„Wo Friede herrscht, wird die Saat der Gerechtigkeit
ausgesät“
Eine Meditation zum 20. September 2009 von Wolfgang Schonecke: „Wo Friede herrscht,
wird die Saat der Gerechtigkeit ausgesät“ (Jak 3:16-4:3)
„Wo Eifersucht
und Ehrgeiz herrschen, da gibt es Unruhe und jede Art von Schlechtigkeit. Wo Frieden
herrscht, das wird von den Friedfertigen die Saat der Gerechtigkeit ausgestreut.“
So lesen wir heute im Jakobusbrief. Liebe Hörerinnen und Hörer,
Wer meint,
die erste Christengeneration sei eine Enklave himmlischen Friedens inmitten einer
bösen Welt gewesen, der muss sich durch die Texte des neuen Testaments eines Besseren
belehren lassen. Jesus sah selbst seine engsten Jünger immer wieder um den ersten
Platz streiten. Er gab Anweisungen, wie man Konfliktfälle in der Gemeinde zu regeln
habe, und bereitete seine Jünger auf die Notwendigkeit vor, einander sieben mal siebzigmal
zu verzeihen.
In der Gemeinde des heiligen Jakobus in Jerusalem muss es manchmal
auch sehr heftig zugegangen sein. Er redet von Eifersucht und Ehrgeiz, von Streitigkeiten
und sogar von Krieg. Ähnlich sah es wohl auch in Korinth aus, wo sich Parteien gebildet
hatten und die Gemeinde innerlich zerstritten war.
Es ist vielleicht gut,
sich hin und wieder daran zu erinnern, wenn wir in der Kirche von heute Streitigkeiten
über die pastorale Orientierungen und neue komplexe ethische Fragen erleben. War es
richtig, die Piusbrüder in die kirchliche Gemeinschaft zurückzunehmen oder nicht?
Ist es gut, in der gleichen Kirche die alte und die neue Messe zu feiern? Wie viel
Ärger und Resignation gibt es nicht, wenn Gemeinden gegen ihren Willen zu Pfarrverbänden
zusammengelegt werden?
Wenn es schon im Haushalt Gottes manchmal laut zugeht,
dürfen wir uns nicht wundern, dass in die Geschichte die Völker immer wieder von Kriegen
und Konflikten zerrissen werden. Afrika war in den letzten zwei Jahrzehnten ganz besonders
betroffen. Bisweilen tobten mehr als ein Duzend Kriege auf dem Kontinent und hinterließen
Millionen von Toten und Millionen von traumatisierten Überlebenden. In Ländern wie
Angola oder Süd-Sudan hat eine ganze Generation nichts anderes erlebt als Gewalt und
Zerstörung und dabei ihre Bildungschancen verpasst. Frauen müssen ein Leben lang mit
dem Trauma von Erniedrigung und Vergewaltigung leben und lernen, Kinder zu lieben,
deren Gesichter sie jeden Tag an die schlimmsten Momente ihres Lebens erinnern.
Wenn
man in den Krisengebieten Afrika gelebt hat, kann man nur voller Bewunderung sein,
wie die Menschen dort, auch in hoffnungslosen Lagen, nicht den Lebensmut verlieren,
ihre Würde wahren, und jeden Morgen voll Gottvertrauen den Kampf über das Überleben
von Neuem auf sich nehmen.
Als Leiter der Gemeinde in Jerusalem leidet Jakobus
unter den Streitigkeiten in seiner Gemeinde. Er weiß, dass seine Christen berufen
sind, in Frieden zu leben, in einem Frieden, den die Welt nicht geben kann, einem
Frieden, der Geschenk des auferstandenen Christus an die Seinen ist. Um diesen Frieden
in seiner Gemeinde wieder herzustellen, analysiert Jakobus erst ein Mal die Ursachen
des Streites. Er sieht Eifersucht und Ehrgeiz am Werk. Ehrgeiz als Wille, mehr zu
haben und mehr zu sein, als die Anderen. Eifersucht, d.h. nicht ertragen, dass der
Andere mehr hat oder mehr ist. Wo dieser Wille zu dominieren, wo die Begierlichkeit
der Macht die Oberhand gewinnt, da wird am Ende jedes Mittel recht, den eigenen Willen
mit allen Mitteln durchzusetzen, dann ist der Weg offen – wie Jakobus sagt – zu jeder
Art von Schlechtigkeit, bis hin zum Mord. Diese Dynamik kann sich überall entfalten.
