2009-09-04 13:38:06

„Auch Attentäter können religiös Suchende sein“


RealAudioMP3 Was geht in einem religiös motivierten Selbstmordattentäter vor? Unter anderem auf diese brisante Frage suchte vor kurzem der Internationale Kongress für Religionspsychologie in Wien eine Antwort. Und diese Antwort fiel irritierend oder zumindest überraschend aus – erklärt die Religionspsychologin Susanne Heine von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Im Gespräch mit „Kathpress“ betonte sie, dass empirische Forschungen gezeigt hätten: „Auch Attentäter können religiös Suchende sein.“ Dies sei „ein durchaus neuer Aspekt in der aktuellen Debatte.

Heine widerspricht der verbreiteten These, dass fundamentalistische Attentäter Religion nur instrumentalisieren und zur Rechtfertigung ihrer Gewalttaten anführen. Stattdessen habe die Religionspsychologie zeigen können, dass sich diese Menschen durchaus auf dem Weg spirituell-religiöser Suche befinden. Freilich lasse dieser Befund keine Verallgemeinerung derart zu, dass jeder spirituell Suchende ein potenzieller Gewalttäter sei. Es bedürfe hierzu vielmehr eines Zusammenspiels mehrerer Faktoren, wie etwa eines spezifischen Persönlichkeitsprofils, dem Gewalt prinzipiell nicht fremd ist und dem etwa eine Identifizierung mit einer Opferrolle leicht fällt.

Auch mangelnde Empathie- und Kommunikationsfähigkeit seien Faktoren, die zu einer selektiven religiösen Suche Anlass geben, so Heine. Eine solche Suchbewegung fokussiere etwa vor allem jene Passagen in Heiligen Schriften, in denen sie die eigene Opferrolle bestätigt finden, in denen einfache Weltbilder gezeichnet werden oder eine „Reinigung“ der Welt als göttliche Aufgabe empfohlen würde. Einen besonderen Stellenwert räume die Religionspsychologie in diesem Zusammenhang der Erfahrung von Demütigungen ein. Verlusterfahrungen seien psychologisch wesentlich leichter zu verarbeiten als Erfahrungen der Demütigung, so Heine. Im Blick auf den Islam lasse sich eine lange Geschichte der Demütigungen durch „den Westen“ aufzeigen, die bis in die Zeit der Kolonialisierungen zurückreiche. Demütigungserfahrungen bilden laut Heine „psychische Sedimente“, die sich über das kollektive Gedächtnis erhalten und auch heute noch - durch Medien kommuniziert - zu Traumatisierungen führen können.

Zur Positionierung der Religionspsychologie zwischen Theologie und Psychologie betont Heine die unbedingte Selbstständigkeit des Faches. Trotz zahlreicher inhaltlicher Überschneidungen legen insbesondere die Religionspsychologen großen Wert auf eine strikte Abgrenzung des Faches von der Theologie. Heine führt dies auf die lange Emanzipationsgeschichte des Faches zurück, dass sich - wie die gesamte Psychologie - nur mühsam von Philosophie und Theologie emanzipierte, indem der Fokus stärker auf empirische Fragestellungen und Forschung gelegt wurde.

(kap 04.09.2009 sk)








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