2009-09-14 15:26:02

Wirtschaftsethiker: „Nächste Finanzkrise vorprogrammiert“


RealAudioMP3 „Ich denke, dass es jetzt für alle klar ist: Diese Vergötterung des Markts hat sich selbst als falsch offenbart.“

Das war vor einem Jahr: Miguel d’Escoto, Präsident der letzten UNO-Generalversammlung, Berater des Präsidenten von Nicaragua und zuvor katholischer Priester, äußerte sich zur weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise:
 
„Wir erleben die Konsequenzen dieses Götzendienstes. Auf manchen Münzen lesen wir immer noch ,In God we trust’, aber wir vertrauen nicht auf Gott, wir bauen auf den Markt, und der ist gescheitert. Das ist eine Lektion für Menschen in der ganzen Welt, die diesem Götzen verfallen sind.“

Die gegenwärtige Wirtschaftskrise kann nach Ansicht des Mailänder Kardinals Dionigi Tettamanzi nur durch eine neue Wertschätzung des Maßhaltens überwunden werden. Eine verstärkte Kontrolle der Finanzmärkte allein reiche nicht aus, schreibt Tettamanzi in einem Beitrag für die Turiner Tageszeitung „La Stampa“ ein Jahr nach dem Zusammenbruch der einst viertgrößten US-Investmentbank Lehman Brothers.

Gier und Habsucht von Bankern und Managern spielten zwar eine Rolle, seien aber nicht die zentrale Ursache der Krise, sagt der deutsche Wirtschaftsethiker Jörg Althammer von der Katholischen Universität Eichstätt. Vielmehr habe eine Kombination aus Markt- und Staatsversagen letztendlich zur Krise geführt, so Althammer im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, dann wird sich auch der Finanzmarkt nicht ändern. Und dann ist die nächste Krise natürlich bereits vorprogrammiert.“

Wenn sich die Regulierungen und Kontrollen nicht deutlich und vor allem durchgreifend veränderten, dann werde sich auch das Finanzsystem nicht verändern, betont Althammer

„Was wir jetzt bereits beobachten, ist, dass es nach der Finanzmarktkrise erste Anzeichen gibt, dass genauso weiter gewirtschaftet wird wie vorher. Das hat damit zu tun, dass diese neuen Regulierungen noch nicht in dem Maß greifen, wie wir uns das wünschen würden, und dass deswegen auch die Anreizstrukturen die gleichen geblieben sind, wie wir sie vor der Finanzmarktkrise hatten.“

Von einer Entwarnung will der Wirtschaftsexperte nicht sprechen, derzeit sei lediglich zu beobachten, „dass der massive Auftragsrückgang offensichtlich zum Stillstand gekommen ist“.

„Das heißt, wir befinden uns zur Zeit an der Talsohle der Krise, und die Hoffnung besteht nun natürlich, dass es wieder zu einem selbst tragenden Aufschwung kommt, aber der steht uns noch bevor.“

Auf dem Arbeitsmarkt dagegen stünden die stärksten Auswirkungen erst noch bevor, die Marke von vier Millionen werde zum Jahresende auf jeden Fall überschritten, prognostiziert Althammer.

„Wir wissen, dass entsprechende Effekte auf den Arbeitsmärkten natürlich Effekte für das System der sozialen Sicherung nach sich ziehen. Die große und noch völlig ungelöste Frage ist, wie sich die Staatsverschuldung entwickeln wird. Was wir jetzt schon absehen können, ist, dass es auch in dieser Erholungsphase erhebliche Anstrengungen geben muss, um die öffentlichen Finanzen zu konsolidieren. Auch das geht natürlich nicht vonstatten, ohne die sozialen Sicherungssysteme, ohne die sozialpolitischen Maßnahmen zu beschneiden.“

 
Die 20 Staats- und Regierungschefs der wirtschaftsstärksten Industrie- und Schwellenländern müssen in wenigen Tagen in Pittsburgh internationale Absprachen noch fester ziehen. Althammer würde den Fokus nicht so sehr auf die Managergehälter und Bonuszahlungen legen. Vielmehr sollte es den Finanzakteuren künftig nicht mehr möglich sein, bestimmte Risikoposten „sozusagen zu verschleiern und aus ihrer Bilanz zu nehmen“.

„Das müsste im Rahmen einer globalen Regulierungsstrategie der Finanzmärkte unterbunden werden. Derjenige, der Risiken eingeht, muss auch mit seinem Eigenkapital für diese Risiken haften.“

In der internationalen Zusammenarbeit warnt der Wirtschaftsethiker vor Protektionismus in den Volkswirtschaften. Erste Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise zeigten diese Tendenz: Jedes Land stelle nationale Programme auf und versuche sowohl den eigenen Standort zu stärken – Opel in Deutschland, General Motors in den USA – als auch die Nation „im internationalen Konkurrenzkampf besser aufzustellen“. Althammer:

„Ein solches Zunehmen des Protektionismus wäre natürlich insbesondere für die Entwicklungsländer fatal. Denn die Entwicklungsländer sind ganz massiv darauf angewiesen, dass sie Zugang zu freien internationalen Märkten haben, denn nur so können sie sich selbständig und aus eigener Kraft aus ihrer Unterentwicklung befreien.“

(rv/pm 14.09.2009 bp)








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