2009-09-27 17:28:30

Korrespondentensicht: „Nicht nur Ablehnung“


RealAudioMP3 Der Empfang des Papstes auf den Straßen in Prag war am Samstag eher verhalten. Natürlich, könnten wir Beobachter jetzt sagen, nur rund 30 Prozent der Tschechen sind katholisch und das kommunistische Regime hat wohl ganze Arbeit geleistet. In Brünn wurde rund um den Gottesdienst dagegen getanzt und gefeiert. Bestimmten da die Pilger aus den Nachbarländern das Bild oder ist der Unterschied zwischen Hauptstadt und Land so groß? Birgit Pottler hat darüber mit unserer Prag-Korrespondentin Antje Dechert gesprochen:

„Es waren sicherlich viele ausländische Pilger anwesend. Die meisten von ihnen, rund 15.000, kamen übrigens aus der Slowakei. Dennoch war die tschechische Bevölkerung beim Gottesdienst in Brünn in der Mehrheit. Die Region Mähren ist die mit dem verhältnismäßig höchsten Anteil an Katholiken. Im Vergleich zur Hauptstadt ist der Katholizismus dort sehr viel stärker verwurzelt und beheimatet, das hat man der Messfeier sicherlich angemerkt.“

Könnte es auch sein, dass ein Großteil der Bevölkerung Jubel und Fahnenschmuck zu lange von oben verordnet bekommen hat?

„Ich denke schon. Verschiedene tschechische Kollegen, mit denen ich gesprochen habe, haben das Fehlen von Fahnen und offiziellem Pomp in den Straßen von Prag beziehungsweise heute morgen beim Gottesdienst in Brünn genau so gedeutet. Fahnen oder Blumen schwenkende Kinder, jubelnde, klatschende Massen, solche Formen des Feierns wurden zur Zeit der sozialistischen Diktatur bei offiziellen Anlässen ideologisch missbraucht. Wie mir gesagt wurde herrschte damals bei Staatsfeiern regelrechter ,Feierzwang’, und ,Anwesenheitspflicht’, wenn man das so sagen kann. Von daher muss man diese verhaltene Reaktion auf den Papstbesuch, die geringe Sichtbarkeit dieses Ereignisses in den Straßen, auch dahingehend relativieren. Dahinter darf man also nicht nur Ablehnung gegenüber dem Papst und der Kirche vermuten.“

Die Tschechische Republik hat als einziges der einstigen mitteleuropäischen Reformländer die Rechte der katholischen Kirche bis heute nicht staatsvertraglich geregelt. Ein 2002 ausgehandeltes Konkordat wurde vom Parlament abgelehnt. Kann der Papstbesuch eine Wende einleiten? Was sagen die Menschen vor Ort?

„Vor der Reise hat man ja beiderseits betont, dass die Konkordatsfrage bei der Papstvisite kein Thema sein wird. Allerdings hat gestern am Samstagabend im Anschluss an die Höflichkeitsvisite des Papstes bei Präsident Vaclav Klaus ein Gespräch zu diesem Thema stattgefunden, und zwar zwischen Kardinalstaatssekretär Bertone, dem Vatikanbotschafter in Tschechien, Diego Causero, und dem tschechischen Premierminister Jan Fischer. Dabei ist man überein gekommen, dass das Konkordat aktuell aus folgenden Gründen keine Priorität hat: Erstens weil sich das Parlament mit der derzeit für Tschechien weitaus dringenderen Frage der Wirtschaftskrise befassen muss und zweitens, weil die Beziehungen zwischen Staat und Kirche, gerade auf lokaler Ebene, auch ohne Konkordat sehr gut sind. Es wird also von beiden Seiten nicht als dringendes Problem empfunden. Sowohl die Vatikanvertreter als auch Premier Fischer waren sich aber darüber einig, dass das Thema sobald als möglich in gegenseitigem Vertrauen wieder aufgenommen wird. Und dieses Vertrauen wurde durch den Papstbesuch sicherlich gestärkt, obwohl jetzt keine konkreten weiteren Schritte beschlossen worden sind. Einige, mit denen ich mich hier unterhalten habe, meinten auch, dass man den Ausgang der Wahlen im Sommer nächsten Jahres abwarten wolle. Vorher sei nicht mit einem Parlamentsbeschluss zu rechnen.“

(rv 27.09.2009 bp/ad)








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