Die Vatikanzeitung
„L´Osservatore Romano“ hat den Vorwurf zurückgewiesen, Papst Pius XII. habe zum Holocaust
geschwiegen. Eine „schwarze Legende“ um diesen Papst sei erst nach dessen Tod vor
allem durch Rolf Hochhuths „Der Stellvertreter“ entstanden, heißt es in der Freitagsausgabe.
In einem historischen Beitrag weist das Blatt zugleich nach, dass die Vereinigten
Staaten bereits im Sommer 1942 über die nationalsozialistische Judenvernichtung informiert
wurden, aber anderthalb Jahre nichts unternommen hätten. Auch der israelische Historiker
Yeshayahu Jelinek hat den Vorwurf zurückgewiesen, Papst Pius XII. habe zum Holocaust
geschwiegen. Der Vatikan habe 1942 als einzige Institution die Initiative ergriffen,
um etwas gegen die Vernichtung slowakischer Juden zu unternehmen, sagte Jelinek am
Wochenende auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Jerusalem. Durch
eine diplomatische Intervention habe der Heilige Stuhl einen sechswöchigen Aufschub
der Deportationen von Juden der Slowakei nach Polen von Anfang August bis Mitte September
1942 erwirken können. Jelinek beruft sich auf drei auf Slowakisch verfasste Briefe,
die er nach eigenen Angaben in einem Prager Archiv gefunden hat. Im Juni 1942 habe
die tschechoslowakische Exilregierung in London einen Bericht über Judenverfolgungen
in der Slowakei erhalten, erläutert der emeritierte Geschichtsprofessor. Darin sei
erwähnt worden, dass schon 48.000 Juden nach Polen deportiert worden seien. Eine
Delegation der Exilregierung habe daraufhin am 6. Juli 1942 dem Erzbistum Westminister
einen Brief mit der Bitte um Weiterleitung an den Vatikan übergeben, in dem dieser
um Intervention gegen die Deportationen gebeten wird. Gleichzeitig sei ein geheimer
Brief mit ähnlichem Inhalt an die Vereinigung jüdischer Einwanderer aus der Tschechoslowakei
im Mandatsgebiet Palästina geschickt worden. Im Jahr 1944 wurde der Brief-Weg über
London an den Vatikan laut Jelinek erneut beschritten. In dem neuerlichen Schreiben
mit der Bitte zur Intervention gegen Deportationen aus der Slowakei werde an die erfolgreiche
Intervention des Heiligen Stuhls im Jahr 1942 erinnert, so Jelinek. Er begreift diesen
Brief als einen historischen Beweis dafür, dass der Vatikan nicht nur über die Vorgänge
in Osteuropa informiert war, sondern diplomatisch eingriff, um die Judenvernichtung
in der Slowakei wenigstens zeitweilig zu stoppen. Jelinek erläutert, dass der Vatikan
noch vor den USA über die systematische Judenvernichtung informiert worden sei. Der
Vatikan habe sich als einzige Regierung schon 1942 gegen die Deportationen eingesetzt,
schlussfolgert Jelinek. Der 1933 in der Tschechoslowakei geborene Historiker emigrierte
1949 nach Israel. Er lehrte an verschiedenen Universitäten in den USA, Israel und
Deutschland.