Vatikan: „Neuer Ratzinger-Schülerkreis“ vor der Premiere
Von Freitag bis Sonntag
trifft sich in Castelgandolfo der Ratzinger-Schülerkreis. Benedikt XVI. ist am Samstag
mit dabei – die kurze akademische Auszeit vom Papstamt lässt sich Professor Ratzinger
nicht nehmen.
„Dieses Jahr sprechen wir von der Mission als Aufgabe der Kirche,
das hat der Papst so gewünscht“, sagte Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von
Wien und Angehöriger des Schülerkreises, unseren italienischen Kollegen vor einigen
Tagen. Offizieller Titel des "Schülertreffens" lautet: "Mission unter den Völkern:
ihre Rechtfertigung und ihre Form heute". Es geht durchaus auch um heikle Fragen,
nämlich: wie kommt es, dass die Begegnungen katholischer Missionare mit Vertretern
anderer Religionen nicht immer von Harmonie geprägt ist. Sollen religiöse Gegensätze
in der Mission herausgestellt werden, oder liegt die größere Gefahr in einer Vermischung
religiöser Inhalte? Auch die Rolle von Missionaren anderer Konfessionen wird zur Sprache
kommen.
„Es gibt die Möglichkeit, in Europa gemeinsam mit anderen christlichen
Konfessionen zu missionieren“, meinte Kardinal Schönborn zum Thema des Schülerkreises.
„Der Herr ruft uns dazu, gemeinsam Zeugnis abzulegen. Das ist ein dringender Aufruf
von Jesus Christus selbst.“
So kommt es, dass die beiden Hauptvorträge diesmal
von einem protestantischen und von einem katholischen Theologen stammen, der früher
von der evangelischen Kirche konvertiert war. Es handelt sich um den Tübinger Ökumeniker
Peter Beyerhaus bzw. den Münchner Religionswissenschaftler Horst Bürkle. Beide sind
bereits emeritiert.
Auch eine Premiere ist in diesem Jahr zu vermelden: ein
„Neuer Schülerkreis“ wurde aus der Taufe gehoben. 18 junge Theologen, die dieser neuen
Gruppe angehören, reisen in diesem Jahr nach Castelgandolfo. Auch sie sprechen über
das Thema Mission. Es gibt keine Vermischung von Schülerkreis und „Neuem Schülerkreis“,
einzelne Programmpunkte führen aber beide Gruppen zusammen, sagte der Leiter des Schülerkreises,
P. Stephan Horn, gegenüber Radio Vatikan. Die Angehörigen des „Neuen Schülerkreises“
stammen hauptsächlich aus dem deutschen Sprachraum, aber auch ein Nachwuchs-Theologe
aus Mexiko und ein weiterer aus Spanien sind dabei. Weiters gibt es Anwärter aus Italien
und den USA. Hauptkriterium für die Aufnahme in den „Neuen Schülerkreis“ ist wissenschaftliche
Arbeit an der Theologie von Joseph Ratzinger, ein anderes die Beherrschung der deutschen
Sprache. Die Idee zu einer Gründung des Nachwuchs-Zirkels kam aus der Mitte des Schülerkreises
selbst, so P. Horn.
Der Ratzinger-Schülerkreis besteht seit 1971. Geboren
wurde er aus der Tatsache, dass die Studierenden, die bei Joseph Ratzinger in Regensburg
die Doktorarbeit schrieben, zu viele waren, als dass der Dogmatik-Professor sie einzeln
hätte betreuen können. So traf man sich alle zwei Wochen samstags im Regensburger
Priesterseminar. Nach einer gemeinsamen Messe stellten die Doktoranden ihre neuesten
Erkenntnisse vor, dann wurde in der Runde darüber diskutiert. Noch heute staunen manche
Ratzinger-Schüler darüber, mit welcher Offenheit und intellektuellen Freiheit da über
strittige Fragen quer durch die Bandbreite der Theologie debattiert wurde. Deshalb,
glaubt Kardinal Schönborn, heben sich auch für Benedikt XVI. die jährlichen Treffen
des Schülerkreises vom Alltag eines Papstes wohltuend ab:
„Man sieht, dass
diese Treffen für ihn auch ein Moment der Loslösung sind, wenn er mit seinen früheren
Studenten zusammen ist – so wie früher. Vor vielen Jahren, als er Professor war uns
wir seine Schüler.“ Nach der Papstwahl 2005 wollte Benedikt XVI. an der Tradition
der jährlichen Treffen festhalten. Seither findet der akademische Austausch der Ratzinger-Schüler
in Castelgandolfo statt.