D: Bischöfe versprechen Transparenz und Begleitung
Die Deutsche Bischofskonferenz
will sich verstärkt für die Aufklärung der Situation in katholischen Heimen in der
Nachkriegszeit einsetzen. Alle Einrichtungen seien zu „größtmöglicher Transparenz“
aufgefordert, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch
an diesem Freitag in Fulda. Um Betroffene besser zu begleiten, wolle die Kirche unter
anderem eine bundesweite Telefon-Hotline einrichten. In den kommenden Monaten wolle
die katholische Kirche außerdem den Ursachen für die zahlreichen Kirchenaustritte
auf den Grund gehen und das Seelsorgeangebot verstärken.
Zollitsch nahm am
Vormittag vor Journalisten zu den wichtigsten Themen der Herbstvollversammlung der
deutschen Bischöfe Stellung. Die Beratungen hatten am vergangenen Montag begonnen
und endeten am Donnerstag mit einem Gottesdienst im Fuldaer Dom. Birgit Pottler fasst
zusammen.
Aufklärung „Ausführlich gesprochen“ haben die deutschen
Bischöfe nach Aussage von Erzbischof Zollitsch über die Situation ehemaliger Heimkinder.
Es ginge nicht primär um Entschädigungszahlungen für Misshandlung oder Missbrauch,
sondern darum,
„…dass sich die katholische Kirche mit aller Kraft für eine
größtmögliche Transparenz bezüglich der Heimerziehung im Deutschland der Nachkriegszeit
einsetzt und den Betroffenen Unterstützung bei der Aufklärung anbietet. Es geht tatsächlich
darum, die eigene Biographie und das, was jemand erlebt und erlitten hat, aufzuarbeiten.
Wir setzen uns mit der Vergangenheit auseinander und wollen herausfinden, wie groß
das Unrecht tatsächlich ist.“
Die Träger der Heime sollten Betroffenen
künftig uneingeschränkt Akteneinsicht gewähren. Die Kirche wolle ihr seelsorgerliches
und psycho-therapeutisches Angebot ausbauen. Eine Telefon-Hotline könne Erstkontakte
erleichtern und dann passende Hilfen ermitteln und empfehlen. Der Sekretär der Deutschen
Bischofskonferenz, Jesuitenpater Hans Langendörfer, stellte die Hotline für die kommenden
ein bis zwei Monate in Aussicht.
„Wenn ich eine Hotline anbiete, dann gebe
ich das Signal, die katholische Kirche ist erreichbar. Wir sind ansprechbar und sind
an einer Aufklärung auch von uns aus interessiert.“
Von Kirchennahen… Fulda
ist der historische Tagungsort der Bischofsversammlung. Die Gottesdienste im Dom prägen
und rahmen die Konferenz, sollen die Gläubigen teilhaben lassen an den Beratungen.
Doch in diesem Jahr passten Form und Inhalt nicht zusammen. Die Stadt des heiligen
Bonifatius, der Dom mit dem Grab des Apostels der Deutschen sind eine katholische
Bastion. Die fünf Dutzend Bannerträger aus 150 Kilometer Umkreis, die zum Abschied
Spalier standen, oder der kleine Junge, der mit einem Fotoalbum in der Hand Jagd auf
Bischofsautogramme machte, waren das krasse Gegenteil zu den Menschen, über die das
Gros der Bischöfe während ihrer Zeit in Fulda wohl am meisten gesprochen hatte.
…und
Kirchenfernen Denn begonnen hatte die Konferenz am Montag nicht mit einem
Glocken- sondern eher mit einem Paukenschlag: 28.000 Menschen mehr als im Vorjahr
haben 2008 ihren Austritt aus der katholischen Kirche erklärt. Das Thema stand bis
dato nicht auf der Tagesordnung, bestimmte aber schnell Presse- und Flurgespräche.
In
den kommenden Monaten sollten die Hintergründe dieser Zahlen genau untersucht werden,
kündigte Zollitsch nach den Beratungen der Bischöfe an. Innerkatholische Fragen wie
etwa der Streit um die Piusbrüder (in dem die Deutsche Bischofskonferenz auch nach
den jüngsten Meldungen ihre Position nicht verändert habe und weiterhin auf die Gespräche
im Vatikan vertraue) spielten keine Rolle. Zum einen liegen für 2009 noch keine Zahlen
vor, zum anderen spiegelten die Statistiken einen gesamtgesellschaftlichen Trend wider:
„Das
ist ein Problem der beiden Kirchen, der katholischen und der evangelischen. Ich sage
das nicht zur Entlastung, aber in den letzten Jahren war es so, dass bei der evangelischen
Kirche die Zahl der Kirchenaustritte um ein Drittel höher war als in der katholischen
Kirche. Das zeigt, dass die Probleme gemeinsame sind. Deswegen ist es richtig, zu
fragen, inwieweit die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation oder der Rat
des einen oder anderen Steuerberaters, die Kirche zu verlassen, hier eine Rolle spielen.
