Vor 20 Jahren, am
10. September, hat Ungarn die Grenzen zum Westen geöffnet. Am 30. September verkündete
der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher in der deutschen Vertretung
in Prag 4000 Menschen ihre Ausreisebewilligung. Grenzöffnungen, die schließlich zum
Fall des Eisernen Vorhangs führten. Papst Benedikt XVI. wird bei seinem Besuch in
der Tschechischen Republik Ende dieses Monats an die Ereignisse vom Herbst 1989 erinnern.
Politik
und Gesellschaft hätten großes Interesse an der Visite des Kirchenoberhaupts vom 26.
bis 28. September, berichtet gegenüber Radio Vatikan der tschechische Botschafter
beim Heiligen Stuhl, Pavel Vosalik. Doch Neugier auf den Papst reiche nicht, um seine
Botschaft für das Land und seine Probleme 20 Jahre nach Ende des Kommunismus wirklich
zu verstehen. Ganzheitliche, umfassende Bildung stellt der Diplomat dabei ganz nach
oben auf die Agenda.
Der Besuch Benedikts XVI. sei gleichzeitig eine gute Gelegenheit,
die Rolle der Weltkirche und ihre Bedeutung wieder neu bewusst zu machen, so Vosalik.
„Das
ist ein Punkt, den wir in unsere alltägliche Bildung in Europa aufnehmen müssen. Wir
sollten den Papst und den Heiligen Stuhl als wesentlichen Teil der europäischen Kultur
und der europäischen Geschichte sehen, unabhängig davon, ob man Mitglied der katholischen
Kirche ist oder nicht. Wir sollten schlicht sehen, dass die katholische Kirche fast
zweitausend Jahre Geschichte mit der Geschichte und der Kultur Europas teilt.“
Benedikt
XVI. besuche die Republik, nicht nur die Katholiken, betont der Botschafter. Gerade
20 Jahre nach Ende des Kommunismus könne der Papst ein Zeichen setzen und den Menschen
helfen, nicht so sehr zurückzuschauen, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Benedikt
XVI. sei dafür der „richtige Mann“. Vom Herbst 1989, von der „sanften Revolution“
berichtet Vosalik, damals Mitte 20: „Das ging die ganze Nation an.
Zum ersten Mal musste das kommunistische Regime die Grenzen für große Gruppen unserer
Bürger öffnen. Zum ersten Mal sendete das kommunistische Fernsehen direkt aus dem
Vatikan. Es ist sehr schwierig, diese Situation jemandem zu erklären, der das kommunistische
Regime nicht selbst erlebt hat. Aber ,Vatikan’ und ,katholische Kirche’ waren für
die Kommunisten Synonyme. Plötzlich konnten wir die Messe zur Heiligsprechung einer
der Töchter des böhmischen Königshauses im kommunistischen Fernsehen sehen. Einige
Tage später wurde dann die Messe dazu aus Prag übertragen. Ich denke, dass in diesem
Moment sich die überwältigende Mehrheit meiner Mitbürger sich mit der Kirche identifizieren
konnte, vielleicht nicht mit der Religion, aber mit ihren Werten, mit ihren Prinzipien
und ihrem Geist.“
Rund ein Viertel der Tschechen sind Katholiken. Mehr
als 75 Prozent der Bevölkerung lehnten jedoch noch vor einem Jahr die geplante Rückgabe
von verstaatlichtem Kircheneigentum ab. Umfrageergebnisse sehen lediglich den karitativen
Einsatz der Kirche positiv. Der 20. Jahrestag der Wende sei auch Anlass, neu über
die Beziehung zwischen Kirche und Bevölkerung nachzudenken, so der Botschafter beim
Heiligen Stuhl:
„Ich glaube nicht, dass wir wirklich Gefahr laufen, dass
die Bevölkerung sich ganz von der Religion oder vom Glauben an Gott abkehrt. Das ist
eher ein Problem der Institution Kirche. Wir ernten jetzt meiner Meinung nach die
Ergebnisse unseres eigenen Verhaltens in den 90er Jahren. Die Kirche hat, so meine
ich, damals die Gelegenheit nicht genutzt und ihre Chance verpasst. Das Volk war damals
sehr aufnahmebereit.“
Die Kirche sollte ihre Kommunikation verbessern,
meint Vosalik. Es sei zu einfach, weiter auf die Folgen des Kommunismus zu verweisen.
„Das
ist zwanzig Jahre her. Es ist eine neue Generation herangewachsen, es gibt Menschen,
die nach der Revolution geboren wurden und keinerlei Erfahrungen mit dem Kommunismus
haben. Wenn wir also die Krise in unserem Land nur auf die spirituelle Zerstörung
durch das kommunistische Regime schieben, dann muss ich fragen: Und was ist mit der
jungen Generation? Was tun wir, um unsere Botschaft den jungen Menschen zu vermitteln.
Wenn der Papst am dritten Tag seines Besuchs sich mit den Jugendlichen trifft, können
wir vielleicht Zeugen einer neuen Art des Miteinander Redens werden.“