2009-09-25 18:11:14

D: Bischöfe versprechen Transparenz und Begleitung


RealAudioMP3 Die Deutsche Bischofskonferenz will sich verstärkt für die Aufklärung der Situation in katholischen Heimen in der Nachkriegszeit einsetzen. Alle Einrichtungen seien zu „größtmöglicher Transparenz“ aufgefordert, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch an diesem Freitag in Fulda. Um Betroffene besser zu begleiten, wolle die Kirche unter anderem eine bundesweite Telefon-Hotline einrichten. In den kommenden Monaten wolle die katholische Kirche außerdem den Ursachen für die zahlreichen Kirchenaustritte auf den Grund gehen und das Seelsorgeangebot verstärken.

Zollitsch nahm am Vormittag vor Journalisten zu den wichtigsten Themen der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe Stellung. Die Beratungen hatten am vergangenen Montag begonnen und endeten am Donnerstag mit einem Gottesdienst im Fuldaer Dom. Birgit Pottler fasst zusammen.

Aufklärung
„Ausführlich gesprochen“ haben die deutschen Bischöfe nach Aussage von Erzbischof Zollitsch über die Situation ehemaliger Heimkinder. Es ginge nicht primär um Entschädigungszahlungen für Misshandlung oder Missbrauch, sondern darum,

„…dass sich die katholische Kirche mit aller Kraft für eine größtmögliche Transparenz bezüglich der Heimerziehung im Deutschland der Nachkriegszeit einsetzt und den Betroffenen Unterstützung bei der Aufklärung anbietet. Es geht tatsächlich darum, die eigene Biographie und das, was jemand erlebt und erlitten hat, aufzuarbeiten. Wir setzen uns mit der Vergangenheit auseinander und wollen herausfinden, wie groß das Unrecht tatsächlich ist.“

Die Träger der Heime sollten Betroffenen künftig uneingeschränkt Akteneinsicht gewähren. Die Kirche wolle ihr seelsorgerliches und psycho-therapeutisches Angebot ausbauen. Eine Telefon-Hotline könne Erstkontakte erleichtern und dann passende Hilfen ermitteln und empfehlen. Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Jesuitenpater Hans Langendörfer, stellte die Hotline für die kommenden ein bis zwei Monate in Aussicht.

„Wenn ich eine Hotline anbiete, dann gebe ich das Signal, die katholische Kirche ist erreichbar. Wir sind ansprechbar und sind an einer Aufklärung auch von uns aus interessiert.“

Von Kirchennahen…
Fulda ist der historische Tagungsort der Bischofsversammlung. Die Gottesdienste im Dom prägen und rahmen die Konferenz, sollen die Gläubigen teilhaben lassen an den Beratungen. Doch in diesem Jahr passten Form und Inhalt nicht zusammen. Die Stadt des heiligen Bonifatius, der Dom mit dem Grab des Apostels der Deutschen sind eine katholische Bastion. Die fünf Dutzend Bannerträger aus 150 Kilometer Umkreis, die zum Abschied Spalier standen, oder der kleine Junge, der mit einem Fotoalbum in der Hand Jagd auf Bischofsautogramme machte, waren das krasse Gegenteil zu den Menschen, über die das Gros der Bischöfe während ihrer Zeit in Fulda wohl am meisten gesprochen hatte.

…und Kirchenfernen
Denn begonnen hatte die Konferenz am Montag nicht mit einem Glocken- sondern eher mit einem Paukenschlag: 28.000 Menschen mehr als im Vorjahr haben 2008 ihren Austritt aus der katholischen Kirche erklärt. Das Thema stand bis dato nicht auf der Tagesordnung, bestimmte aber schnell Presse- und Flurgespräche.

In den kommenden Monaten sollten die Hintergründe dieser Zahlen genau untersucht werden, kündigte Zollitsch nach den Beratungen der Bischöfe an. Innerkatholische Fragen wie etwa der Streit um die Piusbrüder (in dem die Deutsche Bischofskonferenz auch nach den jüngsten Meldungen ihre Position nicht verändert habe und weiterhin auf die Gespräche im Vatikan vertraue) spielten keine Rolle. Zum einen liegen für 2009 noch keine Zahlen vor, zum anderen spiegelten die Statistiken einen gesamtgesellschaftlichen Trend wider:

„Das ist ein Problem der beiden Kirchen, der katholischen und der evangelischen. Ich sage das nicht zur Entlastung, aber in den letzten Jahren war es so, dass bei der evangelischen Kirche die Zahl der Kirchenaustritte um ein Drittel höher war als in der katholischen Kirche. Das zeigt, dass die Probleme gemeinsame sind. Deswegen ist es richtig, zu fragen, inwieweit die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation oder der Rat des einen oder anderen Steuerberaters, die Kirche zu verlassen, hier eine Rolle spielen. Die Frage ist auch, inwieweit die Bindung an Institutionen in unserer Gesellschaft generell nachlässt. Das spüren die Gewerkschaften und politischen Parteien und das schlägt sich auch in den Kirchen nieder.

