2009-09-05 11:55:44

Vor der Papstreise nach Prag – unser Beitrag der Woche


RealAudioMP3 Nicht am Brandenburger Tor von Berlin, sondern in den tschechischen Städten Prag und Brünn wird Papst Benedikt Ende September an die friedliche Revolution von 1989, also vor genau zwanzig Jahren, erinnern. Davon handelt unser Beitrag der Woche von Stefan Kempis. Das Tonmaterial stammt von der österreichischen Nachrichtenagentur kathpress.

Großer Besuch auf Prags Kleinseite: Die Tschechische Republik erwartet den Papst aus Deutschland, siebzig Jahre nach Kriegsausbruch, vor allem aber zwanzig Jahre nach dem, was hier die „Samtene Revolution“ genannt wird. Organisator der Papstreise ist der frühere Dissident und jetzige Weihbischof Vaclav Maly. Er kann sich noch gut an den historischen Besuch des polnischen Papstes in Tschechien erinnern, kurz nach dem Mauerfall, Vaclav Havel an seiner Seite:

„Damals herrschte Begeisterung der Menge: Alle erwarteten die Freiheit, alle atmeten aus. Endlich ist die Freiheit gekommen!“

Der jetzige Weihbischof war in kommunistischer Zeit „Charta 77“-Aktivist und sieben Monate in Haft gewesen. Johannes Paul II. sei damals weit über den Kreis der Gläubigen als Hoffnungsträger gesehen worden; er habe auch „viele Ungläubige bewegt“.

„Er war für uns die Ermutigung vor der Wende – weil wir sicher waren: Da sitzt jetzt jemand in Rom, der das kommunistische System sehr gut versteht!“

Auch bei diesem Papstbesuch Ende September werden viele an die Zeiten der Christenverfolgung in Tschechien denken. Etwa, wenn in Brünn auch frühere Geheimpriester mit Benedikt am Altar stehen werden. Diese griechisch-katholischen Geheimpriester waren alle zwischen 1968 und 1988 geweiht worden, waren jedoch auch damals schon verheiratet. Der heutige Papst, damals Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, forderte von ihnen nach der Samtenen Revolution eine Weihewiederholung und schränkte ihre Arbeitsmöglichkeiten ein, was einige von ihnen verbitterte. Generell aber ist Tschechiens katholische Kirche heute frei, sagt Weihbischof Maly:

„Wir haben freien Raum, und das war vor zwanzig Jahren noch unvorstellbar. Wir können in die Gefängnisse gehen, in die Krankenhäuser; wir haben Kapläne in der Armee, entwickelte Caritas-Aktivitäten und kirchliche Schulen; das ist alles positiv. Trotzdem muss man doch noch viel lernen, weil wir jetzt vor allem in Böhmen eine typische Stadtkirche geworden sind. Auf dem Dorf stirbt die Religion – von einigen Ausnahmen abgesehen – aus, in den Städten hingegen wächst die Kirche. Das sind allerdings keine großen Mengen, sondern Individuen. Immerhin – in jeder größeren Pfarrei in der Stadt gibt es jedes Jahr zwischen drei und fünf Konvertiten. Das sind in der Regel junge Leute, Absolventen einer Uni oder einer Mittelschule – sie sind eine Hoffnung für die Zukunft.“

Weiterhin sei die Kirche in der Gesellschaft mit alten Vorurteilen konfrontiert, so Weihbischof Maly. Das führt zu einem Gezerre um den Prager Veitsdom, überhaupt um früheres Kircheneigentum – und immer wieder zu Verstimmungen zwischen Staat und Katholiken. Bei den Wahlen im Oktober könnte sich dieses Bild noch verschlimmern, denn dann kommen vielleicht, so fürchtet Maly, Linkspopulisten ans Ruder, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der globalen Wirtschaftskrise. Dabei gehe es den Tschechen heute eigentlich gar nicht so schlecht:

„Vieles hat sich verändert: Offene Grenzen, höherer Lebensstandard. Aber es ist dennoch nicht alles in Ordnung, vor allem an politischer Kultur fehlt es. Man muß daran arbeiten! Man diskutiert sehr wenig, und wenn einer nicht übereinstimmt, wird er sofort als Feind angesehen. Die Bevölkerung bleibt bis jetzt ziemlich passiv: Sie erwartet alles von den Politikern, und es fehlt die wirkliche Gesellschaft, also selbstbewußte und verantwortliche Bürger, die die Regierung kontrollieren und die, wenn etwas nicht in Ordnung ist, die Stimme erheben.“

Die tschechischen Kirchen müssen sich jetzt primär der Entchristlichung stellen, betont Maly:

„Die reinen Atheisten sind heute wohl weniger als in der Vergangenheit – aber es gibt mehr Agnostiker, die sich nicht mit einer der Kirchen identifizieren, und ein Teil der Jugend sucht eine geistige Verankerung, allerdings nicht in den Kirchen.“

Es sei wichtig, dass die tschechische Kirche lerne, dahin zu gehen, wo die Menschen sind: Schließlich sei doch die derzeitige Krise vor allem eine Krise des Vertrauens, und Vertrauen sei das, was die Kirche im Angebot habe.

„Nach der letzten Zählung im Jahr 2001 sind zwischen 30 und 35 Prozent der Bevölkerung Christen; wir haben zehn Millionen Einwohner, und 2,7 Millionen davon gaben an, katholisch zu sein. Das ist mehr als ein Fünftel. Doch nur ein Zehntel davon geht in den Sonntagsgottesdienst.“

Ende September besucht Papst Benedikt XVI. Prag, Brünn und das Heiligtum der Tschechischen Nationalwallfahrt, die barocke Wenzelsbasilika von Stara Boleslav, Altbunzlau. Die Wallfahrt findet alljährlich am 28. September, dem Fest des Hl. Wenzel, statt. Der Fürst und Landespatron von Böhmen hatte im Jahre 929 das Martyrium erlitten.








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