Tschechische Republik: Kirche hofft auf missionarische Wirkung des Papstbesuchs
Papst Benedikt wird auf seiner bevorstehenden Pastoralreise in die tschechische Republik
auf eine kirchlich und religiös äußerst schwierige Situation treffen. Seit fast 200
Jahren befindet sich die Kirche in Tschechien in einer gesellschaftlich isolierten
Position, die kommunistische Repression tat ihr Übriges. Vorurteile, Entchristlichung
und Zankereien um früheres Kircheneigentum sind die Resultate. Auch die seit der Wende
erhoffte Renaissance der katholischen Kirche blieb bisher aus. Kirchenvertreter in
Tschechien bauen daher auf neue Impulse zur Stärkung des Katholizismus durch den Papstbesuch.
Eine
missionarische Wirkung sollte der Papstbesuch in Böhmen und Mähren haben. Das wünscht
sich der Prager Erzbischof, Kardinal Miloslav Vlk, wie er kürzlich dem slowakischen
katholischen Fernsehender, Tele Lux, sagte:
„Bisher hat Papst Benedikt überwiegend
große Staaten und ihre Bevölkerung besucht. Wir sind ein kleines Volk in einem kleinen
Staat im Herzen Europas. Daher ist es für uns ein besonderer Segen, dass der Heilige
Vater zu uns kommt. Wir erhoffen uns dadurch eine Stärkung des Glaubens im Land.“
Rund
70 Prozent der Tschechen fühlen sich heute keiner Konfession zugehörig. Die Wurzeln
dieser Säkularisierung reichen weit ins 19. Jahrhundert zurück. Damals distanzierte
sich die tschechische Nationalbewegung von der katholischen Kirche. Zu sehr wurde
der Katholizismus mit der verhassten Fremdherrschaft der Habsburgermonarchie in Verbindung
gebracht. Nach der Machtergreifung durch die Kommunisten nach dem zweiten Weltkrieg
litt die Kirche unter Repression und Verfolgung. Kirchliche Aktivitäten kontrollierte
der Staat. Das habe auch die Entwicklung einer lebendigen Laienarbeit verhindert,
so Kardinal Vlk:
„Es ist deshalb notwendig, diese Aktivität anzukurbeln,
indem man Laien an Bereichen wie der Seelsorge beteiligt. Das ist eine große Aufgabe,
vor der insbesondere auch der Klerus steht, dass er Laien verstärkt in die Pastoralarbeit
integriert. Mir scheint es, als seien wir nach und nach ein bisschen vorwärts gekommen,
dennoch ist der aktuelle Zustand nicht ideal. Angesichts der starken Säkularisierung
brauchen wir mehr aktives Zeugnis von Gläubigen. Das ist noch ein Manko, aber zugleich
auch eine Perspektive für uns.“
Der Kommunismus sei jedoch nicht der einzige
Grund für die verbreitete Religionsverdrossenheit seiner Landsmänner, meint dagegen
der tschechische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Pavel Vosalik. Er sieht Versäumnisse
auch auf der anderen Seite. Um die Wende von 1989 hätten viele Tschechen die Kirche
als wichtige Oppositionskraft erlebt, doch die habe ihre Chance verpasst: „Die
Kirche hat, so meine ich, damals die Gelegenheit nicht genutzt. Das Volk war damals
sehr aufnahmebereit. Es ist eine neue Generation herangewachsen, es gibt Menschen,
die nach der Revolution geboren wurden und keinerlei Erfahrungen mit dem Kommunismus
haben. Wenn wir also die Krise in unserem Land nur auf die spirituelle Zerstörung
durch das kommunistische Regime schieben, dann muss ich fragen: Und was ist mit der
jungen Generation?“
Ihr widmet Benedikt XVI. einen ganzen Tag seines Tschechienbesuchs.
Am 28. September, dem Fest des Nationalheiligen Wenzel wird der Papst in der barocken
Wenzelsbasilika in Stará Boleslav, Altbunzlau, gemeinsam mit Jugendlichen einen Gottesdienst
feiern.
„Das wird ein Zeichen für die Zukunft sein“, prophezeit Vatikansprecher
Federico Lombardi. „Der Papst wird viele und starke Botschaften verkünden. Ihm
wird es ohne Zweifel darum gehen, der Kirche in Tschechien Mut zu machen.“
Weiter
wolle der Papst sich für einen herzlichen und glaubwürdigen ökumenischen Dialog einsetzen
sowie im Gedenken an die Wende von 1989 auf die kulturelle und moralische Dimension
der europäischen Einigung eingehen. Die Kirche könne ein einigendes Band zwischen
Ost- und Westeuropa sein, meint auch der tschechische Botschafter beim Heiligen Stuhl,
Vosalik:
„Das ist ein Punkt, den wir in unsere alltägliche Bildung in Europa
aufnehmen müssen. Wir sollten den Papst und den Heiligen Stuhl als wesentlichen Teil
der europäischen Kultur und der europäischen Geschichte sehen, unabhängig davon, ob
man Mitglied der katholischen Kirche ist oder nicht. Wir sollten schlicht sehen, dass
die katholische Kirche fast zweitausend Jahre Geschichte mit der Geschichte und der
Kultur Europas teilt.“
Der Vatikan betont, Benedikts Besuch in Tschechien
ist primär ein spiritueller. Dennoch hoffen Kirchenvertreter, die Reise des Papstes
könne auch einen positiven Impuls für die bisher vertraglich nicht geregelten Staat-Kirchen-Beziehungen
geben. Ungelöst ist auch die Frage um die Rückgabe des Kirchenbesitzes im Wert von
rund 10 Milliarden Euro. Kardinal Vlk:
„Die wirtschaftliche Situation der
Kirche ist auch 20 Jahre nach dem Ende des Kommunismus nicht klar. Das resultiert
aus dem fehlenden Willen der Politiker. Sie wollen das Problem gar nicht lösen. So
sind wir, was die Gehälter unserer Priester angeht auf staatliche Gelder angewiesen.
Wir möchten aber auch in diesem Bereich ganz frei sein. Die Verhandlungen mit dem
Staat laufen zwar, aber keine der bisherigen Regierungen war offen genug, um eine
Lösung des Konflikts herbeizuführen.“
Viele offene Fragen also erwarten
den Papst in Tschechien. Dass die katholische Kirche trotz aller Schwierigkeiten dort
kulturell beheimatet ist, versinnbildlicht nicht zuletzt die Figur des einstigen Fürsten
und Heiligen Wenzeslaus von Böhmen. Sein kirchlicher Gedenktag am 28. September fällt
mit dem tschechischen Staatsfeiertag überein, und das nicht aus Zufall, betont auch
Kardinal Vlk:
„Er ist nicht nur ein großer Märtyrer und unser Nationalheiliger,
er ist auch eine Persönlichkeit, die die Kirche mit der tschechischen Gesellschaft
verbindet.“