2009-09-27 19:09:10

Deutschland spezial:
Was erwartet die Kirche von einer neuen Bundesregierung?


RealAudioMP3 Schuldenabbau, Impulse für den Arbeitsmarkt, Schutz des Lebens sowie eine kinder- und familienfreundliche Politik. Das sind die wichtigsten Forderungen der katholischen Bischöfe an eine neue Bundesregierung.

Lesen und hören Sie Hintergründe von Birgit Pottler:

„Ideale Partei wird es nicht geben“
Bereits im Wahlkampf habe er „die Besinnung auf die zentralen christlichen Werte vermisst“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch vergangenen Freitag. Er habe sich jedoch nie für oder gegen eine bestimmte Partei ausgesprochen, so der Erzbischof, womit er Berichten über ein Radio-Interview Mitte der Woche widersprach.
„Wir wollen, dass die Bürger als mündige und erwachsene Menschen selber entscheiden, wen sie wählen. Sie sollen dabei freilich überlegen, welche Partei, welches Programm sich nach ihren eigenen Vorstellungen in den Politikbereichen besonders gut bewährt, für die wir sensibilisiert haben. Die ideale Partei, die all meine eigenen Vorstellungen in die Praxis umsetzt, die wird es wohl in dieser Welt nicht geben. Aber wichtig ist, zur Wahl zu gehen und damit zu zeigen, dass man mitgestalten will.“
Die Bischöfe achteten auf Themen wie den Schutz des Lebens, eine kinder- und familienfreundliche Politik und Maßnahmen zur ganzheitlichen Bildung des Menschen. Diese Punkte hätten im Wahlkampf eine geringe Rolle gespielt, seien aber wichtige Aufgaben der neuen Bundesregierung.


Lasten gerechter verteilen
Zur Finanzmarktkrise bekräftigte Zollitsch die Forderung der deutschen Bischöfe, die Staatsschulden abzubauen. Keinesfalls wollten die Oberhirten kritisieren, „dass in der Finanzmarktkrise gehandelt worden ist“. „Mit Blick auf die nachkommenden Generationen“ seien aber die Belastungen „ungerecht verteilt“. Dagegen müsse die neue Bundesregierung angehen. Zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung gehörten außerdem „Impulse für den Arbeitsmarkt“:
„Es geht auch darum, darauf zu schauen, dass Arbeit mehr bedeutet, als Geld zu verdienen und zugleich auch heißt, am gesellschaftlichen Prozess teilhaben zu können. Und darum ist es wichtig, diese Frage nicht zurückzustellen.“

Antworten statt Effekthascherei
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick kritisierte bereits vergangene Woche die Effekthascherei seitens der Politiker. Statt flotter Sprüche brauche es Antworten auf die verschiedenen Krisen, auch auf die Fragen nach den Werten.


„Wir brauchen profilierte Programme“
Der deutsche Medienbischof Gebhard Fürst gab den Medien eine Teilschuld an dem „ruhigen Wahlkampf“. Nicht nur die Politiker selbst, auch die Medienvertreter hätten relevante Fragen nicht angesprochen. Am Rand der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda zeigte sich Fürst gleichermaßen überrascht und enttäuscht. Medien hätten die Aufgabe, das Profil von Parteien und Persönlichkeiten abzufragen.
„In der Politik sind die Frage der Bildung und andere Fragen von gesellschaftlicher Relevanz, wie die Frage nach Ehe und Familie, von großer Bedeutung. Ich habe gehört, dass manche Umfragen den Politikern nahe gelegt haben, dass sie nicht so sehr polarisieren sollen, weil Streit und Profilierungssucht bei den Menschen nicht so gut ankommt. Das bedauere ich, weil wir in einer Situation sind, wo wir profilierte Programme brauchen, die für unsere Zukunft geeignet sind, damit wir die schwierigen Zeiten, die noch vor uns liegen, bestehen.“
Provozieren christliche Werte also? Nachdem jahrelang eine Rückbesinnung auf Ethik und Moral öffentlich gefordert wurde und scheinbar ein gesellschaftliches Querschnittthema war? Auch hier kommt offenbar wieder die Finanzkrise zum Tragen. Fürst:
„Wir hören ja seit Jahren das Geschrei um Werte. Wenige aber sagen, war sie mit den Werten wirklich meinen! Von christlicher Seite gibt es sicherlich Werte, die, wenn sie von der Öffentlichkeit korrigiert und von Parteien übernommen werden, zum Konflikt führen und auch zu Abgrenzungen. Ich sage einmal: es ist undenkbar, dass wir ein Wirtschaftssystem beibehalten, in dem Lüge und Betrug wie Schmieröl in der Wirtschaft wirken. Es ist eine klare Aussage, dass wir eine Werteorientierung auch der Wirtschaft brauchen. Es gibt die lange Debatte, Wirtschaft habe eine Eigengesetzlichkeit, es gehe nicht um Werte, sondern um Wettbewerb, aber das ist nicht meine Position. Ich habe immer schon gesagt, dass langfristig nur das Wirtschaftssystem überleben wird, das sich an Werten orientiert, weil alles andere zu Misstrauen und nur noch zum Kampf miteinander führt. Und das destabilisiert die Solidarität und gefährdet unsere Zukunft.“
Zur Wahl zu gehen sei „gleichzeitig Bürgerrecht und Christenpflicht“, so Fürst. Das Evangelium habe immer gesellschaftspolitischen Bezug. In diesem Wahlkampf habe der Bischof von Rottenburg-Stuttgart aber auch eine offensive Haltung seitens der Kirche vermisst.
„Denn wir tragen aus unserem christlichen Glauben heraus die Verantwortung dafür, in die Gesellschaft einzugreifen. Und wir haben unsere Wertvorstellungen und Grundüberzeugungen, von welchen wir sicher sind, dass sie für die Zukunft unserer Gesellschaft wichtig sind. Wir haben etwas einzubringen. Das müssen wir offensiv tun. Wir dürfen uns nicht marginalisieren lassen. Und Wahlkampfzeiten sind immer auch Zeiten, in denen sich die Kirche zu Wort meldet. Das ist mir insgesamt, von der Politik, den Medien und der Kirche selbst her, zu wenig geschehen.“
(rv 25.09.2009 bp)








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