Die Ärztin
Claudia Kaminski ist Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA
e.V.), Stiftungsratsmitglied „Stiftung Ja zum Leben“ und Vorsitzende des Bundesverbandes
Lebensrecht, BVL e.V. Hier hören und lesen Sie den Kaminskis Kommentar der Woche für
Radio Vatikan:
„Guter Rat ist teuer“, behauptet der Volksmund.
Und auch wenn sonst auf ihn Verlass ist – diesmal lag er daneben. Denn die vielen
guten Ratschläge, mit denen sich der vorpolitische Raum in der Debatte über die rechtliche
Neuregelung von Patientenverfügungen eingemischt hatte, waren allesamt gratis.
Auch
konnte sich die Phalanx derer, die die Abgeordneten des Deutschen Bundestags davor
warnten, ein neues Patientenverfügungsgesetz zu beschließen, durchaus sehen lassen:
Angefangen bei den Lebensschutzorganisationen, über den Deutschen Hospiz und Palliativverband
bis hin zur Bundesärztekammer und den beiden christlichen Kirchen; von allen Seiten
hagelte es geradezu gut gemeinte und ebenso durchdachte Warnungen und Mahnungen. Genutzt
hat es leider nichts.
An diesem Dienstag ist das neue Patientenverfügungsgesetz
in Kraft getreten. Nun wird guter Rat tatsächlich teuer. Denn nach den Vorstellungen
des Verbandes der niedergelassenen Ärzte kann eine ausführliche Beratung zur Abfassung
einer Patientenverfügung mit bis zu 235 Euro zu Buche schlagen. Kosten, die übrigens
von den Krankenkassen nicht übernommen werden. Und weil es sich unbedingt empfiehlt,
einmal verfasste Patientenverfügungen regelmäßig zu aktualisieren, fallen diese Kosten
nicht nur einmal, sondern immer wieder an.
Zwar verpflichtet das neue Gesetz
niemand, sich beraten zu lassen, bevor er eine Patientenverfügung abfasst. Doch wer
darauf verzichtet, sollte wissen, dass er sich in Gefahr begibt. Und das gleich aus
mehreren Gründen: Einmal findet laut dem Gesetz der in der Vorausverfügung niedergelegte
Wille des Patienten nur dann Berücksichtigung, wenn er hinreichend konkret formuliert
ist und sich auf die tatsächlich vorliegende Situation auch anwenden lässt. So reicht
es zum Beispiel keineswegs intensivmedizinische Maßnahmen einfach abzulehnen. Vielmehr
müssen diese konkret benannt werden, und sich einem Leiden zuordnen lassen.
Wer
etwa verfügt, dass er im Falle eines Schlaganfalls mit lang anhaltender Bewusstlosigkeit
nicht mehr wiederbelebt werden will, kann also damit rechnen, dass er nach einem plötzlichen
Herzstillstand trotzdem reanimiert wird. So beruhigend sich das für Viele auch anhören
mag, nicht übersehen werden darf jedoch: Zugleich steigt damit auch die Gefahr, dass
Menschen sich in Unkenntnis der medizinischen Möglichkeiten und Verfahren sowie durch
missverständliche Formulierungen in den Vorausverfügungen unabsichtlich selbst entsorgen.
Mindestens
genauso schlimm ist aber: Wird eine Patientenverfügung als auf den konkreten Fall
"nicht zutreffend" eingestuft, muss ein Betreuer oder Bevollmächtigter des Patienten
entscheiden, welche Therapie der Arzt einleiten darf und welche er unterlassen muss.
Hat der Patient keinen Bevollmächtigen benannt, wird diese Aufgabe einem gesetzlich
bestellten Berufsbetreuer übertragen. Da dieser den Patienten in der Regel nie zuvor
gesehen hat, wird er sämtliche anfällige Entscheidungen kaum anders als nach Aktenlage
treffen können.
Deshalb rät jetzt selbst Bundesjustizministerin Brigitte Zypries
(SPD), die eigentliche Patin des verunglückten Gesetzes, Patienten dazu, zusätzlich
zur Patientenverfügung einen Bevollmächtigten zu ernennen. Das kann ein Angehöriger
oder Verwandter sein, oder aber auch ein befreundeter Arzt, ein Pfleger oder eine
Krankenschwester.
Damit nähert sich das Gesetz in der Praxis glücklicherweise
nun erstmals dem an, was Lebensrechtler von Anfang an gefordert hatten. Statt auf
das zwiespältige Instrument der Patientenverfügung sollte der Möglichkeit, eine Vorsorgevollmacht
zu verfassen, Vorfahrt eingeräumt werden. Alles andere kommt einem Himmelfahrtskommando
ziemlich nahe.