In Büros und Betrieben in Form von Mobbing, um den unerwünschten Konkurrenten hinauszuekeln.
Wenn diese unersättliche Gier nach immer mehr Geld, mehr Macht die Eliten einer Gesellschaft
gefangen nimmt, dann kommt es zu den katastrophalen Krisen, wie sie unsere Gesellschaft
heute erschüttert. Um sie zu überwinden, wäre eine spirituelle Revolution nötig.
Wie
die Ursachen der Konflikte und Kriege überwunden werden können, ist auch Thema der
zweiten Synode der Bischöfe Afrikas, die im Oktober in Rom beginnt. Sie sehen die
Kirche in der Mission Jesu verpflichtet, die Menschen mit Gott, mit einander und mit
sich selbst zu versöhnen, um in einem dauerhaften äußeren und inneren Frieden zu leben.
Um das zu erreichen, gibt es eine Bedingung: die Gerechtigkeit zu säen, wie Jakobus
sagt. Die Friedensbotschaft von Papst Johannes Paul II aus dem Jahr 2002 trägt den
Titel: Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung.
Afrika
braucht beides dringend, zunächst einmal mehr Gerechtigkeit. Die Globalisierung hat
auch in Afrika die Kluft zwischen Arm und Reich wachsen lassen. Und das besonders
in den rohstoffreichen Ländern. Die Einnahmen aus Erdölquellen und dem Abbau von Gold
und Diamanten landen zum großen Teil in einer der vielen Steueroasen auf den Konten
in einer kleinen Elite und dienen nicht der Armutsbekämpfung und der Entwicklung des
Landes. Und Afrika braucht Handelsgerechtigkeit, wie sie Papst Paul VI in Populorum
Progressio schon vor 40 Jahren gefordert hat. Mit der weltweiten Verknappung der Ressourcen
stürzen sich die Industrie- und Schwellenländer auf Reichtümer Afrikas und versuchen
die Erdöl und Edelmetalle, Wasser und jetzt auch Land unter ihre Kontrolle zu bekommen.
Die Armen gehen leer aus und verlieren oft noch ihre Existenzgrundlagen. Solch krasse
Ungerechtigkeiten sind Zündstoff für zukünftige Konflikte.
Afrika braucht ebenso
dringend Versöhnung. In Ruanda gibt es kaum jemand, der nicht Familienmitglieder im
Völkermord und den darauf folgenden Kriegen und Massakern verloren hat. Im Ostkongo
sind in den letzten Jahren schätzungsweise fünf Millionen Menschen durch Invasionskriege
der Nachbarn und durch interne ethnische Konflikte ums Leben gekommen. Unvorstellbares
Leid erfüllt die Herzen und damit auch oft Hass und das Verlangen nach Vergeltung
und Rache. Aus meiner Erfahrung in der Arbeit mit Flüchtlingen aus diesem Gebiet weiß
ich, wie menschlich unmöglich es ist, so grausames Unrecht einfach zu vergeben. Viele
sagen: Ich will ja vergeben, aber ich kann nicht. Der Schmerz sitzt zu tief, die Gefühle
sind zu übermächtig. Nur Gott kann die Kraft zur Versöhnung schenken. Aber die Kirche
kann in Wort und Sakrament Vermittlerin der Gnade Gottes sind. Sie kann vor allem
das Beispiel von Versöhnung vorleben. Die zweite Afrikanische Synode will dazu Inspiration
und Motivation sein, damit Friede werden kann.
Und wo brauche ich Versöhnung?
Wo habe ich Unrecht erfahren und kann nicht vergeben? Wie kann ich in meinem Innern
so friedfertig werden, dass ich “die Saat der Gerechtigkeit aussäe“, die zum Frieden
führt?