Debatte in Deutschland: Christentum als Mittel gegen „Entbürgerlichung“?
Eine Wiederbelebung
des Christentums könne wirksam gegen „Verwahrlosung und Entbürgerlichung“ in den neuen
deutschen Bundesländern sein. Mit dieser These ist Brandenburgs Innenminister Jörg
Schönbohm in die Kritik geraten. Der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer widerspricht
scharf und warnt vor einem Verständnis des Christentums als „Allheilmittel“. Im Domradio-Interview
erhält Schönbohm Unterstützung vom evangelischen Landesbischof von Sachsen, Jochen
Bohl. Das Christentum sei zwar kein „Allheilmittel, aber ein wichtiges Heilmittel“.
Bohl erklärt, warum: „Ich erfahre für mich selber und auch für viele andere
Menschen in unserer Kirche, dass der christliche Glaube sehr bedeutend ist. Er gibt
Halt und eine zuverlässige Orientierung, die helfen kann, das Gute vom Bösen und das
Unwichtige vom Wichtigen zu unterscheiden. Insofern ist es sicherlich richtig, wenn
Herr Schönbohm gesagt, dass es gut ist, wenn die Kirche viele Menschen an sich bindet.
Und wenn die Menschen am Glauben der Christenheit festhalten.“ „Verwahrlosungsphänomene“
wie Gewaltverbrechen, Kindesmisshandlung und Rechtsradikalismus seien jedoch ein gesamtdeutsches
Problem, rückt Bohl Schönbohms These zurecht. Der Verlust an Rückhalt der Kirche sei
im Osten Spätfolge der der kommunistischen SED. Im Westen sei diese Schwächung aber
sogar unter „freiheitlichen“ Bedingungen geschehen, erinnert Bohl. Was die Kirche
gegen „Entkirchlichung“ tun könne: die Menschen an ihre Bürgerpflichten erinnern,
zum Beispiel jetzt vor den bevorstehenden Landtagswahlen am 30. August in Sachsen
und Thüringen. Bohl: „Das Allerwichtigste ist, dass wir wählen gehen und das
als Bürgerpflicht. Eine hohe Wahlbeteiligung ist ein Zeichen der Zustimmung zur demokratischen
Ordnung. Eine niedrige Wahlbeteiligung würde den Abstand vieler Menschen deutlich
machen, und das kann eine Demokratie auf Dauer nicht vertragen. Im Übrigen sind auch
in Westdeutschland die Erfahrungen mit der Wahlbeteiligung in den letzten 10 bis 15
Jahren nicht besonders gut gewesen. Auch in Sachen Wahlbeteilung fällt der Osten nicht
aus dem Rahmen. Daneben gibt es das Thema NPD in Sachsen. Wir werden als Landeskirche
deutlich machen, dass für einen Christenmenschen diese Partei nicht wählbar ist.“ In
den neuen Bundesländern versuchen evangelische wie katholische Kirchengemeinden, die
Bevölkerung für die Wahlprogramme der Parteien und rechtsextreme Inhalte zu sensibilisieren.
Ein Beispiel ist das Internetportal der katholische Gemeinde in Thüringen, die auch
gegen den Angriff der NPD auf den dunkelhäutigen CDU-Politiker Zeca Schall Stellung
bezogen hat. (domradio/rv 20.08.2009 pr)