden, der Vernunft und Wahrheit voneinander abkoppele, warnte Benedikt XVI. in einer Rede vor rund 500 Vertretern des akademischen Lebens am Sonntag in der Prager Burg. Eingeladen hatte der Rektor der traditionsreichen Karlsuniversität, Vaclav Hampl. Pater Max Cappabianca berichtet:

Benedikt XVI. erinnerte an den Beitrag der Universitäten zur „samtenen Revolution“ von 1989. Die Reformbewegungen hätten ihren Ursprung gerade an den Hochschulen und in Studentenkreisen:

„Die Sehnsucht nach Freiheit und Wahrheit ist unveräußerlich Teil unseres gemeinsamen Menschseins. Sie kann nie ausgelöscht werden; und wenn sie geleugnet wird, dann gerät, wie es die Geschichte gezeigt hat, das Menschsein selbst in Gefahr. Auf diese Sehnsucht versuchen der religiöse Glaube, die verschiedenen Künste, die Philosophie, die Theologie und andere Wissenschaften – jeweils mit ihrer eigenen Methode – zu antworten, sowohl auf der Ebene der systematischen Reflexion als auch auf der Ebene des korrekten Handelns.“

 
Die Universität habe einen eminent humanistischen Bildungsauftrag:

„Das Konzept einer integralen Bildung, die auf der Einheit des auf der Wahrheit gegründeten Wissens basiert, muss wiedergewonnen werden. Es dient als Gegengewicht zu der in der heutigen Gesellschaft so augenscheinlichen Tendenz zur Fragmentierung des Wissens. Die massive Zunahme von Information und Technologie bringt die Versuchung mit sich, die Vernunft vom Streben nach Wahrheit loszulösen.“
Die Zeit der Eingriffe von Seiten des politischen Totalitarismus sei vorbei so Benedikt. Allerdings sei zu beklagen, dass auf der ganzen Welt die akademische Forschung subtil dazu gezwungen werden, sich dem Druck ideologischer Interessensgruppen und der Verlockung kurzzeitiger utilitaristischer Ziele zu beugen.

„Was wird passieren, wenn unsere Kultur nur auf Modethemen mit geringem Bezug zu einer echten historischen intellektuellen Tradition beziehungsweise auf den am lautesten beworbenen oder am besten finanzierten Ansichten gründet? Was wird passieren, wenn sie sich in ihrer Angst, einen radikalen Säkularismus zu bewahren, von ihren lebensspendenden Wurzeln abschneidet? Unsere Gesellschaften werden nicht vernünftiger, toleranter oder flexibler werden, sondern brüchiger und weniger aufnahmefähig, und es wird ihnen immer schwerer fallen zu erkennen, was wahr, edel und gut ist.“
Benedikt XVI. wandte sich gegen die Auffassung, dass Religion und Vernunft Gegensätze darstellten und erinnerte dabei auch an die Gründung der Karlsuniversität 1347 durch Papst Clemens VI. (1342-1352). 
„Dieses Vertrauen in das menschliche Vermögen, Wahrheit zu suchen, Wahrheit zu finden und nach der Wahrheit zu leben, führte zur Gründung der großen europäischen Universitäten. Gewiß müssen wir dies heute neu betonen, damit wir den intellektuellen Kräften den nötigen Mut für die Entwicklung einer Zukunft wahrer menschlicher Blüte geben, einer Zukunft, die des Menschen wirklich würdig ist.“

 Der Applaus nach der Papstrede war der bisher längste und lebhafteste der Reise. Eine protokollarische Überraschung gab es bei der Begrüßung des Papstes durch einen Studenten der Universität. Der junge Mann, Mitglied der Theologischen Fakultät, erklärte einleitend, dass er in einer bewussten Entscheidung die Grußworte nicht wie vorgesehen auf Englisch, sondern in der Muttersprache des Papstes auf Deutsch sprechen wolle.

(rv / kna 27.09.2009 mc)








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