Die Frage ist auch, inwieweit die Bindung an Institutionen in unserer Gesellschaft
generell nachlässt. Das spüren die Gewerkschaften und politischen Parteien und das
schlägt sich auch in den Kirchen nieder.
Menschen nicht verärgern Die
Kirche müsse vor sich selbst zugeben, dass sie nur einen Teil der Gläubigen erreiche.
An Lebenswenden, bei Taufe oder Tod eines Menschen, suchten die Menschen jedoch Ansprache.
Bischöfe und alle Seelsorger stünden nicht vor einem strukturellen, sondern einem
theologischen Problem. Bischofskonferenzsekretär Langendörfer:
„Eine Konsequenz
könnte sein, dass wir stärker darauf achten, dass wir allen personellen Engpässen
zum Trotz in den entscheidenden Augenblicken für die Menschen da sind, die ansonsten
wenig von uns erwarten. Auf diese Weise kann man einen Kontakt noch einmal intensivieren.
Wir müssen die Menschen korrekt behandeln, damit sie nicht verärgert sind und aus
dieser Verärgerung heraus die Kirche dann verlassen.“
Katholisch
ist katholisch Der Rechtsstreit im Erzbistum Freiburg um die Form der Kirchenzugehörigkeit
eint indes die Bischöfe. Der Kirchenrechtler Hartmut Zapp hatte zwar seinen Austritt
aus der Körperschaft der Kirche erklärt, nicht aber aus der Glaubensgemeinschaft.
Das Verwaltungsgericht Freiburg gab Zapp recht, das Erzbistum ging in Revision. Scheitert
die Kirche, könnte eine staatskirchenrechtliche Grundsatzfrage die Kirchensteuer in
Frage stellen. Die Bischofskonferenz sieht sich derzeit nicht unter Zugzwang:
„Wir
haben darüber gesprochen, dass es keine verschiedenen Formen der Zugehörigkeit zur
katholischen Kirche geben kann. Wer zur katholischen Kirche gehört, gehört auch zu
ihrer sichtbaren Gemeinschaft. Eine Unterscheidung können wir aus theologischen Gründen
nicht nachvollziehen. Das ist eindeutig und einmütig die Haltung der Deutschen Bischofskonferenz
und jedes Bischofs.“
An Seelsorge nicht sparen Zwar gingen
mit Kirchenaustritten immer auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer zurück. Der wichtigste
Faktor für Haushaltsprognosen der Kirche seien aber die Altersstruktur der Gesellschaft
und die geringe Geburtenrate, betonte Zollitsch. „Wer in 20 Jahren Kirchensteuern
zahlt, muss heute schon geboren sein.“ Um Kosten einzusparen, sollten verschiedene
Einrichtungen auch innerhalb der einzelnen Bistümer noch besser zusammenarbeiten.
Als mögliche Maßnahmen nannte Zollitsch auch den Verkauf von Immobilien. Wichtig sei
die Konzentration auf das Kerngeschäft. So sollten etwa die Entwicklungshilfe und
das Engagement für die Weltkirche nicht zurückgefahren werden. Nach einem Studientag
zu diesem Thema (wir berichteten) bekräftigten die Bischöfe ihre Haltung. Generell
gelte: „Je unmittelbarer etwas der Seelsorge zukommt, desto weniger soll eingespart
werden.“
Integration der Muslime Im
Pressebericht sprach sich Zollitsch außerdem für die Ausbildung deutschsprachiger
islamischer Religionslehrer aus. Sie sei „ein wichtiger Baustein“ sowohl für den interreligiösen
Dialog, als auch für die Integration der Muslime in Deutschland. Es gehe auch darum,
einem Missbrauch der Religion für politische oder wirtschaftliche Interessen entgegenzutreten.
Missbrauch
nein, zu Wort melden ja. Die deutschen Bischöfe haben es in Fulda diese Woche vorgemacht.
Zweifellos mussten sie dabei für die Kirche selbst schmerzhafte Punkte berühren. Das
Te Deum erklang dennoch zum Abschluss der Herbstkonferenz im Fuldaer Dom. Ein Dank
im Voraus. Taten müssen folgen.