Menschen nicht verärgern
Die Kirche müsse vor sich selbst zugeben, dass sie nur einen Teil der Gläubigen erreiche. An Lebenswenden, bei Taufe oder Tod eines Menschen, suchten die Menschen jedoch Ansprache. Bischöfe und alle Seelsorger stünden nicht vor einem strukturellen, sondern einem theologischen Problem. Bischofskonferenzsekretär Langendörfer:

„Eine Konsequenz könnte sein, dass wir stärker darauf achten, dass wir allen personellen Engpässen zum Trotz in den entscheidenden Augenblicken für die Menschen da sind, die ansonsten wenig von uns erwarten. Auf diese Weise kann man einen Kontakt noch einmal intensivieren. Wir müssen die Menschen korrekt behandeln, damit sie nicht verärgert sind und aus dieser Verärgerung heraus die Kirche dann verlassen.“

Katholisch ist katholisch
Der Rechtsstreit im Erzbistum Freiburg um die Form der Kirchenzugehörigkeit eint indes die Bischöfe. Der Kirchenrechtler Hartmut Zapp hatte zwar seinen Austritt aus der Körperschaft der Kirche erklärt, nicht aber aus der Glaubensgemeinschaft. Das Verwaltungsgericht Freiburg gab Zapp recht, das Erzbistum ging in Revision. Scheitert die Kirche, könnte eine staatskirchenrechtliche Grundsatzfrage die Kirchensteuer in Frage stellen. Die Bischofskonferenz sieht sich derzeit nicht unter Zugzwang:

„Wir haben darüber gesprochen, dass es keine verschiedenen Formen der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche geben kann. Wer zur katholischen Kirche gehört, gehört auch zu ihrer sichtbaren Gemeinschaft. Eine Unterscheidung können wir aus theologischen Gründen nicht nachvollziehen. Das ist eindeutig und einmütig die Haltung der Deutschen Bischofskonferenz und jedes Bischofs.“

An Seelsorge nicht sparen
Zwar gingen mit Kirchenaustritten immer auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer zurück. Der wichtigste Faktor für Haushaltsprognosen der Kirche seien aber die Altersstruktur der Gesellschaft und die geringe Geburtenrate, betonte Zollitsch. „Wer in 20 Jahren Kirchensteuern zahlt, muss heute schon geboren sein.“ Um Kosten einzusparen, sollten verschiedene Einrichtungen auch innerhalb der einzelnen Bistümer noch besser zusammenarbeiten. Als mögliche Maßnahmen nannte Zollitsch auch den Verkauf von Immobilien. Wichtig sei die Konzentration auf das Kerngeschäft. So sollten etwa die Entwicklungshilfe und das Engagement für die Weltkirche nicht zurückgefahren werden. Nach einem Studientag zu diesem Thema (wir berichteten) bekräftigten die Bischöfe ihre Haltung. Generell gelte: „Je unmittelbarer etwas der Seelsorge zukommt, desto weniger soll eingespart werden.“

 
Integration der Muslime
Im Pressebericht sprach sich Zollitsch außerdem für die Ausbildung deutschsprachiger islamischer Religionslehrer aus. Sie sei „ein wichtiger Baustein“ sowohl für den interreligiösen Dialog, als auch für die Integration der Muslime in Deutschland. Es gehe auch darum, einem Missbrauch der Religion für politische oder wirtschaftliche Interessen entgegenzutreten.



Missbrauch nein, zu Wort melden ja. Die deutschen Bischöfe haben es in Fulda diese Woche vorgemacht. Zweifellos mussten sie dabei für die Kirche selbst schmerzhafte Punkte berühren. Das Te Deum erklang dennoch zum Abschluss der Herbstkonferenz im Fuldaer Dom. Ein Dank im Voraus. Taten müssen folgen.

(rv 25.09.2009 bp)










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