Doch, es gibt den nach christlichen Kriterien „gerechten Krieg“ – und Benedikt kennt
auch aus eigener Anschauung ein Beispiel dafür: Der Kampf der Alliierten gegen Hitler-Deutschland,
also gegen Hitlers „Herrschaft der Lüge“ mit ihrem „System der Furcht“ und der „Perversion
der Ordnungen“. Da „musste in der Tat die ganze Welt eingreifen, um den Ring des Verbrechens
aufzusprengen“, meinte Kardinal Ratzinger 60 Jahre nach der Landung der Alliierten
in der Normandie bei einer Gedenkfeier in Bayeux. „Wenn irgendwo in der Geschichte,
so ist hier offenkundig, dass es sich bei dem Einsatz der Alliierten um ein bellum
iustum handelte, das letztlich auch dem Wohle derer diente, gegen deren Land der Krieg
geführt worden ist.“ Einer der jungen Soldaten in den letzten Tagen von Hitlers Wehrmacht
war damals der junge Joseph Ratzinger, der seinen 18. Geburtstag 1945 in einer Traunsteiner
Kaserne feierte, kurz vor dem Untergang des Nazi-Reiches. Die Landung der Alliierten
schien Kardinal Ratzinger im Rückblick „die Unhaltbarkeit eines absoluten Pazifismus“
zu beweisen. Dennoch sei die Frage jedesmal neu sorgfältig zu erwägen, ob „auch heute
ein gerechter Krieg, das heisst ein dem Frieden dienender und unter seinen moralischen
Massstäben stehender militärischer Eingriff gegenüber bestehenden Unrechtssystemen
möglich ist“. Kurz vor der US-Invasion im Irak von 2003 hat Kardinal Ratzinger diese
Frage in einem Gespräch mit Radio Vatikan so gut wie verneint – erst recht für den
Irak-Krieg. Generell gilt aus der Sicht des Papstes: „Krieg ist für alle die schlechteste
Lösung. Er bringt für niemanden etwas, auch für die scheinbaren Sieger nichts“, und
das wissen gerade die Europäer nach den zwei Weltkriegen „sehr genau“.
Mit
Nachdruck weist Benedikt XVI. darauf hin, dass das Völkerrecht auch in Zeiten des
Krieges, ja gerade dann seine volle Gültigkeit behält. Es könne doch nicht so sein,
zitiert er das Konzil, dass, “weil ein Krieg unglücklicherweise ausgebrochen ist,
damit nun jedes Kampfmittel zwischen den gegnerischen Parteien erlaubt“ wäre. Das
Völkerrecht sollte „die verheerenden Folgen des Krieges vor allem für die Zivilbevölkerung
so weit wie möglich … begrenzen“ und muß daher ständig weiterentwickelt werden, um
seinen Schutz auch angesichts neuer Formen von Krieg wirksam ausüben zu können. So
gibt es ja neuerdings immer mehr Kriege, die gar nicht formell „erklärt (werden),
vor allem, wenn terroristische Gruppen sie auslösen“. „Klarere Regeln“ sollten vor
allem „dem dramatischen Abdriften, das wir erleben, wirksam entgegentreten“ – das
ist wohl eine Anspielung auf den amerikanischen „Krieg gegen Terror“, der u.a. zum
Einmarsch im Irak und zum umstrittenen Gefangenenlager Guantanamò auf Kuba geführt
hat. Der Papst würdigt internationale Friedens-Missionen, bei denen Soldaten einen
„heiklen“ Frieden zu schützen oder überhaupt erst herbeizuführen versuchen – eine
„anspruchsvolle Front“. Quellen: Interview mit Radio Vatikan, 5.8.06; Botschaft
zum Weltfriedenstag 2006/07; Werte in Zeiten des Umbruchs, 123-128. Auszug aus: S.
Kempis, Benedikt XVI. - Das Lexikon. Benno Verlag2007.