Alarmruf – die Kirche vor dem New Yorker Klimagipfel
Für alle, die in Wien
wohnen: Am Stephansdom hing an diesem Montag ein Riesen-Transparent. 150 Quadratmeter.
Mit dem elften Gebot drauf: „Du sollst nicht zerstören deines Nächsten Klima!“ Das
war, natürlich, eine Aktion von Greenpeace, aber zusammen mit einem kirchlichen Umweltschutzverband.
Die Kirche entdeckt das Thema Klima – und am Dienstag startet der Weltklima-Gipfel
in New York. Ein Bericht von Stefan Kempis.
„Das Klima ändert sich. Die Erde
wird hart, der Regen fällt seltener... Früher haben wir Mais im Mai angepflanzt, jetzt
können wir das erst im Juni tun. Denn der Regen kommt später, und die Regensaison
geht auch schneller wieder vorbei.“ Das erzählt der schottische Kardinal Keith O`Brien.
Er ist nicht etwa unter die Landwirte gegangen – aber er reist oft in arme Länder,
El Salvador etwa, und da haben ihm die Bauern das gesagt. „Man sollte diese Landwirte
lehren, wie sie zu einer besseren Ernte kommen und wie sie besser mit Wasser umgehen
– wenn sie überhaupt welches haben. Wie sie Kanäle anlegen...“
Der Klimawandel
– er trifft vor allem die Armen hart. Der Kardinal wird ärgerlich, wenn er hört, dass
es immer noch Leute gibt, die bezweifeln, dass sich das Klima wirklich ändert. Oder
die sagen, das sei doch nur eine zyklische Sache, wie sie alle paar Jahrhunderte mal
vorkomme: „Es ist mittlerweile ja wohl allgemein anerkannt, dass es den Klimawandel
gibt; und als Wissenschaftler und Theologe nehme ich – zusammen mit vielen anderen
– wahr, dass besonders die Armen unter den Folgen dieses Klimawandels leiden. Darum
bitten wir die Führer der großen Staaten, bei ihrem Gipfel vor allem an ihre Verantwortung
für die Ärmsten dieser Welt zu denken! Es sind ja nicht die armen Länder, die den
Klimawandel hervorrufen, sondern die reichen Länder! Sie müssen also auch eine Lösung
für die Probleme finden.“
Probleme, die man auch schon vor der eigenen Haustür
wahrnehmen kann. „Hier in Schottland gibt es in letzter Zeit immer wieder mal Überschwemmungen
– und wir hatten einen ungewöhnlich warmen September. Aber wir leiden keineswegs so,
wie es die armen Länder tun. Und wenn ich dann nach Nigeria oder Bangladesh reise,
dann sehe ich, was der Klimawandel dort anrichtet! Was mich antreibt: Ich habe da,
finde ich, eine moralische Verantwortung. Papst Benedikt hat das ja in seiner letzten
Enzyklika Caritas in veritate auch sehr schön ausgedrückt: Die Umwelt ist Gottes Geschenk
an uns alle. Darum sagen wir den Führern der reichen Nationen dieser Welt: Denkt an
eure moralische Verantwortung!“
„Einige nennen ihn ja schon den grünen Papst“,
sagt Vatikansprecher Federico Lombardi über seinen umweltbewegten Chef. „Die Stellungnahmen
Benedikts XVI. über Umweltschutz und Bewahrung der Schöpfung sind häufig und durchgängig.
Für den UNO-Klimagipfel in New York in den nächsten Tagen bietet der Papst ein solides
Rüstzeug aus religiösen, Vernunft- und Moralargumenten – für Aktionspläne, vor allem
aber für einen neuen Lebensstil, der mit verantwortlicher Entwicklung zu tun hat.“
Da
kann jeder bei sich selbst anfangen, fügt Kardinal O`Brien an: „Einfache Ziele, die
sich jeder Haushalt stecken könnte: Schluss mit der Verschwendung von Strom, Heizung,
Licht, Wasser! Die Industriestaaten sind verantwortlich für ca. 75 Prozent der schädlichen
Emissionen in die Atmosphäre. Drei Viertel! Der durchschnittliche Australier emittiert
fünfmal mehr als der durchschnittliche Chinese, und ein Durchschnitts-Kanadier 13
mal mehr als ein Durchschnitts-Inder! Das muß drastisch reduziert werden!“
Aber:
„Die Industrienationen müssen das auf freiwilliger Basis tun, keiner kann sie zwingen,
sie dürfen sich auch nicht unter Druck fühlen. Wir appellieren daher an die Gewissen:
Es geht um Fair-play mit der Schöpfung, die allen gehört! Verurteilt nicht andere
gewissermaßen zum Tod!“
Kardinal O`Brien spricht für ein größeres Netzwerk
aus Bischofskonferenzen, kirchlichen Verbänden, Caritas. „Wir sind überglücklich,
wenigstens eine Stimme zu haben, wenn die Großen dieser Welt sich in New York treffen.
Wir versuchen als Kirchenführer, uns zur Stimme der Menschheit selbst zu machen!“