Wir dokumentieren hier im Wortlaut den Brief an die Mitglieder und Freunde der Legionäre
Christi von P. Sylvester Heeremann LC, dem Verantwortlichen des Ordens für Mitteleuropa.
Liebe Mitglieder des Regnum Christi, liebe Freunde, am heutigen Tag beginnen
die Novizen und Kandidaten hier in Bad Münstereifel achttägige Schweigeexerzitien
in Vorbereitung auf die Ablegung der Ordensgelübde, bzw. die Einkleidung. Am kommenden
Wochenende werden, so Gott will, fünf junge Männer das Ordenskleid empfangen und neun
Novizen die erste Profess ablegen. Die Exerzitien sind ein Moment der Reinigung
und der erneuerten Ausrichtung unseres ganzen Lebens auf den Herrn, was immer wieder
nottut, ganz besonders in diesem Jahr, das für unsere Ordensgemeinschaft von den Erkenntnissen
über unseren verstorbenen Gründer, P. Marciel Maciel LC, gekennzeichnet ist. Anliegen
und Ziel dieses Briefes ist es, Ihnen einen Überblick über den Umgang unserer Gemeinschaft
mit diesem Themenkomplex zu vermitteln. Die Kirche gedenkt heute des heiligen Papstes
Gregor des Großen. Die liturgischen Texte und die Lesung aus dem Brevier betonen dabei
die Verantwortung derer, die in der Kirche Leitungsaufgaben wahrnehmen. Als Territorialdirektor
weiß ich mich auf besondere Weise in der Pflicht, gemeinsam mit der Generalleitung
und den Mitbrüdern unserer Provinz, für eine sachgemäße Aufarbeitung der Vergangenheit
und eine zukunftsfähige Ausrichtung der Legionäre Christi und des Regnum Christi zu
sorgen. Dabei geht es um institutionelle Maßnahmen, die aber nur dann nachhaltige
Früchte zeitigen, wenn wir als Einzelne bemüht sind, dem Herrn redlich und entschlossen
zu folgen und wenn wir ihn inständig um seine Gnade und seinen Beistand bitten. Ich
weiß, dass sehr viele von Ihnen uns in diesem Vorsatz und diesem Gebet zur Seite stehen.
Dafür sind wir ihnen zutiefst dankbar. Ich hoffe, dass diese Zeilen auch einen
kleinen Beitrag dazu leisten, dass alle, die irgendwie betroffen sind, den vor uns
liegenden Weg gemeinsam gehen können. Sicher wird es ein langer Weg und Heilungsprozess.
Ich denke dabei v.a. an jene, die durch das schwerwiegende Fehlverhalten von P. Maciel
verletzt worden sind. Im Namen der Kongregation der Legionäre Christi und unseres
Generaldirektors möchte ich auch hier noch einmal von Herzen um Verzeihung bitten. P.
Álvaro hat schon vor einiger Zeit damit begonnen, persönlich und privat jene aufzusuchen,
die besonderes Leid erfahren haben, um um Verzeihung zu bitten und Trost anzubieten.
Als Kongregation bedauern wir zutiefst, dass das Fehlverhalten von P. Maciel nicht
eher von der Institution erkannt, daher auch nicht behoben wurde und so noch mehr
Leid verursacht worden ist. So wollen wir all jenen beistehen, die gelitten haben. 1. Sachstand
und wie wir damit umgegangen sind Wie inzwischen allgemein bekannt ist, hat
P. Maciel eine Beziehung zu einer Frau unterhalten, aus der eine Tochter hervorgegangen
war. Seit Neuestem gibt es auch Aussagen eines mexikanischen Rechtsanwalts über weitere
Beziehungen und Kinder. Auf Grund der nur bruchstückhaft vorhandenen Informationen
und der Unmöglichkeit, auf die Schnelle alle Implikationen der verworrenen Situation
zu überschauen, können die Legionäre Christi noch keine abschließende Stellungnahme
zu diesen neuen Medienberichten abgeben. Vor diesem Hintergrund wurde noch einmal
deutlich, wie weise und pastoral der Heilige Stuhl mit den Missbrauchsvorwürfen gegen
P. Maciel umgegangen ist. Die Glaubenskongregation hat diese Vorwürfe untersucht und
ihn aufgefordert sich zu einem Leben des Gebetes und der Buße zurückzuziehen, wie
in dem Communiqué vom 19. Mai 2006 bekannt gemacht wurde. Für uns als Institution,
als Ordensfamilie und als Einzelne kam all das vollkommen unerwartet und war dementsprechend
hart. Die vielen und starken Emotionen, das Durcheinander von Informationen, Unterstellungen,
Spekulationen und Meinungen, die verschiedenen kulturellen Sensibilitäten und die
christliche Pflicht, Fehltritte von Mitmenschen nicht in der Öffentlichkeit breitzutreten,
haben es sehr erschwert, schnell eine klare und umfassende Stellungnahme zu veröffentlichen,
wie viele sie sich vielleicht gewünscht hätten. Dazu kommt, dass wir die volle Wahrheit
nicht kannten, auch jetzt noch viele Unklarheiten bestehen und möglicherweise noch
neue Fakten bekannt werden. Es ist abzusehen, dass während der kommenden Monate
