2009-08-30 11:42:15

D: „Katholiken sollen Patientenverfügung abfassen, aber…“


RealAudioMP3 Am kommenden Dienstag (1. September) tritt nach fünf Jahren Debatte das neue Gesetz zur Patientenverfügung in Kraft. Neu ist: Mediziner müssen sich streng nach dem schriftlich niedergelegten Willen eines Patienten richten. Das Gesetz schreibt aber keine vorherige Beratung vor. Niemand darf zur Abfassung einer Patientenverfügung gezwungen werden. Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland bieten auf ihren Internetseiten eine gemeinsam abgestimmte, christlich ausgelegte Patientenverfügung an. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hält die gesetzliche Regelung für ungenügend.

Mario Galgano hat den Vorsitzenden der ZdK-Arbeitsgruppe „Patientenverfügungen“ und Moraltheologen Andreas Lob-Hüdepohl nach den negativen Seiten der neuen Regelung gefragt.

„Wir begrüßen zwar, dass es überhaupt zu einer gesetzlichen Regelung über die Verbindlichkeit von Patientenverfügung gekommen ist. Freilich sind wir mit dem Ergebnis unter dem Strich nicht zufrieden. Insbesondere weil es keine Einbindung eines gesetzlich bestellten Betreuers gibt, der die Aktualität der Willenserklärung nochmals überprüfen könnte. Ein weiterer negativer Punkt betrifft unsere Enttäuschung darüber, dass sich der Deutsche Bundestag nicht auf eine ausreichende Begrenzung verständigen konnte. Konkret geht es um die ausschließliche Verbindlichkeit der Patientenverfügung für jenes Stadium einer Erkrankung, in der sich der Patient in einer so genannten terminalen Phase befindet.“

Sie haben aber auch gesagt, dass Sie die Diskussion um die Patientenverfügung als solche begrüßt haben. Was wäre Ihrer Meinung nach eine Alternative zur neuen Regelung?

„Die Alternative lautet, dass die Patientenverfügung verbindlich ist, um im Fall der Fälle den mutmaßlichen Willen des Patienten zu identifizieren. Man muss auf sie Bezug nehmen können. Aber in jedem Einzelfall muss der Betreuer unter Einschluss der Angehörigen nochmals überprüfen, ob sich zwischen dem Zeitpunkt der Abfassung der Patientenverfügung und dem jetzigen Zeitpunkt, wo sich der Patient nicht mehr äußern kann, eine Willensänderung eingetreten ist. Unsere Begründung für diese Forderung haben wir in Übereinstimmung mit den deutschen Bischöfen immer wieder gegenüber den politisch Verantwortlichen vorgetragen. Sie besteht darin, dass wir aus vielen Lebenszusammenhängen wissen, dass man in einer Situation, die man vorher vermeiden wollte und die man sehr stark fürchtete, dann doch meist anders entscheidet als geplant. Die Durchführung der Patientenverfügung mit dem mutmaßlich vorliegenden Willen eines Patienten halten wir für schwer bedenklich. Hier hätten wir uns gewünscht, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung festgeschrieben hätte.“

Und wie sollen sich Ihrer Meinung nach die deutschen Katholiken jetzt verhalten?

„Wir meinen, dass Katholiken eine Patientenverfügung abfassen sollen. Sie sollen ihre Auffassung schriftlich dokumentieren. Aber zugleich könnte man als Teil einer Patientenverfügung hinzufügen, dass im Fall der Fälle der Betreuer oder der Gesundheitsbevollmächtigte oder die Angehörigen in jedem Fall nochmals überprüfen, ob denn die Willenserklärung noch so gilt, wie es in der Patientenverfügung steht. Somit könnten Katholiken, die eine Patientenverfügung auffassen, sich einerseits mit der Frage ihres Sterbens auseinandersetzen – denn das ist ein wichtiger Moment der Patientenverfügung und wird von der Kirche sehr begrüßt, aber auf der anderen Seite selber Vorsorge dafür tragen, dass es nicht zu einer so genannten negativen Bindung kommt. Eine solche negative Bindung besteht dann, wenn man sich in einer Situation befindet, die man nicht voraussehen konnte und sich nun nicht mehr distanzieren kann, weil man eben nicht mehr bei Bewusstsein ist. Um diese negative Bindung auszuschalten, können Katholiken selber vorsehen und verlangen, dass im Fall der Fälle und in einer Situation, in der sie sich nicht mehr selber ausdrücken können, der Betreuer verpflichtet wird, nochmals zu überprüfen, ob sich der Wille des Patienten doch nicht geändert hat.“

Beim Aufsetzen einer Patientenverfügung stehen zwei Formen zur Auswahl: Die Standardvariante, die man als Formular im Internet per Ankreuzen ausfüllen und dann ausdrucken kann, regelt alle Maßnahmen im Falle der Aussichtslosigkeit einer Erkrankung. In den meisten Fällen ist sie ausreichend. Wer sich differenzierter absichern möchte, kann die so genannte „Optimale Patientenverfügung“ wählen. Sie ist individueller formuliert und deckt auch so genannte nicht akut lebensbegrenzende Situationen wie Schlaganfall oder bestimmte Demenzerkrankungen ab. Patienten können sich auch an christliche und weltliche Beratungsstellen wenden. Die Vorlage der Kirchen umfasst auch Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung. Die Fassung wird gerade an die ab 1. September geltende Rechtslage angepasst.

(rv/pm 29.08.2009 mg/bp)








All the contents on this site are copyrighted ©.