Der Empfang des Papstes
auf den Straßen in Prag war am Samstag eher verhalten. Natürlich, könnten wir Beobachter
jetzt sagen, nur rund 30 Prozent der Tschechen sind katholisch und das kommunistische
Regime hat wohl ganze Arbeit geleistet. In Brünn wurde rund um den Gottesdienst dagegen
getanzt und gefeiert. Bestimmten da die Pilger aus den Nachbarländern das Bild oder
ist der Unterschied zwischen Hauptstadt und Land so groß? Birgit Pottler hat darüber
mit unserer Prag-Korrespondentin Antje Dechert gesprochen:
„Es waren sicherlich
viele ausländische Pilger anwesend. Die meisten von ihnen, rund 15.000, kamen übrigens
aus der Slowakei. Dennoch war die tschechische Bevölkerung beim Gottesdienst in Brünn
in der Mehrheit. Die Region Mähren ist die mit dem verhältnismäßig höchsten Anteil
an Katholiken. Im Vergleich zur Hauptstadt ist der Katholizismus dort sehr viel stärker
verwurzelt und beheimatet, das hat man der Messfeier sicherlich angemerkt.“
Könnte
es auch sein, dass ein Großteil der Bevölkerung Jubel und Fahnenschmuck zu lange von
oben verordnet bekommen hat?
„Ich denke schon. Verschiedene tschechische
Kollegen, mit denen ich gesprochen habe, haben das Fehlen von Fahnen und offiziellem
Pomp in den Straßen von Prag beziehungsweise heute morgen beim Gottesdienst in Brünn
genau so gedeutet. Fahnen oder Blumen schwenkende Kinder, jubelnde, klatschende Massen,
solche Formen des Feierns wurden zur Zeit der sozialistischen Diktatur bei offiziellen
Anlässen ideologisch missbraucht. Wie mir gesagt wurde herrschte damals bei Staatsfeiern
regelrechter ,Feierzwang’, und ,Anwesenheitspflicht’, wenn man das so sagen kann.
Von daher muss man diese verhaltene Reaktion auf den Papstbesuch, die geringe Sichtbarkeit
dieses Ereignisses in den Straßen, auch dahingehend relativieren. Dahinter darf man
also nicht nur Ablehnung gegenüber dem Papst und der Kirche vermuten.“
Die
Tschechische Republik hat als einziges der einstigen mitteleuropäischen Reformländer
die Rechte der katholischen Kirche bis heute nicht staatsvertraglich geregelt. Ein
2002 ausgehandeltes Konkordat wurde vom Parlament abgelehnt. Kann der Papstbesuch
eine Wende einleiten? Was sagen die Menschen vor Ort?
„Vor der Reise hat
man ja beiderseits betont, dass die Konkordatsfrage bei der Papstvisite kein Thema
sein wird. Allerdings hat gestern am Samstagabend im Anschluss an die Höflichkeitsvisite
des Papstes bei Präsident Vaclav Klaus ein Gespräch zu diesem Thema stattgefunden,
und zwar zwischen Kardinalstaatssekretär Bertone, dem Vatikanbotschafter in Tschechien,
Diego Causero, und dem tschechischen Premierminister Jan Fischer. Dabei ist man überein
gekommen, dass das Konkordat aktuell aus folgenden Gründen keine Priorität hat: Erstens
weil sich das Parlament mit der derzeit für Tschechien weitaus dringenderen Frage
der Wirtschaftskrise befassen muss und zweitens, weil die Beziehungen zwischen Staat
und Kirche, gerade auf lokaler Ebene, auch ohne Konkordat sehr gut sind. Es wird also
von beiden Seiten nicht als dringendes Problem empfunden. Sowohl die Vatikanvertreter
als auch Premier Fischer waren sich aber darüber einig, dass das Thema sobald als
möglich in gegenseitigem Vertrauen wieder aufgenommen wird. Und dieses Vertrauen wurde
durch den Papstbesuch sicherlich gestärkt, obwohl jetzt keine konkreten weiteren Schritte
beschlossen worden sind. Einige, mit denen ich mich hier unterhalten habe, meinten
auch, dass man den Ausgang der Wahlen im Sommer nächsten Jahres abwarten wolle. Vorher
sei nicht mit einem Parlamentsbeschluss zu rechnen.“