das Thema mit immer neuen Variationen in einschlägigen ausländischen Medien präsent
bleiben wird und manches davon auch im deutschen Sprachraum aufgegriffen wird. Ich
würde Ihnen empfehlen, sich nicht von jedem neuen Detail erschüttern zu lassen. Zum
einen weiß man oft nicht, was stimmt; zum anderen ändern immer neue Einzelheiten auch
nichts an dem wesentlichen Inhalt, der bereits bekannt ist. Die ganze Situation
ist nicht nur schmerzhaft für uns Legionäre Christi und Mitglieder des Regnum Christi,
sie ist vor allem ein Ärgernis für die Kirche und wirft einen dunklen Schatten auf
das katholische Priestertum, dem wir Legionäre Christi uns immer ganz besonders verpflichtet
gefühlt haben und es auch weiterhin tun. Zusammenfassend gilt, was unser Generaldirektor,
P. Álvaro Corcuera, schon in seinem Brief vom 29. März diesen Jahres schrieb: „Ich
habe dem Heiligen Vater herzlich für diese weitere Hilfe (durch die apostolische Visitation)
gedankt, die er uns in den momentanen Herausforderungen anbietet, die im Zusammenhang
mit den schwerwiegenden Tatsachen im Leben unseres Gründervaters stehen. Die einen
hat die Glaubenskongregation bereits untersucht und im Mai 2006 zu einem Abschluss
gebracht; andere sind erst kürzlich bekannt geworden. All das tut uns zutiefst leid,
und wir bitten Gott und alle, die dadurch verletzt worden sind, aufrichtig um Verzeihung.“
2. Aufarbeitung Viele fragen zurecht, ob die Legionäre Christi Konsequenzen
aus diesen Erfahrungen gezogen haben. Ich kann Ihnen versichern, dass dies der Fall
ist und sicher auch noch sein wird. a) Eine Maßnahme ist die begonnene Überarbeitung
der Bezugnahme auf Person und Wirken von P. Marcial Maciel. Auf der einen Seite können
und wollen wir nicht vergessen, dass P. Marcial der Gründer gewesen ist und viel Gutes
bewirkt hat; auf der anderen Seite stehen seine schwerwiegenden Fehler und das, was
jüngst ans Licht gekommen ist. Wir stellen diesbezüglich derzeit schrittweise sicher,
dass in allen Bereichen in rechter Weise auf P. Marcial Bezug genommen wird. So werden
z.B. unsere Internetseiten überarbeitet und der Vertrieb bzw. die Neuauflage von Schriften
und Veröffentlichungen geprüft. All dies führt uns zum Wesentlichen: Unser Leben einzig
und allein auf Jesus Christus zu zentrieren. Dabei handelt es sich, wie Sie sich
vorstellen können, um einen laufenden und schwierigen Prozess. Es gilt, zwischen seiner
Person, seinem Wirken als Gründer, der soliden katholischen Lehre, die er uns vermittelt
hat, und den rechtlich-institutionellen Aspekten der Legionäre Christi und des Regnum
Christi, die von der Kirche approbiert sind, zu unterscheiden. Diese Unterscheidung
ist nicht leicht und kann nicht über Nacht erfolgen. Unsere Ordensleitung sucht dabei
den Rat und die Führung erfahrener und kluger Kirchenmänner, damit durch diesen Prozess
die von Gott für die Legionäre Christi und das Regnum Christi erhaltenen Gaben nicht
gefährdet werden. b) Des Weiteren erfahren wir in der Aufarbeitung die Unterstützung
der Kirche, insbesondere durch Papst Benedikt XVI., dem wir dafür aufrichtig dankbar
sind. Dies erfolgt vor allem durch die apostolische Visitation der Kongregation,
die am 15. Juli begonnen hat. Seine Exzellenz Ricardo Blázquez Pérez, Bischof von
Bilbao (Spanien), ist der Visitator für Europa (mit Ausnahme von Italien) und damit
auch für uns. Bischof Blázquez wird unsere Niederlassungen besuchen, sich unser Leben
aus der Nähe ansehen und mit allen Ordensmitgliedern sprechen, mit denen er möchte
oder die ihrerseits um ein Gespräch bitten. Sein Auftrag besteht darin, zu fragen,
zu prüfen, eingehend und objektiv zu beurteilen und seine Ergebnisse und Empfehlungen
direkt dem Heiligen Stuhl vorzulegen. Verständlicherweise können wir keine näheren
Stellungnahmen bezüglich des Inhalts oder des Verlaufs der Visitation abgeben, da
dies in die Arbeit des Visitators beeinträchtigen könnte. Ich gehe davon aus, dass
nach reiflicher Überlegung und Beratung weitere Maßnahmen folgen werden. Möglicherweise
wird der Heilige Vater nach Abschluss der Visitation Anweisungen geben, die wir dann
gerne umsetzen werden. 3. Verantwortung Die besondere Situation unserer
Kongregation am Beginn dieses zweiten Kapitels unserer Geschichte beinhaltet einen
Anruf an uns alle, aber insbesondere an jene, die mit Leitungsaufgaben betraut sind,
die eigene Verantwortung für einen guten weiteren Weg voll und ganz wahrzunehmen.
