Am kommenden Dienstag
(1. September) tritt nach fünf Jahren Debatte das neue Gesetz zur Patientenverfügung
in Kraft. Neu ist: Mediziner müssen sich streng nach dem schriftlich niedergelegten
Willen eines Patienten richten. Das Gesetz schreibt aber keine vorherige Beratung
vor. Niemand darf zur Abfassung einer Patientenverfügung gezwungen werden. Die Deutsche
Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland bieten auf ihren Internetseiten
eine gemeinsam abgestimmte, christlich ausgelegte Patientenverfügung an. Das Zentralkomitee
der deutschen Katholiken (ZdK) hält die gesetzliche Regelung für ungenügend.
Mario
Galgano hat den Vorsitzenden der ZdK-Arbeitsgruppe „Patientenverfügungen“ und Moraltheologen
Andreas Lob-Hüdepohl nach den negativen Seiten der neuen Regelung gefragt.
„Wir
begrüßen zwar, dass es überhaupt zu einer gesetzlichen Regelung über die Verbindlichkeit
von Patientenverfügung gekommen ist. Freilich sind wir mit dem Ergebnis unter dem
Strich nicht zufrieden. Insbesondere weil es keine Einbindung eines gesetzlich bestellten
Betreuers gibt, der die Aktualität der Willenserklärung nochmals überprüfen könnte.
Ein weiterer negativer Punkt betrifft unsere Enttäuschung darüber, dass sich der Deutsche
Bundestag nicht auf eine ausreichende Begrenzung verständigen konnte. Konkret geht
es um die ausschließliche Verbindlichkeit der Patientenverfügung für jenes Stadium
einer Erkrankung, in der sich der Patient in einer so genannten terminalen Phase befindet.“
Sie
haben aber auch gesagt, dass Sie die Diskussion um die Patientenverfügung als solche
begrüßt haben. Was wäre Ihrer Meinung nach eine Alternative zur neuen Regelung?
„Die
Alternative lautet, dass die Patientenverfügung verbindlich ist, um im Fall der Fälle
den mutmaßlichen Willen des Patienten zu identifizieren. Man muss auf sie Bezug nehmen
können. Aber in jedem Einzelfall muss der Betreuer unter Einschluss der Angehörigen
nochmals überprüfen, ob sich zwischen dem Zeitpunkt der Abfassung der Patientenverfügung
und dem jetzigen Zeitpunkt, wo sich der Patient nicht mehr äußern kann, eine Willensänderung
eingetreten ist. Unsere Begründung für diese Forderung haben wir in Übereinstimmung
mit den deutschen Bischöfen immer wieder gegenüber den politisch Verantwortlichen
vorgetragen. Sie besteht darin, dass wir aus vielen Lebenszusammenhängen wissen, dass
man in einer Situation, die man vorher vermeiden wollte und die man sehr stark fürchtete,
dann doch meist anders entscheidet als geplant. Die Durchführung der Patientenverfügung
mit dem mutmaßlich vorliegenden Willen eines Patienten halten wir für schwer bedenklich.
Hier hätten wir uns gewünscht, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung festgeschrieben
hätte.“
Und wie sollen sich Ihrer Meinung nach die deutschen Katholiken
jetzt verhalten?
„Wir meinen, dass Katholiken eine Patientenverfügung abfassen
sollen. Sie sollen ihre Auffassung schriftlich dokumentieren. Aber zugleich könnte
man als Teil einer Patientenverfügung hinzufügen, dass im Fall der Fälle der Betreuer
oder der Gesundheitsbevollmächtigte oder die Angehörigen in jedem Fall nochmals überprüfen,
ob denn die Willenserklärung noch so gilt, wie es in der Patientenverfügung steht.
Somit könnten Katholiken, die eine Patientenverfügung auffassen, sich einerseits mit
der Frage ihres Sterbens auseinandersetzen – denn das ist ein wichtiger Moment der
Patientenverfügung und wird von der Kirche sehr begrüßt, aber auf der anderen Seite
selber Vorsorge dafür tragen, dass es nicht zu einer so genannten negativen Bindung
kommt. Eine solche negative Bindung besteht dann, wenn man sich in einer Situation
befindet, die man nicht voraussehen konnte und sich nun nicht mehr distanzieren kann,
weil man eben nicht mehr bei Bewusstsein ist. Um diese negative Bindung auszuschalten,
können Katholiken selber vorsehen und verlangen, dass im Fall der Fälle und in einer
Situation, in der sie sich nicht mehr selber ausdrücken können, der Betreuer verpflichtet
wird, nochmals zu überprüfen, ob sich der Wille des Patienten doch nicht geändert
hat.“
Beim Aufsetzen einer Patientenverfügung stehen zwei Formen zur Auswahl:
Die Standardvariante, die man als Formular im Internet per Ankreuzen ausfüllen und
dann ausdrucken kann, regelt alle Maßnahmen im Falle der Aussichtslosigkeit einer
Erkrankung. In den meisten Fällen ist sie ausreichend. Wer sich differenzierter absichern
möchte, kann die so genannte „Optimale Patientenverfügung“ wählen. Sie ist individueller
formuliert und deckt auch so genannte nicht akut lebensbegrenzende Situationen wie
Schlaganfall oder bestimmte Demenzerkrankungen ab. Patienten können sich auch an christliche
und weltliche Beratungsstellen wenden. Die Vorlage der Kirchen umfasst auch Vorsorgevollmacht
und Betreuungsverfügung. Die Fassung wird gerade an die ab 1. September geltende Rechtslage
angepasst.