Vor der Papstreise nach Prag – unser Beitrag der Woche
Nicht am Brandenburger
Tor von Berlin, sondern in den tschechischen Städten Prag und Brünn wird Papst Benedikt
Ende September an die friedliche Revolution von 1989, also vor genau zwanzig Jahren,
erinnern. Davon handelt unser Beitrag der Woche von Stefan Kempis. Das Tonmaterial
stammt von der österreichischen Nachrichtenagentur kathpress.
Großer Besuch
auf Prags Kleinseite: Die Tschechische Republik erwartet den Papst aus Deutschland,
siebzig Jahre nach Kriegsausbruch, vor allem aber zwanzig Jahre nach dem, was hier
die „Samtene Revolution“ genannt wird. Organisator der Papstreise ist der frühere
Dissident und jetzige Weihbischof Vaclav Maly. Er kann sich noch gut an den historischen
Besuch des polnischen Papstes in Tschechien erinnern, kurz nach dem Mauerfall, Vaclav
Havel an seiner Seite:
„Damals herrschte Begeisterung der Menge: Alle erwarteten
die Freiheit, alle atmeten aus. Endlich ist die Freiheit gekommen!“
Der jetzige
Weihbischof war in kommunistischer Zeit „Charta 77“-Aktivist und sieben Monate in
Haft gewesen. Johannes Paul II. sei damals weit über den Kreis der Gläubigen als Hoffnungsträger
gesehen worden; er habe auch „viele Ungläubige bewegt“.
„Er war für uns die
Ermutigung vor der Wende – weil wir sicher waren: Da sitzt jetzt jemand in Rom, der
das kommunistische System sehr gut versteht!“
Auch bei diesem Papstbesuch Ende
September werden viele an die Zeiten der Christenverfolgung in Tschechien denken.
Etwa, wenn in Brünn auch frühere Geheimpriester mit Benedikt am Altar stehen werden.
Diese griechisch-katholischen Geheimpriester waren alle zwischen 1968 und 1988 geweiht
worden, waren jedoch auch damals schon verheiratet. Der heutige Papst, damals Präfekt
der vatikanischen Glaubenskongregation, forderte von ihnen nach der Samtenen Revolution
eine Weihewiederholung und schränkte ihre Arbeitsmöglichkeiten ein, was einige von
ihnen verbitterte. Generell aber ist Tschechiens katholische Kirche heute frei, sagt
Weihbischof Maly:
„Wir haben freien Raum, und das war vor zwanzig Jahren noch
unvorstellbar. Wir können in die Gefängnisse gehen, in die Krankenhäuser; wir haben
Kapläne in der Armee, entwickelte Caritas-Aktivitäten und kirchliche Schulen; das
ist alles positiv. Trotzdem muss man doch noch viel lernen, weil wir jetzt vor allem
in Böhmen eine typische Stadtkirche geworden sind. Auf dem Dorf stirbt die Religion
– von einigen Ausnahmen abgesehen – aus, in den Städten hingegen wächst die Kirche.
Das sind allerdings keine großen Mengen, sondern Individuen. Immerhin – in jeder größeren
Pfarrei in der Stadt gibt es jedes Jahr zwischen drei und fünf Konvertiten. Das sind
in der Regel junge Leute, Absolventen einer Uni oder einer Mittelschule – sie sind
eine Hoffnung für die Zukunft.“
Weiterhin sei die Kirche in der Gesellschaft
mit alten Vorurteilen konfrontiert, so Weihbischof Maly. Das führt zu einem Gezerre
um den Prager Veitsdom, überhaupt um früheres Kircheneigentum – und immer wieder zu
Verstimmungen zwischen Staat und Katholiken. Bei den Wahlen im Oktober könnte sich
dieses Bild noch verschlimmern, denn dann kommen vielleicht, so fürchtet Maly, Linkspopulisten
ans Ruder, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der globalen Wirtschaftskrise. Dabei
gehe es den Tschechen heute eigentlich gar nicht so schlecht:
„Vieles hat sich
verändert: Offene Grenzen, höherer Lebensstandard. Aber es ist dennoch nicht alles
in Ordnung, vor allem an politischer Kultur fehlt es. Man muß daran arbeiten! Man
diskutiert sehr wenig, und wenn einer nicht übereinstimmt, wird er sofort als Feind
angesehen. Die Bevölkerung bleibt bis jetzt ziemlich passiv: Sie erwartet alles von
den Politikern, und es fehlt die wirkliche Gesellschaft, also selbstbewußte und verantwortliche
Bürger, die die Regierung kontrollieren und die, wenn etwas nicht in Ordnung ist,
die Stimme erheben.“
Die tschechischen Kirchen müssen sich jetzt primär der
Entchristlichung stellen, betont Maly:
„Die reinen Atheisten sind heute wohl
weniger als in der Vergangenheit – aber es gibt mehr Agnostiker, die sich nicht mit
einer der Kirchen identifizieren, und ein Teil der Jugend sucht eine geistige Verankerung,
allerdings nicht in den Kirchen.“
Es sei wichtig, dass die tschechische Kirche
lerne, dahin zu gehen, wo die Menschen sind: Schließlich sei doch die derzeitige Krise
vor allem eine Krise des Vertrauens, und Vertrauen sei das, was die Kirche im Angebot
habe.
„Nach der letzten Zählung im Jahr 2001 sind zwischen 30 und 35 Prozent
der Bevölkerung Christen; wir haben zehn Millionen Einwohner, und 2,7 Millionen davon
gaben an, katholisch zu sein. Das ist mehr als ein Fünftel. Doch nur ein Zehntel davon
geht in den Sonntagsgottesdienst.“
Ende September besucht Papst Benedikt XVI.
Prag, Brünn und das Heiligtum der Tschechischen Nationalwallfahrt, die barocke Wenzelsbasilika
von Stara Boleslav, Altbunzlau. Die Wallfahrt findet alljährlich am 28. September,
dem Fest des Hl. Wenzel, statt. Der Fürst und Landespatron von Böhmen hatte im Jahre
929 das Martyrium erlitten.