Menschliches Versagen und Scheitern ist nie vollkommen auszuschließen. Wir tragen
den Schatz in zerbrechlichen Gefäßen (vgl. 2 Kor. 4,7). Umso mehr sind die Oberen
in der Pflicht, dass in der Ordensgemeinschaft alles Menschenmögliche getan wird,
um Fehlverhalten zu vermeiden. Auch dazu möchte ich einige Gedanken mit Ihnen teilen. a) Weg
in der Kirche und mit der Kirche Als Kongregation in der katholischen Kirche
ist für uns die Übereinstimmung mit den Maßgaben des Heiligen Stuhles schon immer
ein Garant dafür gewesen, auf Felsen und nicht auf Sand zu bauen. Der Glaube daran
und das Bewusstsein dafür ist durch die jüngsten Ereignisse noch mehr geschärft worden. So
lassen wir uns bei der Zulassung von Novizen und ganz besonders bei der Zulassung
von Weihekandidaten von den Vorgaben der Kirche lenken. Die Eignungsprüfung findet
mit größter Sorgfalt statt, auch unter Zuhilfenahme von guten Psychologen. Die Ausbildung
zum Priestertum ist bei den Legionären Christi ein langer Weg (ca. 12 Jahre), sie
ist umfassend und gründlich. Wir haben in den vergangenen Jahren auch konkrete
Anweisungen vom Heiligen Stuhl hinsichtlich unseres Ordenslebens erhalten, die wir
bereits umgesetzt haben. Seit 1957 haben die Legionäre Christi ein „Sondergelübde
der Nächstenliebe“ abgelegt, das von der Kirche approbiert war. In Artikeln über die
Professfeier der Novizen in Deutschland haben Sie davon vielleicht berichten hören.
Hintergrund dieses Gelübdes war es zu gewährleisten, dass man etwaige Schwierigkeiten
mit dem eigenen Vorgesetzten entweder mit dem Betreffenden selbst oder den höheren
Instanzen besprach, wodurch verantwortungsloser Kritizismus oder interne Parteienbildung
vermieden werden sollten. Benedikt XVI., der als Papst auf Erden die Vollmacht hat
zu binden und zu lösen, hat dieses Gelübde vor zwei Jahren aufgehoben und wir legen
es seither nicht mehr ab. Während der letzten beiden Jahre haben wir ebenfalls
auf Anweisung des Heiligen Stuhls die allgemeine Praxis geändert, wonach die direkten
Oberen gleichzeitig die geistlichen Leiter ihrer Untergebenen sein konnten. Dies basierte
auf einer Jahrhunderte alten monastischen Tradition, wonach der Obere sowohl geistlicher
Vater als auch Ratgeber seiner Gemeinschaft war. Papst Benedikt XVI. hat davon zuletzt
bei der Generalaudienz vom 27. Mai 2009 gesprochen: „Obwohl er eine sehr umfassende
äußere Aktivität ausführte, ließ sich [der heilige] Theodoros [Studites] nicht von
dem abbringen, was er für seine Funktion als Oberer als streng angebracht ansah, nämlich
ein geistlicher Vater seiner Mönche zu sein. […] Er übte daher gegenüber den Mönchen
die geistliche Leitung aus. Jeden Tag, so berichtet der Biograph, saß er nach dem
Abendgebet vor der Ikonostase, um die vertraulichen Mitteilungen aller zu hören.“ Eine
weitere Veränderung nach Vorgabe des Heiligen Stuhles betrifft die Beichtpraxis in
der Kongregation. Schon immer konnten die Mitglieder sich frei dafür entscheiden,
die Beichte gemäß ihrer Wahl bei einem der ordentlichen oder außerordentlichen Beichtväter,
die vom Generaldirektor dazu bestellt wurden, oder auch bei jedem anderen katholischen
Priester abzulegen. In der Praxis haben die Mitglieder früher oft die Beichte auch
bei ihren Oberen abgelegt. Auf Empfehlung des Hl. Stuhls sind Obere nun nicht mehr
Beichtväter ihrer Untergebenen. b) Formalität und Transparenz Als wachsende
Organisation mit vielfältigen und zunehmenden Aufgaben und Einsatzbereichen, stehen
wir in den verschiedensten Verantwortungsverhältnissen, die oft weltlicher Art sind.
