Polen: Geste der Versöhnung mit russischer Kirche?
Die polnischen Bischöfe
streben eine Versöhnungsgeste mit der russisch-orthodoxen Kirche an. Als Grundlage
dafür könne die Formel „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ aus dem Schreiben der
polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder von 1965 dienen. Das erklärte der
Lubliner Erzbischof Jozef Zycinski in einem Interview der polnischen katholischen
Nachrichtenagentur KAI. Mit ihrer mutigen und seinerzeit in ihrem Land überaus umstrittenen
Geste haben die damaligen polnischen Bischöfe die heute zwischen beiden Völkern erreichte
Verständigung und Aussöhnung vorangebracht.
In diesem vor rund 45 Jahren eingeschlagenen
Weg der polnischen Kirche auf den westlichen Nachbarn zu, sieht Zycinski ein Modell
für eine Versöhnungsgeste gegenüber der russisch-orthodoxen Kirche. Für eine derartige
Versöhnungsbotschaft an die Adresse des östlichen Nachbarn hat sich ebenso der Gnesener
Erzbischof Henryk Muszynski ausgesprochen. „Die Zukunft geht in diese Richtung“, betonte
Muszynski gegenüber der Agentur KAI. „Dies nicht nur, weil es keine Alternative dazu
gibt, sondern weil es eine der wichtigsten Forderungen des christlichen Lebens ist“.
Die konkrete Form einer möglichen Versöhnungsinitiative sei allerdings noch unklar.
Die Ausarbeitung eines solchen Dokumentes werde sehr schwierig sein, so der Erzbischof,
der im Dezember von Kardinal Jozef Glemp das Ehrenamt des Primas der katholischen
Kirche in Polen übernehmen wird. In den polnisch-russischen Beziehungen hält Zycinski
einen „ähnlichen Durchbruch“ für möglich wie 1965 beim Briefwechsel zwischen der Polnischen
und der Deutschen Bischofskonferenz. Er verwies auf zwei Treffen von polnischen Bischöfen
mit dem damaligen Leiter des Außenamtes der russisch-orthodoxen Kirche und heutigen
Moskauer Patriarchen Kyrill I. Diese Begegnungen hätten in einem allgemeineren Kontext
der katholisch-orthodoxen Beziehungen stattgefunden.
Nicht nur Deutsche
schuldig Eine Mehrheit der Polen macht laut Umfragen für den Beginn des
Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren nicht nur Deutschland, sondern auch die Sowjetunion
verantwortlich. Der Grund: Eine Woche vor dem deutschen Angriff auf Polen am 1. September
1939 hatten Berlin und Moskau in einem geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt
die Aufteilung Polens untereinander geregelt. Am 17. September marschierte die Rote
Armee in Ostpolen ein. Belastet werden die Beziehungen zwischen Polen und Russland
zudem durch die Ermordung von rund 20.000 polnischen Kriegsgefangenen, vor allem von
Offizieren, auf Befehl Stalins 1940 in Katyn. In Polen wird dafür von Moskau eine
offizielle Entschuldigung erwartet. Zycinski betonte indes, bei Problemen zwischen
Ländern sei die Schuld nicht nur auf einer Seite zu suchen.
Erstmalige
Idee Die Idee für eine polnische Versöhnungsgeste mit der russisch-orthodoxen
Kirche war erstmals in der vorigen Woche publik geworden. Nachdem der Krakauer Kardinal
Stanislaw Dziwisz am vergangenen Dienstag die gemeinsame Erklärung der Deutschen und
Polnischen Bischofskonferenz zum 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs
vorgestellt hatte, sprach er dieses Thema an. Es gebe bereits, teilte der Kardinal
mit, erste Schritte in Richtung einer ähnlichen Erklärung der polnischen katholischen
und der russisch-orthodoxen Bischöfe. „Aber es ist schwer, etwas zu verhandeln“, erklärte
Dziwisz zugleich. Aus dem Moskauer Patriarchat ist bislang keine Reaktion zu diesem
Vorstoß bekannt.