„Jetzt will ich aber erzählen“ – KZ-Überlebende trafen Erzbischof Zollitsch
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat
sich in der vergangenen Woche mit 14 polnischen KZ-Überlebenden getroffen. Sie halten
sich derzeit als Gäste des Maximilian-Kolbe-Werks im Erzbistum Freiburg auf und waren
als Kinder oder junge Erwachsene in Konzentrationslagern wie Auschwitz oder Ravensbrück
inhaftiert. Sie berichteten dem Erzbischof von ihrer Leidenszeit in den Lagern des
NS-Regimes. Ein Beitrag von Antje Dechert:
Es sei eine sehr wertvolle, nachdenklich
machende Erfahrung für ihn gewesen sagte Zollitsch im Anschluss an die Begegnung mit
den Holocaust-Überlebenden aus Polen:
„Das Schöne war bei einer ganzen Reihe
von Menschen, die hier sind, dass tatsächlich nicht nur sie überlebt haben, sondern
die ganze Familie überlebt hat; und dann das Zeugnis: ja, wir haben uns an Gott festgemacht.
Eine Frau erzählte, dass sie das Bild von der Gottesmutter der immerwährenden Hilfe
mitgenommen hätte ins Konzentrationslager. Und nachher, nachdem die ganze Familie
mit elf Kindern überlebt hat, haben sie dann der Muttergottes eine Statue gestiftet
aus Dankbarkeit. Und darin wurde deutlich: es gibt auch eine Kraft in schwierigen
Situationen, die uns geschenkt wird von Gott, durch die wir durchhalten können.“
Das
Maximilian-Kolbe-Hilfswerk organisiert jährlich für KZ-Überlebende aus Osteuropa Erholungsurlaube
und Begegnungsreisen nach Deutschland. In diesem Jahr ist auch Witold Olschewski dabei.
Der heute 89-jährige Arzt aus Lodz überlebte als Jugendlicher das Warschauer Ghetto
und das KZ. Seine Begegnung mit Erzbischof Zollitsch schildert er so:
„Das
war so nett, dass der Herr ... Erzbischof nicht so amtlich dahergekommen war und
so herzlich mit uns umgegangen ist und gesprochen hat. Den Damen hat er aufmerksam
zugehört, die sprechen immer viel – Sie wissen schon. Jede wollte von ihren Schwierigkeiten
erzählen und von dem schrecklichen Überleben...Manchen Leuten fällt das schwer ...
und sie sprechen nicht so viel, aber die Damen immer etwas mehr...“
Eine
dieser Damen ist die 85-jährige Josefa Garcinska. Für sie ist die Reise nach Deutschland,
eine bedeutende Erfahrung, sagt sie froh darüber, ein verändertes Deutschland zu erleben:
„Wichtig
für mich ist, wie die Menschen uns hier aufnehmen, wie viel Aufmerksamkeit, wie nett
sie zu mir sind. Von, also ganz von ... von der Putzfrau bis zu dem Chef heute sind
alle sehr aufmerksam, sehr nett zu uns. Und das ist für mich persönlich sehr wichtig.“
Noch
bis Ende August sind die ehemaligen KZ-Häftlinge aus Polen in Deutschland. Nach Begegnungen
mit Jugendlichen in Berlin und dem Freiburger Erzbischof machen sie jetzt noch etwas
Urlaub in zwei süddeutschen Klöstern. Witold Olschewski:
„Wir haben dort
geistige Erholung, ... physische, aber auch geistige Erholung. Wir haben auch schönes
Wetter. In Polen war viel Regen, jetzt ist es schön. Und wir haben viel Ruhe.“
Der
89-jährige Olschweski ist seit Jahren ehrenamtlicher Mitarbeiter des Maximilian-Kolbe-Werks.
Als Arzt betreut er KZ-Überlebende in Polen. Selbst von NS-Verfolgung und -Gewalt
betroffen, kann er ihre seelischen Leiden besser nachvollziehen. Auch will er so einen
Beitrag zur Aussöhnung leisten:
„Wir wollen die deutsch-polnische Versöhnung,
Verständigung. Wir kämpfen. Das Maximilian-Kolbe-Werk hat seine Arbeit für Verständigung
auch erweitert. Das gibt uns die Hoffnung, dass die ... Kriegsjahre, die grausamen
Kriegsjahre hoffentlich nie wieder kommen können.“
Auch wenn die Erinnerung
schmerzlich ist, darf nicht vergessen werden was damals passierte, sagte Erzbischof
Zollitsch bei seinem Treffen mit den Holocaust-Überlebenden. Ihre Erinnerung müsse
weitergegeben werden. Die Begegnung mit Zeitzeugen mache dies möglich:
„Man
hört ihnen zu. Man teilt ihr Schicksal. Sie sind nicht einfach vergessen. Und es gibt
auch die Menschen, die Nachkommen dieser Generation sind und die dann oft auch als
Kinder traumatisiert wurden durch die Erlebnisse der Eltern.“
Das Erinnern
an die schrecklichen Erlebnisse aus der NS-Zeit fällt den Überlebenden schwer, sagt
auch Josefa Garcinska. Selbst mit der eigenen Familie habe sie kaum darüber gesprochen.
Das sei nun anders:
„Jetzt will ich aber erzählen, weil ich denke, für mich
ist es wichtig, so erzählen,... wie ich das erlebe und nicht, dass ich eine negative,
... diese negativen Gedanken der Familie erzählen kann, wie es vorher war. Also ...
möchte ich so sagen, dass ich den lieben Gott darum bitte, dass ich gesundheitlich
so gut die zwei Wochen noch bestehen kann, dass ich alles, was ... für uns vorbereitet
ist, dass ich alles sehen kann, dass ich an allem teilnehmen kann, damit ich dann
Monate nachher, wenn ich schon zu Hause bin, alles erzählen kann und neu erleben kann
und meinen Enkeln, meiner Familie alles erzählen kann.“
Wunden heilen,
Brücken bauen und zur Versöhnung beitragen – das sind die Ziele des Kolbe-Werks. Angesichts
neuer Kriege, sei dies heute auch in anderen Regionen neu notwendig, betont Zollitsch:
„Das
Maximilian-Kolbe-Werk hat seine Aufgaben ausgedehnt etwa auf dem Balkan, wo wir erst
durch die Balkankriege und das Schreckliche, was dort geschehen ist, dann neue Wunden
erleben mussten. Und wir haben den Auftrag zu schauen, dass die Versöhnungsarbeit
weitergeht.“