2009-09-05 16:54:05

Wochenkommentar: „Guter Rat wird teuer“


RealAudioMP3 Die Ärztin Claudia Kaminski ist Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA e.V.), Stiftungsratsmitglied „Stiftung Ja zum Leben“ und Vorsitzende des Bundesverbandes Lebensrecht, BVL e.V. Hier hören und lesen Sie den Kaminskis Kommentar der Woche für Radio Vatikan:

 
„Guter Rat ist teuer“, behauptet der Volksmund. Und auch wenn sonst auf ihn Verlass ist – diesmal lag er daneben. Denn die vielen guten Ratschläge, mit denen sich der vorpolitische Raum in der Debatte über die rechtliche Neuregelung von Patientenverfügungen eingemischt hatte, waren allesamt gratis.

Auch konnte sich die Phalanx derer, die die Abgeordneten des Deutschen Bundestags davor warnten, ein neues Patientenverfügungsgesetz zu beschließen, durchaus sehen lassen: Angefangen bei den Lebensschutzorganisationen, über den Deutschen Hospiz und Palliativverband bis hin zur Bundesärztekammer und den beiden christlichen Kirchen; von allen Seiten hagelte es geradezu gut gemeinte und ebenso durchdachte Warnungen und Mahnungen. Genutzt hat es leider nichts.

An diesem Dienstag ist das neue Patientenverfügungsgesetz in Kraft getreten. Nun wird guter Rat tatsächlich teuer. Denn nach den Vorstellungen des Verbandes der niedergelassenen Ärzte kann eine ausführliche Beratung zur Abfassung einer Patientenverfügung mit bis zu 235 Euro zu Buche schlagen. Kosten, die übrigens von den Krankenkassen nicht übernommen werden. Und weil es sich unbedingt empfiehlt, einmal verfasste Patientenverfügungen regelmäßig zu aktualisieren, fallen diese Kosten nicht nur einmal, sondern immer wieder an.

Zwar verpflichtet das neue Gesetz niemand, sich beraten zu lassen, bevor er eine Patientenverfügung abfasst. Doch wer darauf verzichtet, sollte wissen, dass er sich in Gefahr begibt. Und das gleich aus mehreren Gründen: Einmal findet laut dem Gesetz der in der Vorausverfügung niedergelegte Wille des Patienten nur dann Berücksichtigung, wenn er hinreichend konkret formuliert ist und sich auf die tatsächlich vorliegende Situation auch anwenden lässt. So reicht es zum Beispiel keineswegs intensivmedizinische Maßnahmen einfach abzulehnen. Vielmehr müssen diese konkret benannt werden, und sich einem Leiden zuordnen lassen.

Wer etwa verfügt, dass er im Falle eines Schlaganfalls mit lang anhaltender Bewusstlosigkeit nicht mehr wiederbelebt werden will, kann also damit rechnen, dass er nach einem plötzlichen Herzstillstand trotzdem reanimiert wird. So beruhigend sich das für Viele auch anhören mag, nicht übersehen werden darf jedoch: Zugleich steigt damit auch die Gefahr, dass Menschen sich in Unkenntnis der medizinischen Möglichkeiten und Verfahren sowie durch missverständliche Formulierungen in den Vorausverfügungen unabsichtlich selbst entsorgen.

Mindestens genauso schlimm ist aber: Wird eine Patientenverfügung als auf den konkreten Fall "nicht zutreffend" eingestuft, muss ein Betreuer oder Bevollmächtigter des Patienten entscheiden, welche Therapie der Arzt einleiten darf und welche er unterlassen muss. Hat der Patient keinen Bevollmächtigen benannt, wird diese Aufgabe einem gesetzlich bestellten Berufsbetreuer übertragen. Da dieser den Patienten in der Regel nie zuvor gesehen hat, wird er sämtliche anfällige Entscheidungen kaum anders als nach Aktenlage treffen können.

Deshalb rät jetzt selbst Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), die eigentliche Patin des verunglückten Gesetzes, Patienten dazu, zusätzlich zur Patientenverfügung einen Bevollmächtigten zu ernennen. Das kann ein Angehöriger oder Verwandter sein, oder aber auch ein befreundeter Arzt, ein Pfleger oder eine Krankenschwester.

Damit nähert sich das Gesetz in der Praxis glücklicherweise nun erstmals dem an, was Lebensrechtler von Anfang an gefordert hatten. Statt auf das zwiespältige Instrument der Patientenverfügung sollte der Möglichkeit, eine Vorsorgevollmacht zu verfassen, Vorfahrt eingeräumt werden. Alles andere kommt einem Himmelfahrtskommando ziemlich nahe.

Dr. Claudia Kaminski

(rv 05.09.2009 mg)







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