Der Jesuitenflüchtlingsdienst
Ostafrika ruft die Regierung im Südsudan auf, mehr in die Bildung zu investieren.
Damit reagiert das katholische Hilfswerk anlässlich des Weltalphabetisierungstages
am 8. September auf die drastischen Kürzungen der südsudanesischen Regierung im Bildungssektor
um mehr als 25 Prozent in den letzten Jahren. Das sei angesichts der wachsenden Zahl
an Schülern und Auszubildenden seit dem Friedensabkommen 2005 unverantwortlich, sagte
gegenüber Radio Vatikan die Sprecherin des Jesuitenflüchtlingsdienstes Ostafrika,
Angelika Mendes:
„Wir kritisieren diesen Einschnitt aus dem einfachen Grund,
weil Bildung ein Schlüssel für Entwicklung und Stabilität ist. Der Südsudan kommt
aus einem zwanzigjährigen Bürgerkrieg und braucht dringend Stabilität und Frieden.
Zudem muss man sehen, dass es in den letzten vier, fünf Jahren seit dem Friedensabkommen
erhebliche Fortschritte gab im Bereich Bildung. Es liegt uns daran, dass diese Fortschritte
aufrecht erhalten werden, so dass weiterhin in Bildung investiert wird und Bildung
sicher gestellt wird, dass mehr Menschen im Sudan Zugang zu Bildung erhalten, damit
sie langfristig in einem friedlichen Land leben können.“
Grund für die
drastischen Kürzungen im Bildungsbereich ist die Finanznot der südsudanesischen Regierung.
Diese bezieht ihr Einkommen hauptsächlich aus dem Handel mit Erdöl. Angesichts fallender
Ölpreise sind die öffentlichen Gelder nun knapp. Der größte Teil werde in dem ehemaligen
Bürgerkriegsland immer noch in Waffen und das Militär investiert. Das sei langfristig
nicht der richtige Weg zu gesellschaftlicher Stabilität, kritisiert der Jesuitenflüchtlingsdienst.
Der Wiederaufbau des Landes hinge dagegen massiv vom Ausbau des Bildungssystems ab,
so Mendes.
„Es müssen Lehrer ausgebildet werden, und sie müssen regelmäßige
Löhne erhalten. Das ist ein ganz großes Problem. Es gibt so viele Lehrer, die monatelang
keine Löhne bekommen. Die Infrastrukturen müssen verbessert werden, denn zum Teil
sitzen 100 bis 130 Schüler in einer Klasse. Diese Regierung steht vor einer immensen
Aufgabe, weil es im Südsudan nach dem Krieg im Grund überhaupt kein Bildungssystem
gab. Das versucht die Regierung jetzt von Null an aufzubauen und das mit sehr begrenzten
Ressourcen, sowohl was das Personal betrifft, als auch finanzielle Mittel. Deshalb
rufen wir auch die internationale Gemeinschaft und andere Organisationen, die in diesem
Bereich arbeiten, dazu auf, die Regierung zu unterstützen, weil das eine Aufgabe ist,
die sie nicht alleine bewältigen kann.“ Die Alphabetisierungsrate
im Sudan liegt bei nur 20 Prozent. Vor allem Frauen und Mädchen haben kaum Zugang
zu Bildung. Nur 10 Prozent können Lesen und Schreiben. Mädchen werden von ihren Familien
oft als „Anlage“ gesehen. Der traditionelle Brautpreis im Sudan zählt zu den höchsten
in Afrika: rund 40 Kühe. Das erste Interesse einer Familie sei daher, ihre Töchter
zu verheiraten, berichtet Angelika Mendes:
„Viele Mädchen hören dann auf,
in die Schule zu gehen, wenn sie verheiratet oder schwanger werden. Zudem wird der
Platz der Frau traditionell eher bei ihrer Familie und im Haushalt gesehen, als in
der Schule oder im Beruf. Das sind ganz festgefahrene kulturelle Muster, die nur sehr
schwer zu verändern sind. Der Jesuitenflüchtlingsdienst hat deshalb spezielle Programme,
mit denen Mädchen im Südsudan unterstützt werden. Es wird zum Beispiel ein Teil der
Schulgeldgebühren zur Verfügung gestellt, die zahlen wir für sie. Und dann machen
wir auch Kurse mit den Gemeinschaften und Familien, aus denen sie kommen, um diese
Auffassungen zu verändern.“