Auch hier lassen wir größte Sorgfalt walten, um unseren institutionellen und persönlichen
Verpflichtungen gerecht zu werden. Im finanziellen Bereich ist die Verwendung von
Mitteln seit Jahren durch festgeschriebene Vorgaben geregelt, die auf eine klare und
eindeutige Abrechnung aller Eingänge und Ausgaben abzielen. In unserem Territorium
sind wir in Deutschland als gemeinnütziger Verein „Legionäre Christi e.V.“ konstituiert
und geben dementsprechend alljährlich dem Finanzamt mit Jahresabschlüssen Rechenschaft.
Die Verwendung der Mittel im Sinne der Satzung und insbesondere der Spenderintention
ist gewährleistet. Die Kongregation wird durch ein Team von hauptamtlichen Mitarbeitern
unterstützt, die für Professionalität und Transparenz in Finanz- und Verwaltungsfragen
Sorge tragen. Seit Jahren ist auch ein externes Steuerbüro mit der Prüfung der Finanzen
beauftragt. Ein weiterer Gedanke gilt dem Umgang mit den uns anvertrauten Minderjährigen.
Kinder sind das Wertvollste, was Eltern anderen Menschen anvertrauen können. Jede
Art von Missbrauch ist verabscheuungswürdig. Unsere Konstitutionen, Normen und disziplinären
Vorgaben legen größten Wert auf respektvollen, achtsamen und verantwortungsvollen
Umgang mit Minderjährigen. Unsere Ordensmitglieder und vielen freiwilligen Mitarbeiter
werden angehalten, diese sorgfältig einzuhalten. Wir verfügen auch über einen Einsatzplan,
um in einem – bei uns jedoch nie vorgekommenen – begründeten Verdachtsfall sofort
und sachgemäß vorgehen zu können. Diese Vorsichtsmaßnahmen werden laufend aktualisiert
und mit den Vorgaben der Deutschen Ordensoberenkonferenz (DOK) abgestimmt. Am Ende
dieses Briefes möchte ich ein Wort des hl. Paulus aufgreifen: „Denen, die Gott lieben,
gereicht alles zum Guten“ (Röm 8,28). Der himmlische Vater hat die Macht und den Willen,
seinen Kindern in jeder Situation beizustehen und sie durch alle Fährnisse hindurch
näher an sich zu ziehen. Das ist aber kein Automatismus. Es bedarf unserer Bereitschaft
in allem – in guten und in schlechten Zeiten – auf Jesus Christus zu schauen und uns
dem jeder Situation innewohnenden Anruf in seinem Geist zu stellen. „Was würdest Du
jetzt denken, sagen oder tun, Herr?“ Dieses Gebet hilft mir persönlich immer wieder,
wenn ich mit Schwerem oder Dunklem konfrontiert werde. Verständlicherweise geht
jeder anders mit dem Thema um. Wir sollten füreinander beten und anerkennen, dass
ein jeder auf seine ureigene Weise an diesem Kapitel leidet und es verarbeitet. Wenn
wir diese Zeit in Aufrichtigkeit vor dem Herrn leben, mit einem starken Glauben, einer
festen Hoffnung und einer großzügigen Liebe; wenn wir häufig die Begegnung mit dem
eucharistischen Herrn suchen, dann werden die Legionäre Christi und das Regnum Christi
innerlich gereinigt und gestärkt daraus hervorgehen. Ich habe in den vergangenen Monaten
sehr oft die Erfahrung machen dürfen, dass das nicht bloß ein frommer Wunsch, sondern
tatsächlich der Fall ist. Gott sei Dank! P. Álvaro, für dessen kluge Führung in
dieser schweren Zeit ich sehr dankbar bin, hat kürzlich in einer Predigt den hl. Johannes
Chrysostomos zitiert, der fünf Wege der Versöhnung lehrt: um Verzeihung bitten, anderen
verzeihen, Gebet, Almosen und Demut (vgl. Johannes Chrysostomos, Predigten, PG 49,
263-264). Der Herr möge uns helfen, auf diesen Wegen zu gehen. So verbleibe ich
voll Dankbarkeit für Ihre Freundschaft und mit der Bitte um Ihr Gebet Sylvester
Heereman LC Territorialdirektor (zenit 04.09.2009 gs)